Berlin-Wahl 2021

Wahlprogramm der Linken in Berlin: Havanna für alle

Das Berlin der Zukunft, wie es nach dem Wahlprogramm von Die Linke aussehen könnte: Mehr Wohnungen in Staatsbesitz, Gefangene mit Mindestlohn – und der Verfassungsschutz wird abgeschafft. Wir stellen uns die Stadt vor, wenn der urbane Sozialismus die absolute Mehrheit hätte.

"Die Häuser denen, die drin wohnen!" – zum Wahlprogramm der Linken gehört auch die Vergesellschaftung große Immobilienkonzerne. Foto: Imago/Bildgehege
„Die Häuser denen, die drin wohnen!“ – zum Wahlprogramm der Linken gehört auch die Vergesellschaftung große Immobilienkonzerne. Foto: Imago/Bildgehege

Die Linke und ihr Wahlprogramm: Wie in den wilden 90ern

Seit Klaus Lederer, der Chef der Berliner Linken, zum Maximo Lider eines urbanen Sozialismus geworden ist, blicken die Avantgardist:innen der Welt auf diese Stadt. Berlin ist zum besseren Havanna erblüht – mit einem üppigen öffentlichen Wohnungsbestand. Selbst im Betongold von Privateigentümer:innen, dem Kapital der Bourgeoisie, also verrentete Clubbesitzer:innen, ein paar Apotheker:innen und Gregor Gysi, sind die Mieten so niedrig wie in den wilden, postkommunistischen 90ern – erhoben irgendwo im Parterre eines Hinterhauses an der Oranienburger Straße.

In die Karten gespielt hat der Linken die Bundestagswahl; dabei hat Rot-Grün-Rot eine knappe Mehrheit in eine gemeinsame Koalition gemünzt. Die SPD-geführte Regierung hat sodann in die neokeynesianische Trickkiste gegriffen – und die Schuldenbremse gekippt. Zu imponiert war Olaf Scholz, sonst Sparfuchs, von der Geldschwemme, die US-Präsident Joe Biden in seinem verheißenen Land in Bewegung gebracht hat.

Die Linke unterstützt den Enteignungs-Volksentscheid

Dank der fiskalischen Wende können die kommunalen Kassen mit Geld geflutet werden. Das macht den seriellen Kauf vieler Altbauten in Szene-Kiezen möglich, etwa per kommunalem Vorkaufsrecht. Vor allem aber können die zahlungskräftigen Politiker:innen vielen Mieter:innen einen Traum erfüllen. Beim Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ hat nämlich die Mehrheit der Urnengänger:innen für die Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne votiert. Mithilfe sprudelnder Kredite blecht die Linken-Regierung den Preis für das Vorhaben: die milliardenschwere Entschädigung der Unternehmen.

Die Linke kippt eine Gießkanne voll mit Cashflow über der Stadt aus. Ihr Berliner Wahlprogramm ist vor allem: spendabel. Illustration: bitteschön.tv
Die Linke kippt eine Gießkanne voll mit Cashflow über der Stadt aus. Ihr Berliner Wahlprogramm ist vor allem: spendabel. Illustration: bitteschön.tv

Auf öffentlichem Bauland entsteht nachhaltige Architektur – entwickelt in einer stadteigenen Bauhütte. In dieser Werkstatt, deren Planer:innen von Baugrund zu Baugrund hoppen, wird Holz zum seriellen Material für den Wohnungsbau. Womit der letzte Abschnitt des CO2-intensiven Betonzeitalters eingeläutet wird. In die neuen Wohnungen ziehen auch Geflüchtete ein – sodass Wohncontainer am Tempelhofer Feld oder in Altglienicke und Biesdorf abgerissen werden können.

Linke-Wahlprogramm: Rote Fahne, rote Zahlen

Der Haushalt steckt bald jedoch so tief in den roten Zahlen, dass maßvoll wirtschaftende Beamte in der Finanzverwaltung gegen die Prasserei auf die Barrikaden gehen. Als Whistleblower klagen sie ihr Leid – und geben damit den Oppositionsparteien im Senat Nahrung, die fürchten, dass bald das Tafelsilber verkauft werden muss. Auf der „Bild“-Titelseite prangt schon die kreischende Schlagzeile: „Verkauft doch eure U-Bahnen, ihr Pleite-Berliner!“

Die Senatsverwaltung für Inneres schließt derweil ein verschwiegenes Büro in der Klosterstraße in Berlin-Mitte. Dort müssen die Agent:innen des Landesverfassungsschutzes ihre Schlapphüte ablegen – und sich neue Jobs suchen. Das gesparte Geld aus dem Personalbudget kommt schweren Jungs in den Gefängnissen zugute. Sie profitieren künftig von einem Gehaltssprung an ihren Werkbänken hinter schwedischen Gardinen, ob Tischlerei oder ein anderer Gewerbezweig. Sie bekommen nämlich knapp über 12 Euro pro Stunde, ein paar Tacken über dem neuen gesetzlichen Mindestlohn.

Mit den Linken zum legalen Rausch

Zugleich professionalisieren sich die Dealer in Hasenheide und Görlitzer Park – nachdem die hedonistisch geprägte Linke den Liebhaber:innen von Drogen jeweils Eigenbedarfsmengen zugesteht. In die Tütchen dürfen nicht nur wie gewohnt Cannabis, sondern auch Kokain, Ecstasy und Speed. Damit gesellen sich zum Shopping-Publikum auch rechtschaffene Partyfreund:innen, zum Beispiel mittlere Angestellte aus Kladow, die bislang den Ruch des Verbotenen an den Einkaufsmeilen gescheut haben.

Viele Verbraucher:innen melden nun hohe Ansprüche an die Qualität – nachdem in Drugchecking-Laboren, die in den Ladenzeilen so häufig aufpoppen wie einst Corona-Testzentren, die Bekömmlichkeit von Pillen und Pulvern getestet wird. Und dabei einige schlechte Trips aufgeflogen sind. Zugleich pfeift der Innensenator etliche Beamte von Razzien zurück – sodass die Verkäufer:innen dank der neu gewonnenen Ruhe in den Parks mehr Zeit für das Qualitätsmanagement ihrer Lieferketten finden.

Wahlprogramm der Linken: Antiautoritäre Schulen

In den Bildungseinrichtungen verspüren Schüler:innen weniger Druck. Sie können die neue Gelassenheit dem antiautoritären Paradigmenwechsel in der Bildungsverwaltung verdanken. Die Senatorin hat die Notenvergabe aus dem Arbeitsprofil der Lehrer:innen gestrichen, jedenfalls beim Unterricht bis zum neunten Jahrgang, und das Sitzenbleiben zum Spuk eines bildungspolitischen Gesterns erklärt. In der Ministerpräsidentenkonferenz kommt es zum Streit: Die Landesfürsten aus Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen wollen den windigen Abiturient:innen aus Berlin die Immatrikulation an den Hochschulen in ihren Bundesländern verweigern.

In den Klassenzimmern weht auch sonst ein anderer Geist: Die Easy-Going-Jugend an den Sekundarschulen daddelt an ihren neuen Laptops, vermacht vom Senat – während vorne am Pult umtriebige IT-Expert:innen den digitalen Revoluzzern das Programmieren lehren.

In der Geschichtspolitik rückt die Linke das Erbe der russischen Besatzungsmacht ins Bewusstsein. Der 8. Mai, jener Tag der Kapitulation, an dem die nationalsozialistische Diktatur atomisiert war, auch mittels der Vormärsche der Roten Armee, wird zum gesetzlichen Feiertag. Völker, hört die Signale!

Das Wahlprogramm, mit dem die Linke in Berlin antritt, findet ihr hier.


Kurz-Check mit Klaus Lederer, Spitzenkandidat der Linken

Klaus Lederer, Lieblings-Kultursenator der Berliner Künstler:innen, verrät viel – nur die Kiezkneipe nicht. Foto: DIE LINKE Berlin
Klaus Lederer, Lieblings-Kultursenator der Berliner Künstler:innen, verrät viel – nur die Kiezkneipe nicht. Foto: DIE LINKE Berlin

Mein politisches Vorbild Lothar Bisky.

Das sage ich morgens meinem Spiegelbild Mit Dir mach ich das! 😉

Beste:r Berliner Bürgermeister:in bisher Die starke Antifaschistin Louise Schroeder.

Mein liebster Berliner Kiez Mein eigener.

Regt mich in Berlin an Die phänomenale Vielfalt der Berliner Kultur, von der Clubszene bis zur Staatsoper.

Regt mich in Berlin auf Die Mieten-Explosion, die wir mit Bundes-Mietendeckel endlich stoppen müssen!

Darin war ich nie gut in der Schule Nadelarbeit.

Dieses Berliner Gebäude kann weg Keins! Umnutzen ist viel nachhaltiger als abreißen.

Das mache ich nie wieder Heiraten – weil es schon für immer ist.

Dort stürze ich nachts am liebsten ab Die Lieblings-Kiezkneipe bleibt geheim!

Meine erste Amtshandlung als Regierende:r Umsetzung des erfolgreichen Volksentscheids auf den Weg bringen.

So soll man sich an mich als Regierende:r erinnern Als jemanden, der die ganze Stadt im Blick hat.


Was die anderen Parteien wollen


Mehr Politik in Berlin

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