In Zeiten des Wassermangels sind private Schwimmbecken in die Diskussion geraten – auch in Berlin um Umland. In der Gemeinde Panketal in Brandenburg wird in diesem Sommer deren Befüllung rationiert. Ist der Swimming Pool der neue SUV – ein Fanal der Verschwendung? Eine Spurensuche.
Falls die Leichtigkeit des Seins ein Maß haben sollte, dann beträgt sie 8 x 4 x 1,50 Meter. Das sind die Eckdaten des Swimming Pools von Peter F. (Name geändert), 58. Auf seinem Grundstück in Nauen im Havelland, wo die ausgedörrten Felder an die spanische Extremadura erinnern, befindet sich dieser Rückzugsort.
„Wenn das Ding da ist, willst du es nicht missen“, schwärmt er von seiner Errungenschaft.
Peter F., ein Lebemann, ist Polo-Veranstalter von Beruf, betreibt etwa eine Anlage für den Pferdesport in Seeburg. Sein Gesicht ist sonnengefärbt.
Auf der Rückseite seines Hauses hat er den Pool vor Kurzem installieren lassen; an den Rändern gibt es eine kleine, überdachte Lounge-Ecke, außerdem einen Sonnenschirm, irgendwo eine Skulptur. Es ist ein Ort mit Geschichte: Schon der vorherige Besitzer der Immobilie, wo der Sonnyboy mit seiner Partnerin lebt, hatte an derselben Stelle einen Pool installiert. Nachdem F. in das Domizil eingezogen war, zerstörte ein Sturm das alte Modell.
Sein neues Spaßobjekt ist in Deutschland eigentlich fast so gewöhnlich wie Carport oder Weber-Grill, jedenfalls in wohlhabenden Milieus. Ganze 2,1 Millionen Swimming Pools, Whirlpools, private Schwimmbäder und artverwandte Anlagen sind republikweit verbaut – mit steigender Tendenz. Eine Zahl, die kleine und mobile Pools, beispielsweise aus dem Baumarkt, nicht einmal abdeckt. Das private Becken ist also ein ziemlich alltägliches Phänomen. Doch in diesem August, der heiß ist auf eine ganz und gar unnatürliche Weise, erscheint nichts mehr normal.
Das Wasser für den Swimming Pool wird mancherorts rationiert
Ein Streitobjekt ist eine Ressource, deren Vorkommen in Mitteleuropa, der gemäßigten Zone, niemals zu versiegen schien. Allerorten ist das Wasser knapp geworden. Stolze Flüsse wie der Rhein trocknen aus, und vor den Toren Berlins, in Brandenburg, verlieren etliche Seen an Volumen. In der nordöstlichen Peripherie Berlins ist jüngst eine rigorose Konsequenz gezogen worden: In der Gemeinde Panketal dürfen die Einwohner zwischen 17 und 21 Uhr ihr Grün nicht mehr bewässern und ihre Pools nicht mehr befüllen. Das Spardiktat gilt bis Ende September.
Ist der Swimming Pool, dieser happy place, vor dem Hintergrund dieser Verhältnisse zum neuen SUV geworden – ein Fanal für Verschwendung?
F. witzelt, dass er wegen des Pools ja nicht mehr duschen müsse. Der Gag über eine Art Ressourcenhandel im privaten Bereich ist natürlich nicht ernst gemeint: Wer will schon Haut und Haar in der von Chlor durchtränkten Brühe waschen?
Es ist tragikomisch: Wegen der Hitzewellen infolge der Erderwärmung ist die abkühlende Wellness-Session im Becken naheliegender denn je – ein subtropisches Klima, das allerdings überhaupt erst ausgelöst worden ist wegen des ausufernden Lebensstils in den Ländern der nördlichen Hemisphäre. Ein Sinnbild dafür ist wiederum der Swimming Pool auf dem Gelände des deutschen Eigenheims.
Der Swimming Pool und seine ökologischen Kosten
Zu Beginn der Sommersaison wird so ein Behältnis mit Inhalt gefüllt. Rund 48.000 Liter Wasser strömten in den Pool von Peter F. „Ein paar Liter on top“, so beziffert er die darauf folgenden Nachschübe wegen verdunsteten Wassers. Man fühlt sich wie ein pedantischer Ingenieur aus dem Tiefbauamt, während man derlei Daten erfragt.
Ob es immer bei der einmaligen Befüllung bleibt, ist fraglich. Darauf deuten Zahlen aus Hamburg. Bei einer Umfrage eines dortigen Wasserversorgers haben 73 Prozent der Besitzer von eingelassenen Pools angegeben, dass sie mindestens einmal im Monat das Wasser wechseln. Die ökologischen Kosten eines Convenience-Produkts.
Umweltaktivisten würden diese Fakten wohl als Beleg für ein riesiges Einsparpotenzial interpretieren. Vor allem angesichts der Massen von Swimming Pools.
Die Bedingungen, um effizient mit dem Wasser aus der Leitung umzugehen, sind speziell in der Hauptstadtregion eigentlich gar nicht so schlecht. Rund 120,1 Liter Wasser verbraucht ein Mensch in Brandenburg insgesamt pro Tag. In Berlin beläuft sich dieselbe Zahl auf 119,5 Liter. Das ist immer noch weniger als in den allermeisten anderen europäischen Ländern. Was mit der blendenden Infrastrukur zu tun hat. Zum Beispiel Wasserleitungen, die dicht halten.
Pool-Bashing wäre sowieso albern. Das Problem ist ja das ganz grundsätzliche Luxusbedürfnis des modernen Individuums. Für viele Durchschnittsdeutsche ist der Pool das Nonplusultra eines freizeitorientierten Lebensstils, der common sense ist – ob als wahr gewordene Sehnsucht oder noch unerfüllter Traum.
Die Käufer von Swimming Pools „stammen aus allen Schichten“
„Die Kunden ziehen sich durch alle Schichten“, behauptet Eric Habedank, Verkaufsleiter beim Unternehmen „Poolriese“, das in Großbeeren angesiedelt ist – ein Fachgeschäft mit einem exemplarischen Sortiment. Das Portfolio ist Barometer für Trends; es reicht von Biodesign-Aqualandschaften für Ästheten bis hin zum konventionellen 6 x 3-Meter-Becken. „Preislich gibt es nach oben keine Grenzen“, sagt Habedank.
Der Laden reiht sich in eine ganze Parallelwelt von Fachgeschäften in Berlin und Umland; andere Firmen nennen sich „Atlantic Pool“ oder „Rüffer Schwimmbad- und Saunaanlagen“.
Um ein umweltverträgliches Bild abzugeben, hat sich die Pool-Industrie ein paar Gimmicks einfallen lassen. Habedank, der Experte am Verkaufstresen, berichtet zum Beispiel von „einem speziellen Kartuschenfilter, der zu einem wesentlichen Teil wassersparender als herkömmliche Sandfilteranlagen ist“. Mit diesem System bleibt das kühle Nass länger klar. Weil der Gesamtverbrauch von Pools trotz der Technologie immer noch immens ist, ist das Ganze vor allem Politur fürs grüne Image.
Es ist die Facette eines Produkts, dessen Faszinationskraft sich viele Leute auf ihren Trips in subtropische Urlaubsländer abgeschaut haben dürften – ob im mediterranen Raum oder jenseits davon. Auf dem europäischen Kontinent sind die meisten Pools im genussfreudigen Frankreich in Grund und Boden eingelassen. Dort wird in mehr als drei Millionen Becken geplanscht.
F., der stolze Pool-Besitzer, fliegt in den Ferien übrigens gern nach Mexiko. Sein Garten spiegelt diese Vorliebe. Dort lässt er eine Palme und einen Bananenbaum wachsen. In der Hitze des spätsommerlichen Havellands haben sich die Pflanzen akklimatisiert. Ganz in der Nähe schimmert die Wasseroberfläche seines Pools in sahnigem Blau. Eine Farbe, die künstlicher fluroresziert denn je.
Mehr zu Wasser und Badekultur in Berlin
Wer selbst etwas gegen Wassermangel tun will, sollte beim Berliner Projekt „Gieß den Kiez“ mitmischen. Im Zeitalter des Klimawandels muss übrigens, trotz aller Ressourncenknappheit, niemand auf Badespaß im Hochsommer verzichten: Es gibt ja noch die öffentlichen Freibäder, darunter die öffentliche Anlage in der Gropiusstadt mit spektakulärem Unterhaltungswert. Die Geschichte der Badekultur in der Hauptstadt reicht übrigens weit zurück – legendär war zum Beispiel zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Plansche im Schillerpark.