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Im Publix an der Hermannstraße wird der Journalismus neu erfunden

An der Hermannstraße 90 in Neukölln eröffnet ein neues Zentrum für Journalismus. Im Publix vernetzen sich Investivgativreporterinnen, NGOs und Menschen aus der Stadt. Die Betreiber wollen einen Berufsstand in der Krise stärker mit der Zivilgesellschaft verbinden. Eingezogen sind beispielsweise Correctiv, Netzwerk Recherche und Klimareporter.

Publix an der Hermannstraße: ein Zentrum für Journalismus, das den Schulterschluss mit der Zivilgesellschaft sucht. Foto: Lucia Hofmaier
Publix an der Hermannstraße: ein Zentrum für Journalismus, das den Schulterschluss mit der Zivilgesellschaft sucht. Foto: Lucia Hofmaier

Publix – Die Zukunft des Journalismus

Die Zukunft des Journalismus haust an der Hermannstraße 90, mitten in Neukölln. In einem fünfstöckigen Gebäudekomplex aus viel Beton und ein wenig Holz, Glas und Metall. Das Interieur: skandinavischer Minimalismus. Für eine Fokussierung aufs Wesentliche steht dieser Stil, und ebenso klar sind auch die Motive der Akteure im Inneren: den Journalismus in Zeiten von populistischen Verkürzungen, Fake News und Zeitungssterben zu retten – oder aber sich zumindest an diesem Noteinsatz zu beteiligen. Und zudem echte Mitmach-Kultur zu etablieren, ob mit NGOs oder der eigenen Nachbarschaft. 

Publix, ein fünfstöckiges Refugium für die vierte Gewalt, ist Dach für Gruppierungen wie Correctiv, Klimareporter oder Netzwerk Recherche. Zugleich ist das Haus, das am 15. September zum Tag der Offenen Tür lädt, eine Agora mit Open-Source-Spirit. 90 Coworking-Plätze gibt es, ebenso Konferenz- und Tagungsräume, Tonstudios, sogar Schlafmöglichkeiten, je nach Erfordernis auch für Opinion leader, die in ihren Heimatländern politisch verfolgt werden. 

Worin besteht der Gewinn für Berlinerinnen und Berliner jenseits dieser Bubble?

Zum festen Termin soll eine Veranstaltungsreihe donnerstagabends werden – im Erdgeschoss des Hauses, das tagsüber übrigens gastronomischen Reiz für die Leute im Kiez entfaltet, wegen eines Cafés und einer Kantinenküche. 

Los geht’s am 19. September mit dem Virologen Christian Drosten und dem Investigativjournalisten und Ex-„Spiegel“-Chefredakteur Georg Mascolo, die ihren Gesprächsband „Alles überstanden?“ präsentieren. Darin bilanzieren sie die Corona-Pandemie und deren Auswirkungen auf die nationale Lage. Weitere Gäste in den Wochen darauf: die Organisation „HateAid“, aber auch der Publizist und Medienmanager Roger de Weck. Der Eintritt ist jeweils frei.

Publix in Neukölln: Journalismus soll nahbar sein

„Der Journalismus hat sein Informationsmonopol verloren“, sagt Maria Exner, Gründungsintendantin, ehemals Vize-Chefredakteurin von „Zeit Online“ und „Zeitmagazin“. Sie ist Feuer und Flamme für das neue Kollabo-Zentrum, das sich im Kleingedruckten auch „Haus für Journalismus und Öffentlichkeit“ nennt. Finanziert wird das Haus und seine Ausstattung von der Schöpflin-Stiftung. Philantropie aus der Schweiz, die Geld in die so genannte Zivilgesellschaft pumpt. Betrieben wird das Ganze von der Publix gGmbH, die von der Schöpflin Stiftung, der Stiftung Mercator Schweiz und der ZEIT Stiftung Bucerius unterstützt wird.

In ganz Deutschland suchte man nach einem Standort; zeitweise war auch eine Adresse im alten Zeitungsviertel in Berlin-Mitte in der Diskussion gewesen, nicht weit entfernt von den monumentalen Axel-Springer-Türmen. Das Grundstück in Neukölln wurde wegen der dortigen Besitzverhältnisse attraktiv. Es handelt sich um eine Randfläche des Jerusalem-Friedhofs, ganz in der Nähe einer Urban-Gardening-Fläche des Prinzessinnengartens. Den Grund und Boden kaufte die Schöpflin Stiftung vom Evangelischen Friedhofsverband Berlin Stadtmitte.

Im Publix finden Medienmenschen zeitgemäße Räumlichkeiten – im Erdgeschoss etwa ist Platz für Veranstaltungen. Foto: Lucia Hofmaier
Im Publix finden Medienmenschen zeitgemäße Räumlichkeiten – im Erdgeschoss etwa ist Platz für Veranstaltungen. Foto: Lucia Hofmaier

Mindestens ebenso interessant erschien die Umgebung. Das Quartier rund um die Hermannstraße ist Hipster-Area, aber auch von armen Migranten mit türkischen und arabischen Hintergründen geprägt. Eine Lage, die zum Publix-Credo passte. Maria Exner sagt: „Wir wollen alle Menschen erreichen.“ Dabei soll auch Bildung eine Rolle spielen. So wird das Autorenkollektiv „Weiter Schreiben“ eine Schreibwerkstatt für Kinder und Jugendliche ausrichten. Es wird auch ein Leseprojekt namens „Shared Reading“ geben. „Vielleicht wird ja in zehn Jahren mal eine Trägerin des Egon-Erwin-Kisch-Preises aus der Nachbarschaft kommen“, sagt Maria Exner.

Zum Tag der Offenen Tür, einem großen Meet & Greet mit Workshops, Talks und redseligen Journalisten, können alle die neuen Nachbarn in Nordneukölln näher kennenlernen.

  • Open House So, 15.9., 10-18 Uhr, Publix, Hermannstraße 90, Neukölln, mehr Infos finden sich hier
  • Publix Thursdays z. B. „Alles überstanden?“ mit Christian Drosten und Georg Mascolo, Do 19.9.; „Don’t get silent“ mit HateAid, Do 26.9.; „Zugänge zum (investigativen) Journalismus“ mit Gabi Manuli (Global Investigative Journalism Network) und Sarah Ulrich (Netzwerk Recherche), Do,17.10.; „Den Journalismus vor den Medien retten“ mit Roger de Weck, Do 7.11., jeweils 18.30 Uhr

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Neben dem Publix-Gebäude an der Hermannstraße findet sich seit Kurzem auch das Spore-Haus. Dort soll mehr Bewusstsein für Natur und Umwelt geweckt werden – u. a. mit einer Bibliothek, einem Auditorium und Ausstellungsräumen. An der Hermannstraße verkehrt auch Berlins prototypische U-Bahn-Linie: die U8, die einmal quer durchs Stadtinnere führt, etwa über Alexanderplatz und Kottbusser Tor. Ein Bistro mit mit besonders idyllischem Freiluftbereich ist das „21 Gramm“ an der Ecke Thomasstraße/Hermannstraße. Deren Gastronomen betreiben übrigens auch die Kantine im Publix.


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