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Gentrifizierung

Meuterei in Kreuzberg: Donnerstag Proteste gegen Räumung der Linken-Kneipe

Kreuzberg verändert sich seit Jahren vor allem in eine Richtung – die Gentrifizierung des Stadtteils raubt den linksgeprägten Stadtteil zusehends Substanz. Schicke Cafés statt charmant-ranziger Kneipen, große Firmenquartiere statt Freiflächen und bezahlbarem Wohnraum. Nun kämpfen jene, die den Rest des alten Spirits bewahren wollen, um eine Kollektivkneipe: die Meuterei im Reichenberger Kiez, die, richtig, weggentrifiziert werden soll.

Außenansicht der Kneipe Meuterei an der Reichenberger Straße 58 in Kreuzberg. Am Donnerstag soll geräumt werden. Foto: Imago/Pollack

Kollektiv-Kneipe Meuterei: Donnerstag ist Räumung

Donnerstag wollen Polizei und Gerichtsvollzieher die Räumung der linken Kneipe Meuterei durchziehen. Juristisch legitimiert ist das, schon längst gehört das Haus einem Investor. Der, wenig überrascht, kaum Interesse daran hat, eine kleine, politische Kneipe am Leben zu erhalten. Mit einer Neuvermietung lässt sich mehr rausholen als mit Haltung. Eine Geschichte, die in den vergangenen Jahrzehnten oft, zu oft erzählt werden musste.

Schon 2011 wurde das Gebäude an der Reichenberger Straße 58 verkauft, an „Zelos Properties“. Drei Jahre später lief der Mietvertrag des Betreiber*innenkollektivs aus. Allerdings wurde der neue Besitzer die alten Nutzer*innen der nun ihm gehörenden Räume nicht los – weil diese ein Anrecht auf eine Verlängerung um fünf Jahre hatten, sollte es keine schwerwiegenden Problem mit dem Vermieter geben.

Dass der an einer anderen Neunutzung gehindert wurde, war in diesem Sinne allerdings kein Problem – und andere, die ein Ende des Vertrages gerechtfertigt hätten, gab es nicht. Was auch ein Gericht so sah. Ergo: Luft bis 2019, das Kollektiv durfte die Meuterei weiter betreiben.

Seit zwei Jahren ist das Kollektiv ohne Mietvertrag

2019 dann – wenig überraschend – hatten die ausgesprochen politischen Betreiber*innen keinerlei Motivation, das Feld kampflos zu überlassen. Sie behielten den Schlüssel und blieben. Ein Kaufangebot lehnten sie ab, boten die Hälfte, was wiederum abgelehnt wurde. Ein Gericht gab dem Investor Recht. Das offizielle „Raus mit euch“ blieb unerhört. Die Räumung ist für acht Uhr morgens am Donnerstag terminiert.

Dienstagabend hatte es bereits eine Demo im Kiez gegeben, Donnerstag sollen ab morgens dezentrale Aktionen stattfinden. Man habe sich, heißt es auf der Meuterei-Website, „überlegt, dass wir nicht um die Absperrungen drum herum stehen wollen um unsere Wut herauszuschreien. Wir wollen, dass klar wird, dass eine Räumung der Meuterei Auswirkungen hat auf die ganze Stadt.“

Demo für Kneipenkollektiv Meuterei im Jahr 2019, als der Mietvertrag auslief: Mehrere hundert Menschen demonstrieren in Berlin für den Erhalt. Foto: Imago/Mang

Meuterei-Räumung: Dezentraler Protest – Anschläge drohen

Klar sei dem Kollektiv, dass „öffentliche Räumungen wie die der Meuterei, dem Syndikat oder der Liebig34 nur exemplarische Einzelfälle sind für ein System, dass nur an Profit orientiert ist und Menschen überall ihre Wohn- und Lebensräume wegnimmt.“ In diesem Jahr ist in Friedrichshain das besetzte Haus an der Liebigstraße 34, Liebig34, geräumt worden. Auch die Rigaer94 hat mit Problemen zu kämpfen.

Geplant sind folgende Aktionen:

  • 6 Uhr Demonstration Herrfurthplatz (Über Hermannplatz zum Kottbusser Tor)
  • 6 Uhr Fahrraddemo vor der Potse
  • 6 Uhr Kundegbung, Yorckstraße/Rathaus Kreuzberg
  • 6 Uhr Kundgebung Rigaer Straße/Silvio-Meier-Straße
  • 6 Uhr Kundgebung S-Bahnhof Warschauer Straße/nahe Citytoilette
  • 6 Uhr Kundgebung vor der Köpi
  • 8-9.30 Uhr Kundgebung Spreewaldplatz
  • 19 Uhr Interkiezionale Tag-X Demo: Chaos für die Meuterei

Die Räumung bietet dabei Potenzial für größeren Ärger in der Stadt. Im Internet kursiert ein offener Brief einer linksradikalen Gruppe namens „129 Autonome“. Die Drohung: „Sollte der Berliner Senat eines der bedrohten Projekte angreifen oder räumen lassen, werden wir das nicht unbeantwortet lassen“. Gemeint sind damit linke Projekte in der Stadt wie Meuterei, Potse, Rigaer94 und der Køpi-Wagenplatz.

Sie nennen auch mögliche Szenarien: „Vielleicht fliegen Steine auf Luxusneubauten in Neukölln oder Friedrichshain, vielleicht fällt diesmal nicht die Ringbahn aus, sondern der Flughafen Schönefeld, vielleicht brennen Luxuskarren nicht nur in Steglitz und Buch, sondern auch in Köpenick und am Wannsee.“

Nicht alle im Kiez sind einverstanden mit einer so radikalen Herangehensweise. Unterstützer*innen eines friedlichen Protests gibt es aber tatsächlich einige – das hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, wenn es um Schließungen und Kündigungen ging. Dass sich am Donnerstag das Blatt für die Meuterei noch einmal wendet, ist unwahrscheinlich. Dass die Kreuzberg*innen in der Ecke ein weiteres Stück alternativer Geschichte einfach aufgeben, mindestens genauso.


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Die Geschichte der Hausbesetzungen in Berlin erzählt linke Stadtgeschichte. Oft werden Besetzungen mit Mitte sowie Friedrichshain und Kreuzberg in Verbindung gebracht – aber auch in Schöneberg gab es eine Szene – aus der zum Beispiel das Frauenprojekt Begine entstand.

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