Das Berlin der Zukunft, wie es laut dem Wahlprogramm der SPD aussehen könnte: Unter einer Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey baut die SPD, dass es kracht. Ob nun auf der A 100 oder am Tempelhofer Feld. Und es gibt einen Super-Senator. Wir nehmen das Wahlprogramm der SPD ernst und stellen uns die Stadt vor, die von Franziska Giffey mit absoluter Mehrheit regiert wird. Augenzwinkernd, klar, aber man kann es alles nachlesen.
Baustellen und Stau: Das dürften die Schattenseiten sein, wenn die SPD ihr Wahlprogramm in Berlin eins zu eins umsetzt. Geplant sind vor allem: sehr viele Neubauten. Foto: Imago/Sabine Gudath
SPD-Wahlprogramm für Berlin: Tempelhofer Feld bebauen
Es wird der bislang größte Triumph in der Amtszeit von Franziska Giffey. Keine zwei Monate ist es her, dass der zweite Volksentscheid über eine Randbebauung des Tempelhofer Feldes, den die Regierende Bürgermeisterin der SPD gegen Linke, Grüne, Kite-Surfer:innen und Feldlerchen-Aktivist:innen durchgesetzt hat, tatsächlich den Wohnungsbau am Feldrand abnickt.
Jetzt schwingt Giffey beim Spatenstich für das erste neue Stadtquartier am Rand des Feldes das entsprechende Arbeitsgerät: „Habe ich mir von Wowereit geliehen, den hatte der noch vom BER-Spatenstich 2006 rumstehen“, ruft sie tausenden Gegendemonstrant:innen lächelnd zu. „So geht Nachhaltigkeit nach SPD-Art, Freunde!“
Allerdings treibt Politikwissenschaftler:innen, Journalist:innen und die Gesellschaft für deutsche Sprache die brennende Frage um, welche griffige Kurzform die für ihr Verwaltungskauderwelschverkürzungstalent berühmte Giffey für das Paket an Wohnungsbaubeschleunigungsmaßnahmen, das diesen frühen Baubeginn möglich macht, finden wird. „Bau schlau!“-Gesetze? „Mega-Mörtel-Macher“-Paket?
Schließlich will „Sichtbeton-Franzi“ (Oppositions-Spott) bis 2030 insgesamt 200.000 neue Wohnungen in Berlin bauen lassen, davon allein 70.000 zusätzliche Wohnungen von den landeseigenen Wohnungsunternehmen. 20.000 Neubauwohnungen pro Jahr hatten zwar so ziemlich alle Parteien in ihren Wahlprogrammen stehen.
Die SPD aber – immer noch im Freudentaumel, das heißgeliebte Stadtentwicklungsressort mit einigen Gebrauchsspuren von der Linken zurückerhalten zu haben – klotzt tatsächlich ran, dass es nur so staubt.
365-Euro-Ticket steht im SPD-Wahlprogramm
„Betonmischen possible“ könnte überhaupt das Credo der Regierenden Bürgermeisterin lauten. Der Baustoff wird unter ihrer Führung ebenso emsig für die Verlängerung der Stadtautobahn bis zum Treptower Park angerührt wie auch zur U-Bahn-Anbindung des Märkischen Viertels und des Gebiets Heerstraße Nord. Weshalb das Autofahrvergnügen der mehrheitlich motorisierten SPD-Stammwählerschaft zwar nicht durch eine City-Maut getrübt wird, die Giffey ihnen auch weiterhin erspart, dafür aber durch Dauerstaus an den vielen neuen Baustellen. Trotzdem wird das 365-Euro-City-Ticket, das die SPD für den ÖPNV eingeführt hat, kein so großer Verkaufsschlager wie erhofft. Intern gibt man bei der SPD dafür auch Raed Saleh eine Mitschuld.
Der Supersenator für Stadtentwicklung und Verkehr hatte einen Spandauer Vater bei einer Bürgersprechstunde in einem Biergarten launig empfohlen, das durch die gebührenfreie BVG-Schülerfahrkarte, das gebührenfreie Mittagessen in Grundschulen und die Lernmittelbefreiung bis Klassenstufe 6 eingesparte Geld doch für ein solches Ticket locker zu machen. Giffey empfiehlt Saleh, er solle sich besser darum kümmern, dass die beiden neuen Multifunktionsbäder in Mariendorf und Pankow in dieser Wahlperiode wie versprochen tatsächlich fertig werden. Es gibt nämlich einen Engpass beim Beton. Saleh wird mit dem Satz zitiert (den er dementiert): „Vielleicht hättest du für den Spatenstich nicht ausgerechnet Klaus’ BER-Spaten nehmen sollen. Kein gutes Karma!“
Auf jeden Fall gelingt es, 20.000 Ladesäulen auf öffentlichen Flächen in Berlin aufzubauen. Zum Abschluss von Giffeys Super-Säulen-Offensive ist auch Elon Musk eingeladen. Der Tesla-Impressario von Grünheide kommt aber erst beim Pressetermin an, als die Kameras schon weg sind. Musk war mit dem E-SUV im Stau stecken geblieben.
SPD will Spielplatz-Taskforce für Berlin
Berlins SPD-Sonnenkönigin gerät nur einmal in ein kurzzeitiges Umfragetief, als den Bürger:innen klar wird, dass mit der versprochenen Erhöhung der Einkaufsstraßen-Attraktivität gar nicht der Abriss des Potsdamer Platzes und vom Alexa-Kaufhaus gemeint ist. Diese Delle macht die Bürgermeisterin aber wett, indem sie mit einer der neuen Spielplatz-Taskforces öffentlichkeitswirksam eigenhändig ein Wipptier auf dem Wasserspielplatz im Görlitzer Park repariert.
Natürlich nimmt sie die Gießkanne in die Hand, um den neuen „Baumwasserdienst“ vorzustellen, bei dem auch Bürger:innen aufgerufen sind, sich um die maladen Straßenbäume zu sorgen. Irritationen löst die SPD allerdings bei den Kleingartenvereinen aus, als sie neue Grünoasen bevorzugt an gemeinschaftliche Nutzungen koppelt und die Vergabe obendrein zeitlich befristen will. Kommentar eines Vereinsvorsitzenden: „Wenigstens Finger weg von der Heckenhöhe!“
Bei der inneren Sicherheit setzt Giffey, wie es ihre Art ist, auf eine Kombination von Tradition und Innovation, was bei einem Ministerpräsident:innen-Treffen vom bayerischen Regenten Söder als „Icke-Sparversion von Laptop und Lederhose“ verulkt wird. So patrouilliert der gute alte Kontaktbereichsbeamte als neue:r „KOB 100“ durch die Berliner Kieze. Aber jetzt mit Bodycam.
Im Bereich „Aufsicht und Kontrolle“ hat die SPD überhaupt viele neue Arbeitsplätze geschaffen. 100 Waste-Watcher schauen streng, wenn wieder einmal ein Pizza-Karton nach Berlin-Style („Einfach fallen lassen“) entsorgt wird. Die neuen Parkbetreuer haben deutlich weniger Stress, seit die SPD tatsächlich ein wissenschaftlich begleitetes Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene durchgesetzt hat.
Nur manche Mitarbeiter der Bürgerämter sehen etwas unglücklich in ihren neuen, ämterübergreifenden Kiezbüros aus. Sie vermissen ihre Büromöbel aus den Amtstuben, die „zuweilen noch an das Kaiserreich“ erinnerten (FDP-Spott). Die waren doch noch gut.
Wenn ihr das Wahlprogramm der SPD für Berlin im Detail durchlesen wollt, findet ihr es hier.
Kurz-Check mit Franziska Giffey, SPD-Spitzenkandidatin für Berlin
Mein politisches Vorbild Regine Hildebrandt und Kamala Harris.
Das sage ich morgens meinem Spiegelbild Neuer Tag, neues Glück.
Beste:r Berliner Bürgermeister:in bisher Klaus Wowereit.
Mein liebster Berliner Kiez Da, wo Menschen zusammenkommen und gemeinsam feiern.
Regt mich in Berlin an Dass die Stadt nie fertig ist und sich immer wieder neu erfindet.
Regt mich in Berlin auf Wenn Leute ihren Müll auf die Straße stellen und „zu verschenken“ draufschreiben.
Darin war ich nie gut in der Schule Weitsprung.
Dieses Berliner Gebäude kann weg Das verfallende Parkhaus an der Ecke Franz-Klühs-Straße/ Wilhelmstraße.
Das mache ich nie wieder Achterbahn fahren.
Dort stürze ich nachts am liebsten ab Ich bin noch nicht abgestürzt.
Meine erste Amtshandlung als Regierende:r Gründung des Bündnisses für Wohnungsneubau Berlin.
So soll man sich an mich als Regierende:r erinnern Pragmatisch, bürgernah, lösungsorientiert.
Was die anderen Parteien wollen
- Wahlprogramm der CDU in Berlin: Polizeistaat mit Einsamkeitsbeauftragtem
- Wahlprogramm der FDP: Bullshit-Bingo-Boom
- Wahlprogramm der Berliner Linken: Havanna für alle
- Wahlprogramm der Grünen in Berlin: Die geräderte Stadt
- Wahlprogramm der Berliner AfD: Neue Deutsche Härte
Mehr Politik in Berlin
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