Ein Makler sucht für einen Ingenieur von Tesla ein Haus im Süden der Stadt, Angebote bis über eine Million Euro können eingereicht werden. Die Anzeige erschien in aller Öffentlichkeit in den sozialen Medien. Doch warum ist es wichtig zu erfahren, wo der finanzstarke Käufer zukünftig arbeiten wird und was sagt die ganze Sache über den Wohnungsmarkt und den Zustand unserer Gesellschaft aus? Ein Kommentar von Jacek Slaski zu Elon Musks Gigafactory in Grünheide, Milliarden-Profiten, öffentlichen Geldern und einem gesunden Klassenbewusstsein.
Facebook-Anzeige: Wer hat ein Haus für den Tesla-Ingenierur?
Ich scrollte mich durch meine Facebook-Timeline und plötzlich ploppte diese Anzeige auf: Ein Maklerbüro sucht ein Domizil für einen Tesla-Ingenieur, ein Hinweis für verkaufswillige Eigenheimbesitzer. Doppelhaushälfte, Reihenhaus, Einfamilienhaus, alles im Südosten der Stadt sollte angeboten werden. Auch die preisliche Obergrenze wurde angegeben, 1,25 Millionen Euro. Richtig angesprochen fühlte ich mich nicht, ich verfüge nicht über solche Immobilien, die ich auch noch veräußern könnte.
Aber irgendetwas hat mich an der Sache genervt. Ist es Neid? Ich hoffe nicht, auch wenn sicherlich der Vorwurf schnell kommen dürfte. Aber ich will weder als Ingenieur bei Tesla arbeiten, noch will ich ein Reihenhaus im Südosten der Stadt bewohnen. Es ist okay, wenn das andere wollen. Tesla-Ingenieure mit Eigenheimwünschen zum Beispiel. Völlig in Ordnung. Auch der Preis ist vermutlich okay, Häuser kosten in diesen Zeiten nun einmal so viel. Der Markt erlebt einen Boom, von Monat zu Monat steigen die Mieten und wer was kaufen will, muss tief in die Tasche greifen.
Was soll die genaue Berufsbezeichnung in dieser Anzeige?
Doch was bitte schön soll die genaue Berufsbezeichnung in dieser Anzeige? Was ist so wichtig daran, für welches Unternehmen der zukünftige Berliner zukünftig arbeiten wird? Suggeriert allein der Markenname, dass der potentielle Käufer Geld wie Heu hat? Vermutlich, immerhin steht hinter dem E-Auto-Hersteller der zweitreichste Mensch der Welt: Elon Musk.
Und plötzlich wird die Sache größer, das kleine Haus-Problem und die Anzeige blähen sich auf zu einem komplexen Konflikt. Tesla baut ja bekanntlich in Grünheide bei Berlin die so genannte Gigafactory, schon in wenigen Jahren sollen Hunderttausende fabrikneue Teslas in der brandenburgischen Heide vom Stapel laufen. Steuergeld in Milliardenhöhe wird in das Projekt gepumpt, weil die Region den Fortschritt braucht und die Arbeitsplätze, das sagen und erhoffen sich jedenfalls die Politiker.
Dass Teslas milliardenschweren Profite womöglich im Stil von Google, Amazon und Facebook nahezu unversteuert über Briefkastenfirmen auf den Kanalinseln, Irland oder die Seychellen abgezweigt werden könnten, darüber wird geschwiegen. Jeder Malermeister zahlt heute prozentual mehr Steuern als die reichsten Unternehmen der Welt. Anfang März 2021 meldete der „Business Insider“, dass Tesla in Deutschland 2019 trotz eines Umsatzes von etwa 670 Millionen Euro unter vier Millionen Euro Steuern zahlte.
Dem Bericht zufolge wanderten 540 Millionen Euro direkt wieder ins Ausland, der Rest wurde ver-, ab- und runtergerechnet. Die etwa vier Millionen Euro, die schließlich an den Fiskus gingen, waren dem US-Unternehmen dennoch zu viel. Ein Tesla-Sprecher schrieb in einer Stellungnahme von einer „hohen Steuerquote“.
Internationale Konzerne zahlen keine Steuern. Das ist einmal Populismus, auch wenn der Satz so klingt. Es ist die traurige Wahrheit. Alles egal. Tesla kommt, das ist wichtig! Anwohner und Umweltaktivisten laufen Sturm gegen das Vorhaben, doch der neoliberale Geist und der Glaube an Technik und Zukunft wischen alle Bedenken beiseite.
Nun sieht man aber, da ist die Haussuch-Anzeige ein gutes Beispiel dafür, dass die Chefetage eingeflogen wird. Im bester Kolonial-Manier. Ist es der berühmte „Fachkräftemangel“ oder warum gibt es keine Berliner Ingenieure, die in dem Werk arbeiten können? Die Realität ist nun mal so, sagt der Zyniker in mir. Weltkonzerne mit internationalem Mitarbeiterstab operieren rund um den Globus. Im Prinzip ist es egal, wo, wer und was produziert wird, Hauptsache der Aktienkurs steigt. Im Falle von Tesla tut er es im erheblichen Maße.
Was aber bringt uns die Tesla-Gigafactory?
Was aber bringt uns die Gigafactory, haben die brandenburgische Regierung und die Berliner Verwaltung, dem Global Player überhaupt etwas entgegenzusetzen? Die Wasserversorgung in der Region mag in Gefahr sein, die Wälder werden abgeholzt, wir reden von autofreien Städten, doch kommt ein milliardenschwerer Autobauer um die Ecke, schon fallen alle Schranken. Diese Anzeige empfand ich als Schlag ins Gesicht. Sie zeigt, wohin es mit der Stadt, vielmehr mit der Gesellschaft geht. Profit über alles. Einmal mehr.
Wertschöpfung, Wachstum, Expansion. Hat das alles den Planeten nicht an den Rand des Ruins gebracht? Protestieren nicht gerade gegen diese Logik die Kids von Fridays for Future, denen die Politiker scheinheilig auf die Schultern klopfen. Es nicht einmal ein Skandal, alle wissen das. Binsenweisheiten. Langweilig. So läuft das Business. Neoliberale Parolen wie „Jeder ist seines Glückes Schmied“ hallen im Raum. Längst weiß man, dass das grober Unfug ist und die Resignation wird zum bestimmenden Gefühl.
Was wird also passieren mit Tesla in Grünheide? Der ohnehin unter Druck stehende Berliner Wohnungsmarkt wird noch etwas mehr unter Druck geraten, wenn die neuen Herren und Damen nach entsprechenden Domizilen greifen. Die Natur leidet, das Umland wird versiegelt, die Gewinne fließen ab, Steuergeld in Form von Subventionen zu. Aber Hey, die „Bonität ist natürlich gesichert“. Ich will ganz sicher keinen Kommunismus, aber vielleicht doch eine etwas andere Welt. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt und etwas gesundes Klassenbewusstsein wäre für den Anfang ganz gut.
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