Kommentar

Verzicht auf Doktortitel: Giffeys Fastenmonat

In der Plagiatsaffäre um die Doktorarbeit von Bundesfamilienministerin und zukünftiger Spitzenkandidatin auf den Posten als Berlins Regierende Bürgermeisterin gibt es eine Wendung: Franziska Giffey möchte auf ihren Doktortitel verzichten und einfach weiter demütige Volksvertreterin bleiben. Wenn es doch nur so einfach wäre.

„Großen Respekt“, äußerte die SPD Berlin auf Franziska Giffeys Entscheidung hin, ihren Doktortitel nicht mehr führen zu wollen. Handschriftlich erklärt die Bundesfamilienministerin dazu: „Wer ich bin und was ich kann, ist nicht abhängig von diesem Titel.“ Womit sie recht haben sollte – ungeachtet der Tatsache, dass sie zuvor noch befand, der Dr. sei nunmal Teil ihres Namens.

Verzicht auf Doktortitel: Ein politischer Taschenspielertrick

Nun ist niemand verpflichtet, seinen akademischen Titel auch zu führen. Das ist meist eine Frage des Umfelds, des Kontexts und immer auch dessen, wie wichtig man sich dabei selbst ist. Die Erklärung ist somit nicht unbedingt ein plötzliches Entdecken sozialdemokratischer Bodenständigkeit – primär ist es ein Taschenspielertrick, der einer Aberkennung des Titels (die nur durch die Universität erfolgen kann) zuvorkommen will. Denn es geht nicht um Titelfasten, sondern nach wie vor um potentiellen akademischen Betrug.

Nutzt den Doktortitel gerne, findet ihn inzwischen aber verzichtbar: Franziska Giffey. Foto: imago images/Reiner Zensen
Nutzt den Doktortitel gerne, findet ihn inzwischen aber verzichtbar: Franziska Giffey. Foto: imago images/Reiner Zensen

Seit gut eineinhalb Jahren hält die Plagiatsaffäre um die derzeitige Familienministerin jetzt an. Eine zwischenzeitige Untersuchung der Arbeit ergab, an mindestens 27 Stellen sei der Bestand einer objektiven Täuschung erfüllt. Die FU Berlin sprach eine Rüge aus. Die Doktorin indes betonte und betont, die Arbeit „nach bestem Wissen und Gewissen verfasst“ zu haben. Eigentlich logische Voraussetzung einer solchen Arbeit.

Andere räumten ihre Posten, Giffey will auch ohne Doktortitel bleiben

So weit, so zu vernachlässigen, könnte man sagen. Giffey äußerte noch, sie würde auf ihr Amt verzichten, sollte ihr der Titel aberkannt werden. Auch ehrenwert. Und kurioserweise nicht unumstritten. Ein einstiger Verteidigungsminister sollte nach Bekanntwerden seines Plagiats gehalten werden, die Kanzlerin höchstselbst hielt an dem adrett frisierten Guttenberg fest und bemerkte, sie habe schließlich keinen „wissenschaftlichen Assistenten“ berufen. Er ging trotzdem.

Nun allerdings rollt die FU das Untersuchungsverfahren zur Doktorarbeit erneut auf – das damalige Prügungsgremium sei potentiell befangen gewesen. Giffey möchte aber nicht gehen. Giffey möchte Michael Müller als Regierende Bürgermeisterin Berlins beerben. Und die SPD Berlins möchte auch nicht auf Giffey verzichten, nicht als zukünftige Vorsitzende (im Tandem mit Fraktionsschef Raed Saleh), und auch nicht als „erste und beste Regierende Bürgermeisterin von Berlin“, wie es aus Parteireihen heißt. Ihr Wahlkampfschwerpunkt, ausgerechnet: Schulen und Wissenschaft.

„Was mich als Mensch ausmacht, liegt nicht im akademischen Grad begründet.“ 

Es braucht beileibe nicht sprachliche Aufrüstung, man muss nicht vom „Schlag ins Gesicht“ anderer Promovierender sprechen, von der „Bankrotterklärung“ dessen, was Müller als Wissenschaftssenator für Berlin erreicht hat. Es braucht eigentlich nur Franziska Giffeys Erklärung selbst: „Was mich als Mensch ausmacht, liegt nicht im akademischen Grad begründet.“ 

Das ist debattierbar, aber richtig. Wer sich einen solchen Titel bewusst erschleicht, ist nicht zwingend die beste Auswahl als Repräsentantin. So bleiben die politischen Werte. Die bei Giffey letztlich auch eher fossil daherkommen.


Mehr Stadtgeschehen

Anfang des Jahres blickte Erik Heier noch wohlwollender auf Giffeys Kandidatur. Ob sie sich letztlich in die Reihe gescheiterter Spitzenkandidat*innen für das Amt des Regierenden Bürgermeisters einreihen kann, wird sich zeigen. Derweil steht nicht nur die SPD in der Kritik: Die CDU schleppte ihre peinliche PR-Aktion kurzerhand selbst ab. Aktuelles zu Stadtgeschehen und Politik findet ihr hier.

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