Gesellschaft

Prepper in Berlin: Wird diese Krisenvorsorge nun Mainstream?

Prepper wollen wollen sich hierzulande vor dem Ausnahmezustand schützen – mit Notvorräten und geheimen Verstecken. Energieknappheit, der Krieg in der Ukraine und die Klimakrise scheinen auch viele Menschen in Berlin zur Krisenvorsorge zu animieren. Es sind längst nicht mehr nur die Menschen am rechten Rand, die sich vorbereiten. Könnte Preppen gesellschaftlicher Mainstream werden?

Daniel Schäfer ist Survival-Trainer und Mitautor des Ratgebers „Überlebenshandbuch“. Prepper mit politisch heiklen Ansichten nennt er „Subjekte, die gesellschaftliche Krisenvorsorge in den Medien in Verruf gebracht haben“.  Foto: Jana Vollmer
Daniel Schäfer ist Survival-Trainer und Mitautor des Ratgebers „Überlebenshandbuch“. Prepper mit politisch heiklen Ansichten nennt er „Subjekte, die gesellschaftliche Krisenvorsorge in den Medien in Verruf gebracht haben“. Foto: Jana Vollmer

Berliner Prepper sind aufs Unheil vorbereitet

Wenn die Stunde geschlagen hat, nimmt Daniel Schäfer, 48, Reißaus. Das Ziel dieses Überlebens-Taktikers, früher einmal Soldat, Polizist und Security-Unternehmer, ist dann zunächst ein geheimer Treffpunkt in der Stadt – nicht weit entfernt von seiner Wohnung am S-Bahnring in Charlottenburg. Dort begegnet er Gesinnungsbrüdern und -schwestern, die wie er auf ein großes Unheil vorbereitet sind – irgendeine Großkrise, die das öffentliche Leben lähmt wie in einem dystopischen Thriller. Andere Mitstreiter aus seinem Netzwerk treffen sich wiederum an anderen konspirativen Treffs in der Nähe ihrer jeweiligen Wohnviertel in Berlin. Unter Umständen haben sich die Leute zuvor über Funkgeräte zusammengetrommelt – falls das Telekommunikationsnetz außer Betrieb sein sollte.

Von ihren Sammelplätzen könnten die Männer und Frauen dann in kleinen Gruppen an präparierte Fluchtorte ausschwärmen: drei Datschen in der Region, wo Notvorräte lagern und eine autarke Wasserversorgung sie von der öffentlichen Infrastruktur ein Stück weit unabhängig macht. Unterschlüpfe, die mit Fußmärschen erreichbar sind. Es handelt sich um ein Einstiegsszenario in ein Leben als Selbstversorger, das bislang nur Theorie ist.

Prepper meinen, der Staat habe im Krisenfall genug zu tun

Daniel Schäfer, inzwischen tätig als Unternehmensberater, gehört zu jenen Leuten, die sich vor einem Zusammenbruch der staatlichen Ordnung infolge eines üblen Ereignisses schützen wollen. Nach einem Super-GAU, einer militärischen Invasion oder einer Naturkatastrophe.

„Der Staat hat im Fall einer Krise genug damit zu tun, sich um die Alten, Schwachen, Kranken und Behinderten zu kümmern“, meint Schäfer, ein Unteroffizier der Reserve. Mit anderen Worten: Die restliche Bevölkerung muss sich selbst helfen.

Preppen: Vorsorge fürs häusliche Exil

Falls der Ausnahmezustand den Exit-Plan in die vorbereiteten Notunterkünfte unmöglich machen sollte, könnte sich Schäfer übrigens auch zuhause einnisten. Er hortet Nahrungsmittel, die für mindestens 30 Tage den Hunger stillen. Außerdem hat er sich auch sonst für den Ernstfall gerüstet, etwa mit einem Stromgenerator und Solarpanels. Dank dieser Vorkehrungen wäre er nicht mehr auf die öffentliche Energie- und Wärmeversorgung angewiesen. Er besitzt zudem Textilien, die vor extremen Temperaturen schützen.

Schäfer, der Mann für alle Fälle, betreibt eine Krisenvorsorge, die wegen einer unsicheren Gegenwart immer mehr Zeitgenossen interessiert.

In der Ukraine wütet seit nunmehr einem Dreivierteljahr ein Krieg, der die europäischen Volkswirtschaften in Schieflage gebracht hat, wegen Sanktionen und Embargos. Die Schlagwörter sind Energieknappheit, Inflation und Armutsrisiko. Dazu sind vielen Deutschen die Isolationserfahrungen während der Corona-Lockdowns noch in Erinnerung. Am Horizont dräut der Klimawandel, mit Fluten, brütender Hitze und anderen Extremereignissen. 

Krisenvorsorge mit den Accessoires eines Campers: So könnte Preppen für Anfängerinnen und Anfänger aussehen. Foto: Jana Vollmer

Wird Deutschland zur Prepper-Nation?

Daniel Schäfer, der Fachmann, teilt nebenher sein Spezialwissen: Er gibt Survival-Trainings für Anfängerinnen und Anfänger beispielsweise in Norwegen, mit einem Co-Autoren hat er außerdem ein kundiges Buch herausgegeben. Es heißt „Das Überlebenshandbuch – Warum Sie sich auf Krisen und Katastrophen vorbereiten sollten und wie Sie das anstellen, ohne Ihr ganzes Leben umzukrempeln“. Der Leitfaden ist 2021 erschienen im seriösen Bebra-Verlag mit Sitz in Lichterfelde; die zweite Auflage ist längst im Umlauf.

Im öffentlichen Sektor ist übrigens das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe für zivile Sicherheit zuständig.

„Wir erhalten zurzeit vermehrt Bürgeranfragen zum Ukraine-Konflikt“, heißt es in der Behörde, deren Hauptsitz in Bonn-Lengsdorf angesiedelt ist. „Zudem stellen wir bereits seit Beginn der Corona-Pandemie einen Anstieg der Abrufzahlen und Bestellungen unseres Notfallratgebers fest.“

Notvorrat für zehn Tage: Wasser, Milch, Getreide, Obst

In diesem Heft empfiehlt das Amt einen Notvorrat für zehn Tage. Zum Beispiel 20 Liter Wasser, 2,6 Kilo Milchprodukte, 3,5 Kilo Getreideprodukte, 2,5 Kilo Obst und Nüsse sowie weitere Rationen. Ein ganzes Warenhaus fürs heimische Kabuff.

Welche politischen Ansichten verbergen sich hinter Menschen, die sich gezielt für den Doomsday wappnen?

Man darf Daniel Schäfer glauben, dass er kein Staatsfeind ist. Im Gegensatz zu Freaks am rechten Rand, die verschwörungstheoretische Werke lesen, vom „Great Reset“ fabulieren oder sich in einer von klandestinen Eliten errichteten Diktatur wähnen. „Die Demokratie ist die beste Staatsform, die wir haben“, sagt er.

Leute, die preppen, haben einen selektiven Blick auf Gefahren

Seine berufliche Vergangenheit könnte allerdings einen selektiven Blick auf potenzielle Gefahren hervorgebracht haben. In den 1990er-Jahren war der gebürtige Berliner ein Mitglied der damaligen Krisenreaktionskräfte (KRK) der Bundeswehr, einer schnellen Eingreiftruppe. Für eine solche Einheit war er im zerfallenden Jugoslawien unterwegs.

Später fahndete der trainierte Mann in der Hauptstadt nach Schwerverbrechern – als Kommissar in einer Abteilung für Organisierte Kriminalität. Eine Laufbahn in einem Sicherheitsberuf, die offenbar typisch ist für Menschen mit Kontrollbedürfnis. Schäfer sagt: „Viele Menschen, die sich sorgfältig auf Notfälle vorbereiten, kommen von der Bundeswehr, der Polizei, dem THW und der Feuerwehr.“

Prepper mit politisch heiklen Ansichten nennt er „Subjekte, die gesellschaftliche Krisenvorsorge in den Medien in Verruf gebracht haben“. Daniel Schäfer zeichnet folgendes Bild: „Oft sind es Menschen, die in ihrem Leben nicht so erfolgreich sind – und darauf hoffen, aus einer Krisensituation als die Häuptlinge hervorzugehen.“

Daniel Schäfer ist hauptberuflich Unternehmensberater. In seiner Freizeit gibt er Überlebenstrainings. Seine Devise: Ein wenig Preppen kann nicht schaden. Foto: Jana Vollmer

Ein paar Klicks weiter wartet der „Kopp“-Verlag

Kein Wunder, dass das Internet mit düsteren Portalen vollgepflastert ist – Foren wie „Paranoid Prepper“ oder „Preppersgermany“. Dort diskutieren Apokalyptiker über Fluchtrucksäcke oder Fährtenleserei. Auf manchen Abzweigen kann es schon mal passieren, dass man ein paar Klicks weiter auf dem publizistischen Jahrmarkt des „Kopp“-Verlags landet, der Heimat von rechtsextremen Autoren wie Eva Herman und Karl Albrecht Schachtschneider.

Daniel Schäfer distanziert sich von Umstürzlern mit Lust am Untergang. „Vorsorge kann und darf man auch betreiben, ohne sich vor der Zukunft zu fürchten oder extremistische Ansichten zu haben“, wird zum Beispiel im Prolog seines „Überlebenshandbuchs“ verkündet. Den Ratgeber hat er mit dem Outdoor-Trainer Benjamin Arlet geschrieben. „Vorsorge als Versicherung“, so lautet das Credo der Experten für eine ausgereifte Nummer-Sicher-Mentalität. Zwischen 10.000 und 200.000 Prepper soll es in Deutschland geben.

Die Schreckensvision der Prepper ist der Blackout

Ein Kulturanthropologe, der die Prepper-Szene erforscht, ist Julian Genner. In einem MDR-Beitrag hat der Professor an der Uni Freiburg diesen Frühling resümiert: „Die Prepper-Szene rekrutiert sich eigentlich aus der bürgerlichen Mittelschicht.“ Es seien Leute, die Angst hätten, etwas zu verlieren. Ergänzen ließe sich, dass diese Leute oft technik- und sicherheitsaffine Berufe ausüben. Im Web müssen sie sich vor Rattenfängern hüten.

Eine Schreckensvision vieler Prepper ist zurzeit vor allem ein Blackout; gemeint ist der Kollaps des öffentlichen Stromnetzes. Dieses Chaos könnte durch einen Hackerangriff in Gang gesetzt werden. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs sind nun stockende Lieferungen von Energieträgern in den Blick geraten. Auch in Berlin.

Zuletzt beschwichtigte Torsten Akmann, SPD, Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Inneres, diese Gefahr sei „als sehr gering einzustufen“. Dennoch berichtete er, dass sich Senat, Polizei, Feuerwehr und Feuerwehr zur Sicherheit auf längere, großflächige Stromausfälle vorbereiten würden.

Ob die hiesigen Prepping-Profis den Worten trauen, ist fraglich. Die Skepsis gegenüber den Fürsorgeversprechen des Staates ist Motor dieser Freizeitbeschäftigung.


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