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Kommentar

Immer mehr Hotels werden in Berlin gebaut – Nimmt der Boom kein Ende?

Jetzt soll auch das Multiplexkino Cubix am Alexanderplatz einem Hotel weichen, gleichzeitig sind Dutzende neuer Beherbergungsbetriebe in Berlin geplant, für viele Projekte haben die Behörden bereits Genehmigungen erteilt. Wohin man schaut, neue Hotels schießen wie Pilze aus dem Boden. Sicher, Tourismus ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für die Stadt, aber ist der frei drehende Hotel-Boom in Zeiten steigender Mieten und fehlender Wohnungen wirklich gut für Berlin? Ein Kommentar von Jacek Slaski.

Schöne neue Hotelwelt am Ostbahnhof in Friedrichshain. Foto: Imago/Jürgen Held
Schöne neue Hotelwelt am Ostbahnhof in Friedrichshain. Foto: Imago/Jürgen Held

Die Devise – je mehr Hotels, desto besser – muss angezweifelt werden

Das Bezirksamt Mitte legte kürzlich eine Nutzungsänderung für das Grundstück Rathausstraße 1 vor, direkt am Alexanderplatz. Statt dem Cubix-Kino, das dort seit 2001 residiert, ist die Fläche nun für ein Hotel vorgesehen. Dass selbst ein großes Kino seinen Platz räumen soll, zeigt, wie aggressiv sich Hotels im Stadtraum ausbreiten. Doch es sind nicht nur Kulturinstitutionen, die bedroht sind, es geht bei dem Prozess um den stadtgesellschaftlichen Zusammenhalt und um Lebensqualität. Die Devise – je mehr Hotels, desto besser – muss angezweifelt werden.

Vor der Pandemie zählte Berlin 787 Beherbergungsbetriebe mit knapp 150.000 Betten, darauf verteilten sich 2019 etwa 35 Millionen Übernachtungen. Damit ist Berlin nach London und Paris die drittbeliebteste Metropole im europäischen Vergleich. Tourismus ist damit ein wesentlicher Faktor in der Stadt, ungezählte Arbeitsplätze hängen an der Branche, viele Unternehmen, Clubs und Restaurants würden ohne die Berlin-Besucher nicht überleben. Kritik an dieser Entwicklung zu üben, ist heikel. Und doch muss man sich fragen, in welche Richtung sich Berlin entwickeln soll. 151 neue Hotels und Hostels sollen in den kommenden Jahren entstehen, die Hälfte davon in umgenutzten Gebäuden. Die Tendenz ist klar: mehr, mehr, mehr.

Naturgemäß lässt sich mit Hotels mehr Gewinn erwirtschaften als mit sozialem Wohnungsbau

Doch wenn die Zahl der Gästebetten steigt, sinkt damit automatisch der Platz für die Bewohner. In zentralen Lagen ist ohnehin schon alles dicht, bezahlbarer Wohnraum fehlt und wenn überhaupt, werden teuere Eigentumswohnungen für eine finanzstarke Klientel realisiert. Geld regiert und naturgemäß lässt sich mit Hotels mehr Gewinn erwirtschaften als mit sozialem Wohnungsbau für Geringverdiener.

Angesichts der katastrophalen Situation auf dem Berliner Wohnungsmarkt ist aber jeder Hotelneubau ein Schlag ins Gesicht für viele Einwohner. Dass die Investoren daran interessiert sind, ist offensichtlich. So funktioniert das Geschäft, doch es liegt in der Hand der Politik und der Verwaltung, diese Entwicklung zu steuern. Nein, vielmehr zu regulieren. Die Linke fordert bereits einen „Hotelneubaustopp“, doch ob sie gehört wird, bleibt fraglich.

Dabei wäre eine Eindämmung des Booms keine Tragödie. Wenn das eine oder andere Hotel nicht entstehen würde, blieben die Touristen und ihr Geld nicht plötzlich weg. Sie kommen schließlich nach Berlin, weil sie die besondere Stimmung und das vibrierende Kulturleben genießen wollen. Die Lebensqualität ist der Anreiz und nicht monotone Hotelwüsten. Und noch eins kommt hinzu, die Auslastung der Hotelbetten vor der Pandemie lag im Schnitt bei gut 60 Prozent. Also gibt es bereits bei der bestehenden Hotelinfrastruktur noch Luft nach oben – ohne dass weitere Häuser hinzu kommen müssen.


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