Politik

Zahlen zur Wahlwiederholung in Berlin: Da müssta ran

In Berlin startet bald die Wahlwiederholung und die politische Marktschreiermaschinerie läuft heißt. Versprechen, Versprechen, Versprechen, alle gedruckt auf lieblos gestaltete Wahlplakate. Ist doch immer wieder dasselbe. Und klar, Finanzsenator Daniel Wesener freut sich über einen Haushaltsüberschuss von 800 Millionen Euro, spricht dabei von einem „ausgeglichenen Haushalt“. Überschuss und ausgeglichen widersprechen sich zwar, aber geschenkt. Generell sollte der Senat zur nächsten Periode mehr investieren, wie unsere Zahlen zeigen: Da muss die nächste Landesregierung ran.


9,1 Prozent Arbeitslosenquote

Nach der Wiederholungswahl in Berlin könnte man ja auch die Jobcenter reformieren. Foto: Imago/epd

So als Aushängeschild für Deutschland sollte die Hauptstadt bezüglich Beschäftigung eigentlich gut aufgestellt sein. Leider nein. 183.519 Menschen sind arbeitslos, vermeldete die Bundesagentur für Arbeit. Das ist natürlich nur die aufgehübschte Zahl. Wer krank ist oder in Weiterbildung, wird nicht eingerechnet. Bundesweit belegt Berlin den zweiten Platz in Sachen Arbeitslosigkeit, nur Bremen liegt mit einer Quote von 10,1 Prozent derzeit höher. Nötig wären Investitionen vom Land, zum Beispiel Förderprogramme, öffentliche Aufträge (gezielte strukturpolitische Maßnahmen) und Beschäftigungsprogramme. Denn ein ebenso großes Problem sind fehlende Stellen. Rund 18.000 Stellen stehen aktuell zur Verfügung, ein Zehntel der Berliner Arbeitslosen hat also eventuell Glück.


Rund 100.000 fehlende Wohnungen

Sieht nach viel aus, ist aber zu wenig. Foto: Imago/photothek

Wohnraummangel ist in Berlin ein großes Problem. Aktuell dürfte sich von privatwirtschaftlicher Seite in dem Punkt wenig tun. Vonovia kündige etwa bereits an, 2023 keine Neubauprojekte zu starten. Grund sind die hohen Kosten, Stichworte: Bauzins, Material- und Fachkräftemangel. Im vergangenen Jahr entstanden lediglich 16.500 neue Wohnungen, davon 6.400 durch die landeseigenen Wohnbaugesellschaften. Mit Blick auf Zuwanderung, etwa Geflüchtete, die in Berlin Schutz suchen, ist das etwas wenig. Nun sind private Immobilienkonzerne langfristig nicht wirklich interessiert daran, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Der Berliner Senat verspricht Besserung, hält am Versprechen fest, jährlich 20.000 neue Wohnungen zu schaffen. Hat bisher nicht geklappt, ist außerdem mager. Zu wenig zahlen und „stimmt so“ sagen, die Leute werden sich freuen.


71 Stunden im Stau

Step by Step. Foto: Imago/Sabine Gudath

Wer sein Ohr auf die Berliner Straßen legt, hört…nichts, weil Stau. Eine autofreie Stadt kann hier nur halb Abhilfe schaffen, Pendler aus Brandenburg haben nicht die Vorteile eines gut ausgebauten ÖPNV. Es braucht eine effiziente Verkehrsinfrastruktur und parallel zuverlässige Bus- und Bahnverbindungen, also mehr Busspuren, mehr Gleise, mehr, mehr, mehr. Vielleicht kann Berlin den zweiten Platz der Staustädte Deutschlands hinter sich lassen – wie wohl München, der erste Platz, das finden würde?


17.000 fehlende Kita-Plätze

Eltern basteln ihre Kita-Alternativen mittlerweile selbst. Foto: Imago/Panthermedia

Fehlende Betreuungsangebote sind ein gewaltiges Problem. Nicht nur, dass Kinder deutlich weniger soziale Interaktion bekommen, wenn sie zwangsläufig zuhause bleiben, Eltern, in erster Linie Mütter, können nicht (oder nur bedingt) in Beschäftigung. Wäre okay, würde Care-Arbeit vernünftig entlohnt werden, aber dazu wird es wahrscheinlich nicht kommen. Erzwungene Selbstverständlichkeiten sind nun mal so ein Ding. Es braucht mehr Erzieher:innen, mehr Einrichtungen, mehr politischen Willen, damit zumindest das Betreuungsproblem gelöst wird.


Rund 1000 Lehrer:innen fehlen

Geht halt nichts, wenn es keine Lehrer:inn gibt. Foto: Imago/photothek

Raus aus dem Elternhaus, rein ins überfüllte Klassenzimmer, nur vorne ist es leer. Zumindest gibt es dafür keine Klassenbucheinträge. Und ist doch eine Lehrkraft da, kann sie kaum den Überblick behalten. Nimmt man den Spaß hier raus, bleibt eine erschreckende wie auch traurige Bilanz. Vor einigen Wochen zeigte bereits das Schul-Barometer, dass 35 Prozent der Schüler:innen Lernrückstände aufweisen, 78 Prozent der Schulleitungen beklagen, dass sie keine angemessene Unterstützung bieten können. Es ist zwar der bundesweite Schnitt, doch Berlin wird da kaum mit großartigen Leistungen ausbrechen. Übrigens: Digitalisierung in Schulen, wie sie FDP und Konsorten versprechen, ist nicht das entscheidende Problem, zeigte das Barometer ebenfalls, es sind die Lehrkräfte – nämlich die, die halt fehlen.


17 Prozent der Berliner Betriebe bilden aus

Auch der Arbeitsmarkt braucht politischen Feinschliff. Foto: Imago/Future Image

Während Unternehmen ständig Fachkräftemangel predigen, zudem betonen, dass es zu wenig Arbeitskräfte gibt, bildet gleichzeitig nur ein Bruchteil aus. Wenn es also keinen Wohlstandsverlust geben soll, der Synonym für ein schrumpfendes Bruttoinlandsprodukt steht, dann braucht es auch mehr Betriebe, die ausbilden und zudem eine berufliche Perspektive in Form einer garantierten Übernahme ermöglichen. Denn aktuell werden die Ressourcen auf dem Arbeitsmarkt nicht genutzt, auch nicht unter jungen Menschen. Hier braucht es Anreize. Aber wo sind die? Fehlen auch.


12,78 Euro Miete pro Quadratmeter

Eigentlich sollte hier was über „DW und Co. enteignen“ stehen. Aber schaut euch bitte diesen Zylinder an. Foto: Imago/Peter Homann

Seit 2012 hat sich der Quadratmeterpreis für Wohnungen in Berlin nahezu verdoppelt – im Schnitt. Wenig Angebot, viel Nachfrage, der Markt regelt. Klar. Neubauten sollen laut einiger Polit-Spezies die Preise wieder drücken. Das ist richtig, jedoch nur marginal. Es braucht sehr viele Neubauten in sehr viel kurzer Zeit. Aktuell kaum umsetzbar. Und das Problem Bodenpreisspekulation wird dabei außer Acht gelassen. Hier können nur politische Maßnahmen – Mietpreisbremse, Vergesellschaftung – helfen. Da war doch was. Ach ja, DW und Co. enteignen, doch da sträuben sich die meisten Politiker:innen.


Eigentlich fehlt überall Personal

Sollte Daniel Wesener (Grüne) wieder Finanzsenator werden, kann er vielleicht mit neuem Elan an die Arbeit. Foto: Imago/Emmanuele Contini

Gesundheit, Nahverkehr, Polizei, alles kaputtgespart. Lieber Senat, da müssta ran. Ein Haushaltsüberschuss dürfte da eigentlich nicht drin sein. Der zeigt nur, dass der Senat mehr Geld aus der Wirtschaft gezogen als hinzugefügt hat. Für eine Volkswirtschaft ist das Gift, auch für Wachstumsversprechen.


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Wie schräg Wahlkampf aussehen kann, zeigen diesen Wahlplakate in Berlin. Deutlich motivierter, aber auch alberner wirken diese Berliner Kleinparteien. Der Teil mit der Motivation gilt übrigens auch für die Intiative „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“, die seit langem einen zähen Kampf ausficht. Was Berlin noch bewegt, lest ihr in unserer Stadtleben-Rubrik.

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