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Ukrainische Geflüchtete am Hauptbahnhof: So läuft die Ankunft in Berlin

Am 24. Februar startete Putin den Krieg gegen die Ukraine. Laut UN sind seitdem bereits mehr als zwei Millionen Menschen aus dem Land Richtung Westen geflüchtet. Jeden Tag kommen einige Tausend von Ihnen am Berliner Hauptbahnhof an. Seit Dienstag, 8. März, steht auf dem Washingtonplatz vor dem Hauptbahnhof ein Ankunftszelt für ukrainische Flüchtlinge. Die beheizte „Welcome Hall Berlin“ soll zu einer besseren Organisation der Flüchtlingshilfe dienen. Wir waren kurz vor der Eröffnung am Bahnhof und haben mit Helfenden und Geflüchteten gesprochen.

Ukrainische Flüchtlinge im Berliner Hauptbahnhof: Helfende versorgen sie mit Essen und Trinken. Foto: Imago/Michael Handelmann

Freiwillige wollen Menschen aus Ukraine am Hauptbahnhof helfen

Schon auf Treppen zur unteren Ebene des Hauptbahnhofes sind zahlreiche Menschen in gelben und orangefarbenen Warnwesten unterwegs. Aufsteller mit der ukrainischen Flagge und Pfeilen zeigen Ankommenden den Weg zu den Hilfspunkten. Auf der untersten Etage des Hauptbahnhofes angekommen, sind Tische aufgebaut. Darauf liegen Kisten mit Hygieneartikel und Babynahrung. Daneben stehen Kleiderstangen für warme Mäntel.

Viele Menschen sitzen auf Bierbänken und ruhen sich von der anstrengenden und nervenaufreibenden Reise aus. Andere versuchen, ihre Verwandten zu erreichen. Es ist ziemlich laut und voll, mittendrin eine Helferin, die den Ankommenden beistehen will. Auf ihre Arbeit angesprochen, erzählt sie von der großen Verantwortung der Freiwilligen.

„Eigentlich fühlt es sich gerade so an, als ob wir Freiwilligen viele Aufgaben übernehmen müssen, die der Staat machen sollte. Zum Beispiel die Erstversorgung und Weitervermittlung. Viele von uns sind sogar Tag und Nacht hier und kümmern sich um die Geflüchteten.“ Etwas weiter, beim Ausgang zur Invalidenstraße, stehen weitere Tische mit Essen, Zelte vom Deutschen Roten Kreuz und ein großer, flohmarktartiger Platz für Kleiderspenden.

Hilfe für Ukrainer:innen: Nicht alle Spenden sind sinnvoll

Auch hier viele Helfende. Eine von ihnen berichtet, dass zahlreiche Spenden eingegangen sind – allerdings auch einige nicht so brauchbare Sachen. „Wir kriegen manchmal sogar mehr Kleiderspenden, als eigentlich benötigt werden. Darunter sind Sachen, die Leute von dem Dachboden geholt haben und einfach nicht mehr oder gerade nicht brauchbar sind, etwa Sandalen. Wir brauchen vor allem Wintersachen.“

Eine Junge macht inmitten anderer Geflüchteten das Peace-Zeichen. Sonst eine inflationär genutzte Geste auf Millionen Instagram-Fotos, bekommt es hier am Hauptbahnhof Berlin eine gewichtige Bedeutung. Foto: Imago/Michael Handelmann

Auf der anderen Seite des Raumes stehen Familien mit Schildern, auf denen steht, wie viele Menschen sie aufnehmen können. Eine spontane Schlafplatzbörse für Menschen, die anders nicht wüssten, wo sie überhaupt die Nacht in der Stadt, in der sie gerade erst angekommen sind, verbringen sollten.

Der Weg zurück zur Mittelplattform ist mit Absperrband in die Bereiche „In Berlin bleiben” und “Weiterreisen” unterteilt, damit sich die Geflüchteten dort einordnen und anschließend an Unterkünfte vermittelt werden können. Auf der Mittelplattform steht Maha, eine weitere Freiwillige. Sie beschreibt, wieso sie dem Aufruf gefolgt ist und nun Masken verteilt. „Ich wollte nicht die ganze Zeit vor dem Fernseher sitzen und heulen, sondern ich wollte tätig werden. Aktiv etwas für die Menschen tun.“ Viele Leute strömen hier zu den Hilfsständen.

„Wir haben sogar eine Rakete gesehen“

Eine Frau, die direkt aus Kiew geflohen ist erzählt, wie sie Ende Februar morgens von den Bombeneinschlägen aufwachte, nur das Nötigste zusammensuchte und sich anschließend mit ihrem Kind auf den Weg machte. Ihre Reise wurde sehr erschwert durch den starken Verkehr – und die Panzer. „Wir haben sogar eine Rakete gesehen“, sagte sie. Die Entscheidung, nach Deutschlang zu gehen, fiel gleich danach, da hier Verwandte von ihrem Mann leben und sie aufnehmen können. Sie erklärt, dass sie wieder zurückgehen werde, da die Ukraine ihr Zuhause ist.

Viele Menschen bringen Kleiderspenden zum Hauptbahnhof – allerdings ergibt nicht alles Sinn, zum Beispiel Sandalen. Gebraucht wird eher Winterkleidung. Foto: Forkel

Ein paar Meter weiter steht eine weitere Geflüchtete. Auch sie erzählt, wie sie ihren Vater und ihre männlichen Verwandten zurücklassen musste, da diese Land nicht verlassen durften, sondern es verteidigen müssen. Eine Bombe sei direkt vor ihrer Schule eingeschlagen und nun wisse sie nicht, wie es ihren Freunden geht, berichtet sie. „Aber ich habe noch Glück, da ich Englisch spreche, schon viel gereist bin und mich somit verständigen kann. Aber gerade ältere Menschen, die kein Englisch können, haben ein großes Problem“, schildert sie. Die Problematik der Sprachbarriere ist spürbar. Auf Klebestreifen, die auf den Warnwesten befestigt sind, steht, welche Sprachen die Helfer sprechen.

Immer neue schreckliche Nachrichten aus der Heimat der Geflüchteten

Gerade die Reise über die polnisch-ukrainische Grenze beschreibt die Ukrainerin als sehr anstrengend und chaotisch, da die Schlangen sehr lang waren und man weder zu Fuß noch im Auto schnell vorankam. Auch die Reise danach war von kurzen Schlafphasen und erschreckenden Neuigkeiten aus der Heimat geprägt. Auch sie reist zu Verwandten weiter.

In einem Zelt können sich die Geflüchteten bei der Ankunft helfen lassen, allerdings: Der Platz reicht offenbar nicht angesichts der Massen an Menschen. Foto: Imago/Michael Handelmann

Zwar möchte sie ebenfalls in die Ukraine zurückkehren, es ist ihr aber unerklärlich, wie Russland diesen Angriff überhaupt starten konnte. Man merkt, dass bei allen der Schock noch stark spürbar ist. Es wird lange, sehr lange dauern, bis die Menschen, die in Berlin ankommen, ihr Trauma verarbeiten können. Wenn sie es überhaupt schaffen. Immerhin zeigt sich hier am Hauptbahnhof, dass es in der Hauptstadt viele Menschen gibt, die es ihnen zumindest ein ganz kleines bisschen einfacher machen wollen.


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Wer die Geflüchteten und das Land unterstützen will, hat einige Möglichkeiten – Hilfe im Russland-Ukraine-Krieg: Wo ihr euch in Berlin einbringen könnt. Auch einige Betriebe in Berlin wollen helfen, so spenden zum Beispiel Bäckereien Teile ihrer Einnahmen für die Ukraine. Von schlechten Bewertungen bis Drohanrufen: So trifft der Hass russische Gastrobetriebe – auch wenn sie gegen Putin sind. Mehr politische Themen findet ihr hier.

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