Berlin-Wahl 2021

Wahlprogramm der FDP in Berlin: Bullshit-Bingo-Boom

Das Berlin der Zukunft, wie es laut dem Wahlprogramm der FDP aussehen könnte: Die Liberalen treten mit teils rührend einfachen Rezepten an. Auf dem freien Markt gilt: Wer kann, der kann. Wer nicht, hat Pech. Wir stellen knifflige Koalitionsfragen für einen Moment beiseite und stellen uns die absolute Mehrheit für die Liberalen vor.

Liberale in Sektlaune? Klar. Cremant wird aber auch im Winter draußen serviert, in ihrem Wahlprogramm fordert die Berliner FDP die Rückkehr der Heizpilze. Foto: Imago/Yay Images
Liberale in Sektlaune? Klar. Cremant wird aber auch im Winter draußen serviert, in ihrem Wahlprogramm fordert die Berliner FDP die Rückkehr der Heizpilze. Foto: Imago/Yay Images

Wahlprogramm der Berliner FDP: Tegel wird nicht gerettet

Vielleicht haben ja viele Berliner:innen insgeheim gehofft, die FDP würde den Flughafen Tegel doch wieder öffnen. Aber der Regierende Überraschungs-Bürgermeister Sebastian „Formerly known as Tegel-Retter“ Czaja denkt gar nicht daran. Wenn man die Urban Tech Republik Tegel erreichen will, dann nicht aus der Luft. Sondern per U-Bahn.

Tatsächlich war vor der Wahl kein demoskopisches Institut auf den Gedanken eines liberalen Durchmarsches gekommen. Auch in den Wirtschaftszentren in New York, London, Tokio und Hongkong wich das schallende Gelächter über die FDP-Ankündigung, man werde bei der Aufzählung der ökonomischen Powerhäuser der Welt künftig nicht mehr an Berlin vorbeikommen, bald baffer Verblüffung.

Niemand hatte sich ja vorstellen können, dass Czajas gelb-blaue Träumertruppe mit teils rührend unterkomplexen Bullshit-Bingo-Floskeln (Digitalisierung! Bürokratieabbau! Freier Markt! Künstliche Intelligenz!) wirklich was reißen würde. 

Start-up-Initiative für die Schluffi-Stadt Berlin

Doch schnellt die Zahl der Firmengründungen im traditionell mindermotivierten Schluffi-Berlin exponentiell in die Höhe. Das zum einen, weil Landesbedienstete sich in einem Sabbatical selbstständig machen können und damit dem Bürokratieabbau nicht mehr im Wege sitzen. Zum anderen, weil in den von zwei Jahrzehnten sozialdemokratischer Bildungsmisere verlotterten Schulen aalglatte BWL-Typen einfallen, die den unternehmerischen Geist von Smiths unsichtbarer Hand bis Schumpeters schöpferischer Zerstörung superspreaden.

Nun übernehmen in den Sekretariaten Schulmanager:innen die Verwaltung. Seit die Etats der Bildungseinrichtungen vom Pekunärprinzip „Geld folgt Schülerinnen und Schülern“ beziehungsweise „Studierenden“ bestimmt werden, ist der Konkurrenzkampf um die Köpfe auf den Schulbänken knallhart.

MINT und Cannabis

Weil Ausbildungsbotschafter:innen in den Schulen MINT-Berufe propagieren, gerade auch für Mädchen, kommen immer weniger Berlin:innen auf die Idee, ihre Adoleszenz an geisteswissenschaftlichen Fakultäten zu verjubeln. Trotz der Cannabis-Freigabe, die doch wie geschaffen wäre für ein chillig durchkifftes Philosophie-Studium.

Auch rätselt man etwa in der SPD, wie es der FDP gelang, „sofort“ W-LAN und Breitband an allen Schulen einzurichten: „Haben wir irgendwo einen in den Nuller-Jahren vorinstallierten An-Schalter übersehen?“

Im Stadtbild setzt die FDP gleichfalls Akzente nach der Devise „Wer kann, der kann. Wer nicht, hat halt Pech.“ In der vormals autofreien Friedrichstraße gilt wieder Tempo 50, auch für Dieselautos, die sich aber mit ewig gestrigen Radler:innen wie autonomen Kleintaxis herumschlagen müssen. Konkurrenzkampf allerorten. Im FDP-Berlin ist jeder Tag ein Markt-Tag.

WLAN, Cannabis, Hochhäuser – und alles ganz unbürokratisch. So kennt man Berlin gar nicht. Foto: bitteschön.tv
WLAN, Cannabis, Hochhäuser – und alles ganz unbürokratisch. So kennt man Berlin gar nicht. Illustration: bitteschön.tv

FDP-Wahlprogramm: Sonntagsruhe ist sozialistisch

Auf Gehwegen balancieren Sommeliers Cremant-Gläser an dank Heizpilzen winterfesten Außentischen, die jetzt doppelt soviel Platz haben wie vorher. Sonntags öffnen nun alle Läden. Pech für diejenigen, die im Clou am Kutschi oder im KaDeWe ihre neue Wohnung bezogen haben. Statt reiner Einkaufszentren gibt es nämlich jetzt Mischnutzungen. Kaufen, Wohnen, Kultur. Sonntagsruhe ist ja auch sowas von sozialistisch.

Hier und da schießen Hochhäuser ins Blaue, die Genehmigungen gehen viel schneller, seit die freigesetzten Stadtplaner der Bezirke jetzt eigene Kreativcluster gründen dürfen, mit denen 80 Prozent später allerdings pleite gehen. Und am Rande des Tempelhofer Feldes stehen neuerdings Wohnbauten, die dank einer Typenbaugenehmigung mit modularer Bauweise alle irgendwie gleich aussehen.

Ein FDP-Betonturbo mit dem Motor eines DDR-Wohnungsbaukombinats: Auch diese Pointe hatte kaum einer auf dem Zettel.

Was die Liberalen will, kann man weniger überspitzt, aber im Prinzip so nachlesen – nämlich hier im Wahlprogramm der FDP für Berlin.


Kurz-Check mit FDP-Spitzenkandidat Sebastian Czaja

Sebastian Czaja hat viel übrig für die SPD – jedenfalls für Willy Brandt und Helmut Schmidt. Foto: FDP Berlin

Mein politisches Vorbild Helmut Schmidt.

Das sage ich morgens meinem Spiegelbild Holen wir uns die Zukunft.

Beste:r Berliner Bürgermeister:in bisher Willy Brandt.

Mein liebster Berliner Kiez Mein Heimatkiez Zehlendorf natürlich.

Regt mich in Berlin an An jeder Ecke gibt es etwas Neues zu entdecken.

Regt mich in Berlin auf „Dit is Berlin“ als Entschuldigung, dass Dinge nicht funktionieren.

Darin war ich nie gut in der Schule Musik.

Dieses Berliner Gebäude kann weg Rein ästhetisch: Das Alexa. Besser für den Einzelhandel & für die Stadt wäre aber eine der zahlreichen Baubrachen!

Das mache ich nie wieder Erdnüsse essen.

Dort stürze ich nachts am liebsten ab Auf dem Sofa neben meiner Frau.

Meine erste Amtshandlung als Regierende:r Alle Weichen stellen für eine mietensenkende Neubau-Offensive.

So soll man sich an mich als Regierende:r erinnern Lösungsorientiert & pragmatisch.


Was die anderen Parteien wollen


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