Politik

Neue Kultursenatorin Sarah Wedl-Wilson: Kann sie kämpfen?

Die bisherige Staatssekretärin Sarah Wedl-Wilson wird neue Berliner Kultursenatorin. Sie folgt auf Joe Chialo, dem im Amt nicht nur das Glück fehlte – und muss ganz schnell wieder Vertrauen aufbauen. Ein Kommentar.

Neue Berliner Kultursenatorin Sarah Wedl-Wilson mit dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU): Vertrauen tut not. Foto: Imago/Funke Foto Services/Maurizio Gambarini

Neue Kultursenatorin Sarah Wedl-Wilson: Erste Berliner Senatorin ohne deutschen Pass

Das ging dann aber doch schnell. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) präsentiert am frühen Montagnachmittag Sarah Wedl-Wilson als neue Berliner Kultursenatorin. Am 22. Mai soll die bisherige Staatssekretärin bei der nächsten Sitzung des Abgeordnetenhauses zur Nachfolgerin des drei Tage zuvor am 2. Mai für viele überraschend zurückgetretenen Joe Chialo ernannt werden. Das ist nach allem, was man bislang so weiß, eine gute Wahl. Was man allerdings bei der Ernennung von Chialo auch dachte. Wir wissen ja, wie das endete. Mit Schrecken.

Die Kulturmanagerin Sarah Wedl-Wilson hat die österreichische und die britische Staatsbürgerschaft. Sie wäre die erste Berliner Senatorin ohne deutschen Pass. Einen Integrationskurs muss sie jedoch nicht absolvieren. Außer vielleicht informell in der CDU. Dort ist sie, anders als Chialo, bislang kein Parteimitglied. Aber auch mit Kai Wegner kann sie gut. In der Berliner Kulturszene gilt sie jedenfalls als ziemlich gut vernetzt. Dass die „Süddeutsche” sie gerade eine „Quereinsteigerin” nannte, ist eine zumindest kühne Formulierung. 

Bevor sie im April 2023 Staatssekretärin in der Kulturverwaltung wurde, war sie vier Jahre lang Rektorin der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin. Und davor unter anderem Vizerektorin für Außenbeziehungen sowie Interimsrektorin der Universität Mozarteum Salzburg. Quereinsteigerin, aber mit Erfahrung.

Sarah Wedl-Wilsons Vorgänger Chialo war mehr als nur glücklos

Zwischenzeitlich hatte es Überlegungen gegeben, die Kultur wieder, wie zeitweise unter Klaus Wowereit (SPD), in die Senatskanzlei einzugliedern. Während Wowereit die Kulturszene mit einiger Freude am beruflichen Alltag bespielte (und die Trittsicherheit bei den Fettnäpfchen seinem damaligen Staatssekretär Tim Renner überließ, die Frank-Castorf-Ultras mit Volksbühnenhintergrund werden sich mit Schaudern erinnern), sollte man Kai Wegner nicht leichtfertig ein überbordendes Interesse an den Opernhäusern, Theatern, der freien Szene oder den Clubs dieser Stadt unterstellen. 

Als die Kultur bei der in letzter Sekunde zusammengezimmerten Sparrrunde für den Haushalt 2025 auf einmal überproportional mit 130 Millionen Euro Einsparungen geschröpft wurde, machte die Interpretation die Runde, die CDU-Politikprofis Kai Wegner – der Regierende – und Stefan Evers –der Finanzsenator – hätten den Quereinsteiger Chialo einigermaßen umfänglich über den Tisch gezogen.

Dass der ehemalige Musikmanager hinterher immerhin noch ein paar der schlimmsten Verwerfungen korrigieren konnte, half ihm in dieser Wahrnehmung herzlich wenig. Man konnte leicht zu der Auffassung gelangen, dass es dem zumeist freundlich auftretenden Chialo (in seiner Verwaltung erzählte man sich da dem Vernehmen nach allerdings auch andere Dinge) nicht nur an Glück fehlte. Sondern auch an der nötigen fachlichen Detailtiefe.

Dieser Fauxpas dürfte Wedl-Wilson mit einiger Sicherheit nicht unterlaufen.

Nun kommt die nächste Spar-Run

Dass Chialo nicht sofort nach der Verkündung des Spardiktats im Dezember vergangenen Jahres zurückgetreten ist, nahm ihm manch einer in der Berliner Kulturszene übel. Seine Begründung von vergangenen Freitag für den nun erfolgten Rückzug, er habe die kommenden Sparrunden nicht mehr mittragen wollen, wurde bei allem Respekt für seine Entscheidung auch nur bedingt abgenommen. Die Lesart ist vielmehr, dass Chialo den Absprung in die Bundespolitik gesucht hatte.

Immerhin war er für die Berliner CDU bei den Koalitionsverhandlungen dabei. Doch dann benannte der designierte CDU-Bundeskanzler Friedrich Merz seinen langjährigen Kumpel Wolfram Weimer als neuen Kulturstaatsminister. Immerhin schaffte es der konservative Medienmacher in Windeseile, unterschriftensatte Petitionen gegen seine Nominierung zu provozieren. Was Chialo vermutlich nur wenig tröstet. Kai Wegner hätte ihn womöglich gern ziehen lassen. Aber warum sollte Friedrich Merz seinem Parteikollegen Wegner einen Gefallen tun? Golffreunde sind die beiden jedenfalls nicht.

Sarah Wedl-Wilson genießt Kai Wegners Vertrauen

Sarah Wedl-Wilson hat bei allem Vorschusslorbeer die nicht eben einfache Aufgabe vor sich, wieder Vertrauen in die Kulturverwaltung aufzubauen. Obwohl ihr Verhältnis zu Chialo seit Monaten als zerrüttet galt, wie ebenfalls die „Süddeutsche Zeitung” bereits im November berichtete, war sie schließlich ein wichtiger Bestandteil dieser Verwaltung. Dass sie allerdings, anders als zuletzt Chialo, das Vertrauen Kai Wegners genießt, zeigte sich in den seit Februar laufenden, konstruktiven Dialogen mit den Kultureinrichtungen für strategische Neuausrichtungen, die Wegner gemeinsam mit ihr angestoßen und geführt hatte. 

Neues Vertrauen ist auch bitter nötig. Denn die Haushaltsverhandlungen für die nächsten beiden Jahren sehen für den Kulturetat Streichungen um weitere 300 Millionen Euro vor. Da droht das nächste Gemetzel. Als Kai Wegner am Montag die neue Kultursenatorin vorstellte, sagte er der „B.Z.” zufolge: „Es ist das Ziel des Senats, keine Einrichtung zu schließen. Und daran arbeiten wir.”

Ein Ziel ist etwas anderes als eine Zusicherung. Sarah Wedl-Wilson wird sich daran messen lassen müssen, tatsächlich nicht nur eine Fürsprecherin für die Berliner Kultur zu sein.

Sondern eine beinharte Kämpferin. 


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