Schwieriges Thema, die Polizeiwache am Kottbusser Tor. Viele Bewohner:innen fürchten strenge Überwachung, Unterdrückung, Verdrängung, eben ein Law-and-Order-Regime direkt vor ihrer Haustür. Auch weil Innensenatorin Iris Spranger zunächst nicht wirklich den Dialog suchte, die Errichtung schlicht durchpeitschte, verpuffte das Vertrauen. Die soziale Dimension könnte sich durchaus als Problem erweisen. Doch auch wegen der Kosten wird gemäkelt. Berlin könne sich die Polizeiwache am Kotti nicht leisten. Warum die strammen Sparfüche falsch liegen und was das eigentliche finanzielle Problem ist, lest ihr hier.
Schnelles Ding: die Polizeiwache am Kotti
In Horrorfilmen ist es üblich, in ruhigen Momenten Spannung aufzubauen. Erst passiert nichts, die Zuschauer sollen sich sicher fühlen, plötzlich gibt‘s einen Schnitt, schrille Musik, die Gefahr ist da. Jump Scare nennt sich das, das Angstobjekt springt einem quasi unvermittelt ins Gesicht. Beispiele davon gibt‘s zuhauf: Der „Hier ist Jacky“-Moment in „Shining“, wenn der Xenomorph in „Alien“ hinter Ripley auftaucht oder eben als Iris Spranger entschied, möglichst schnell eine Polizeiwache am Kottbusser Tor einzurichten. Bereits ihr Vorgänger hatte sich das gewünscht, doch dann wurde es ruhig, die Gefahr schien verschwunden. Bis die damals frischgebackene Innensenatorin sie Januar 2022 wieder hervorkramte und den Menschen ins Gesicht pfefferte.
Sie wolle „Nägel mit Köpfen“ machen. Nicht lange und der Standort war festgemacht: die Räumlichkeiten des Kreuzberger Zentrums, direkt auf der Galerie mit Blick über den Platz. Nach dem Schock folgte Ernüchterung und anschließend Kritik. Bewohner:innen bemängeln, dass mehr Polizei nicht die Probleme vor Ort löst, schon gar nicht, wenn sie auf einem Hochsitz thront. Statt mehr Kontrolle fordern sie soziale Lösungen für die vielfältige Problemlage vor Ort. Nachvollziehbar. Doch es gibt noch einen weiteren Vorwurf: die Kosten.
Aus den Vorlagen der Senatsinnenverwaltung geht hervor, dass die Einsatzstelle 4,2 Millionen Euro kosten wird – angedacht waren eigentlich 250.000 Euro. Über Sinn und Unsinn des Projekts lässt sich streiten, auch über die anfängliche Misskalkulation oder die Frage, wieso die Kosten so hoch ausfielen. Ging es doch im Grunde nur darum, einen 200 Quadratmeter-Raum hübsch zu machen und auszustatten. Klingt nach einer „Uff, das wird teuer“- Rechnung vom dubiosen Handwerker um die Ecke.
Ausgaben sind erstmal kein Übel
Mit Blick auf den Nutzen – viel Geld für einen besseren „Pausenraum“ – ist das Projekt durchaus überteuert. Ein Vorwurf, den sich eine ganze Menge Projekte aus der öffentlichen Hand immer wieder anhören müssen. Die Angst, eine Regierung würde das Geld verprassen, anstatt zu sparen, bis es quietscht, schwingt halt immer mit. Beim Bund der Steuerzahler tickt die Schuldenuhr unerbittlich, die Schuldenbremse hat Verfassungsrang. Nur ganz so einfach ist es eben nicht. Man kann ja viel gegen die Polizeiwache sagen, aber Kerosin für die Berliner Finanzen ist sie nicht.
Öffentliche Ausgaben sind richtig und wichtig, es gilt die volkswirtschaftliche Binse: die Ausgaben des einen sind die Einnahmen des anderen. Wenn die Landesregierung Geld für einen öffentlichen Auftrag ausgibt, verpufft es nicht, es wandert in die Taschen der Ausführenden, etwa Bauunternehmen. Und von dort fließt es unter anderem in Löhne, bestenfalls neue Arbeitsplätze und Material. Die Ausgaben dafür werden wiederum versteuert, ein Teil geht also zurück. Durchbrochen wird der Kreislauf, wenn ein Unternehmen einen Teil des Geldes anlegt, also spart. Kann kritisch sein.
Wirklich kritisch ist hingegen, wenn die Regierung spart. Das bremst das Wirtschaftswachstum, immerhin sind öffentliche Ausgaben ein Treiber. Auch wenn Berlin ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum verzeichnete (3,7 Prozent), geht es der Stadt noch schlecht, zu wenig Arbeitsplätze, sehr hohe Arbeitslosigkeit. Hier kann die Stadt helfen, sich mit Investitionen einbringen. Stattdessen nahm sie 800 Millionen Euro mehr über Steuern und Gebühren ein als sie ausgab – das eigentliche Problem, Stichwort: kaputtgespart.
Nicht nur dass es sich bei der Polizeiwache am Kotti im Vergleich um einen Kleckerbetrag handelt, trotz deutlich höherer Kosten war ein Haushaltsüberschuss möglich. Ja, vieles mag an dem Projekt, am Kotti eine Polizeiwache zu eröffnen, erschreckend sein. Es gibt genügend Argumente. Nur die Ausgaben sind es nicht.
Warum die Stadt nicht sparen sollte, zeigen diese Zahlen zu Berlin. Wo die Stadt hingegen sparsamer sein sollte, sind billige Aergumente gegen die Initiative „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“. Was Berlin noch bewegt, lest ihr in unserer Stadtleben-Rubrik.