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So queer ist Friedrichshain: Der tip-Guide für die Community

Friedrichshain ist queer. Das zeigt sich nicht nur an einigen Bars, die speziell auf die Community zugeschnitten sind, und Clubs wie Berghain und Blank. Sondern auch an der Geschichte – vom queerfeministisch besetzen Haus Liebig 34 bis zu diversen Protestzügen von CSD bis Dyke* March, die hier stattfanden und -finden. Unser Queer-Guide für Friedrichshain hat Tipps und Infos für euch.

Queere Geschichte in Friedrichshain

Die Hausbesetzer:innen aus den 1990-er Jahren definieren bis heute den Bezirk Friedrichshain. Foto: Renate Hildebrandt/wikimedia/CC BY 3.0

Bis in die 1960er Jahre war Homosexualität nach Paragraph 175 in Deutschland strafbar. Homophobie war nicht nur ein gesellschaftliches Problem, sondern von den Regierungen unterstützt. Bereits auf Verdacht konnten homosexuellen Menschen mehrere Jahre Gefängnis ins Gefängnis kommen. Erst 1968 wurde die Klausel in der DDR abgeschafft. Trotzdem war es auch danach im Osten nicht einfach: Homophobie gehörte (und gehört) auch nach der Abschaffung des Paragraphs zum Alltag. Ein offenes Zusammenleben als Paar war kaum möglich, denn ein Coming-out war noch immer existenzgefährdend.

Ein Jahr nach der Abschaffung des homophoben Paragraphs im Osten, wurde auch in der BRD der Gesetzestext geändert: es wurde aber lediglich das Strafmaß eingeschränkt: Homosexuelle Handlungen zwischen erwachsenen Männern über 21 Jahren wurden straflos. Alle die jünger waren, mussten aber noch immer mit rechtlichen Folgen rechnen. Erst nach der Wiedervereinigung in den 1990er Jahren war Homosexualität in ganz Deutschland ohne Einschränkungen erlaubt.

Seit 1999 lebten ausschließlich Frauen sowie trans- und intersexuelle Menschen in dem „anarcha-queer-feministisches Hausprojekt Liebig 34“, bis es 2020 durch die Polizei geräumt wurde. Foto: Imago/Stefan Zeitz

In der Wendezeit und danach kam es in Friedrichshain zu einer Hausbesetzungswelle: Der große Leerbestand an unsanierten Altbaugebieten im Osten des Bezirks lockte ein buntes, linkes Publikum an – viele von ihnen kamen auch aus West-Berlin. Insgesamt wurden in Ost-Berlin etwa 130 Häuser besetzt, viele davon in der Rigaer Straße und der Liebigstaße – hier fand sich auch bis 2020 die Liebig 34, ein „anarcha-queer-feministisches Hausprojekt“ in der ausschließlich Frauen sowie trans- und intersexuelle Menschen lebten. Ein Großteil der besetzten Häuser wurde nach kurzer Zeit legalisiert, andere, wie das alternative Wohnprojekt in der Mainzer Straße, wurden gewaltvoll aufgelöst.

Die besetzten Häuser prägen nachhaltig das Bild von Friedrichshain. Aus dieser Hausbesetzungskultur entstanden viele der noch heute hoch geschätzten Einrichtungen in Friedrichshain: Bars, Veranstaltungsräume, Beratungsstellen und Kinos. Dadurch wurde der Bezirk für Studierende aber auch Touris interessant. Friedrichshain gilt seitdem als Szenestadtteil.

Queeres Nachtleben im Partybezirk

Ins Berhain muss man erst mal reinkommen, dann kann man die Nächte aber auch durchfeiern. Foto: Imago/Schöning

In Friedrichshain gibt es viele linke Bars, die auch für ein queeres Publikum attraktiv sind, wie zum Beispiel „Lauschangriff“. Hier könnt ihr euch durch eine große Absinth-Auswahl und außergewöhnliche Cocktails probieren. Auch der „Feuermelder“ ist einen gute Adresse für linke, queere Menschen, vor allem wenn ihr Kickern oder Billard spielen wollt. Hier könnt ihr euch auch schon nachmittags an den Flipperautomaten austoben oder morgens noch auf einen Absacker vorbeikommen.

Die „Große Freiheit 114 Bar“ und die „Himmelreich Bar“ haben ein festes schwul-lesbisches, trans und queeres Stammpublikum. Die Große Freiheit ist eine rustikale, im Stil einer Hafenkneipe eingerichtete Bar, die mit ihren Cocktails überzeugt. In der Himmelreich Bar lohnt sich ein Besuch vor allem dienstags, denn dann ist die wöchentlich stattfindende Queer Night. Hier könnt ihr in offenen Friedrichshainer Kiezmanier einfach ungezwungen quatschen und trinken.

  • Lauschangriff Rigaer Str. 103, Facebook, Feuermelder Krossener Str. 24, Große Freiheit 114 Boxhagener Str. 114, online, Himmelreich Bar Simon-Dach-Straße 36, online
Das RAW Gelände bietet auch Orte, die besonders auf queeres Publikum ausgerichtet sind. Foto: Imago/Rolf Kremming

Auch tanzen kann man in Friedrichshain natürlich immer: Der berühmteste Club in Friedrichshain ist ohne Diskussion das Berghain – in das bekanntlich nur wenige reinkommen. Wer an der wohl härtesten Tür Berlins abgewiesen wird, findet auch gute Techno-Partys im Suicide Club auf dem RAW-Gelände. Zu ausgewählten Partys öffnet er gerne seine Türen für ein explizit queeres Publikum, etwa „Chantal’s House of Shame“. Ganz in der Nähe ist das „Zum Schmutzigen Hobby„, hie gibt es Bar-Betrieb und Partys.

Das about:blank ist seit mehr als zehn Jahren eine der ersten Adressen für queere Partys. Aber auch in der Wilden Renate könnte ihr lange Nächte verbringen, vor allem wenn das queere Kollektiv Trash Era eine ihrer Partys dort schmeißt. Wer lieber selbst singt ist bei Monster Ronson’s Ichiban Karaoke richtig. Dienstags gibt es hier auch Drag Shows.

Anarchistischer CSD Berlin

Der erste Berliner Christopher Street Day fand 1979 in West-Berlin mit den Mottos „Mach dein Schwulsein öffentlich!“ und „Lesben erhebt euch und die Welt erlebt euch!“ statt. Damals nahmen nur 400 Personen daran teil. Heute ist der CSD in Berlin zu einer der größten Demos der Stadt und sogar Europas geworden.

Der Zug des Anarchistischer Christopher Street Days führt durch Friedrichshain. Foto: Imago/snapshot

2021 fand in Friedrichshain dazu der Anarchistische CSD statt. Die Aktivist:innen luden zu einer antikommerziellen Demonstration ein. Es gibt dabei unter anderem um queerfeindliche Übergriffe im Öffentlichen Raum, die Situation von Sexarbeitenden in der Pandemie und um verschiedene Räumungen von Hausprojekten. Den Anfang bildete eine Kundgebung am Volkspark Friedrichshain. Insgesamt war der Anarchistische CSD mit ungefähr 2000 Teilnehmenden eine der kleineren Demos Berlins.

Auch der Dyke* March solidarisiert sich mit Friedrichshainer Anliegen wie der Erhaltung von Liebig 34, hier 2019 – ein Jahr vor der Räumung. Foto: Imago/Snapshot

Queere Aufklärungsarbeit bei TransInterQueer e.V.

Im September 2006 wurde der TransInterQueer (TrIQ) Verein gegründet und war damit der erste offizielle Zusammenschluss von trans*- und inter*-Aktivist:innen in Berlin. Das soziale Zentrum leistet ein umfangreiches und professionelles Beratungsangebot für trans*-, inter*- und nicht-binäre Menschen. Darüber hinaus können sich hier auch Personen mit Fragen zu Geschlecht oder geschlechtlicher Zuordnung sowie deren Angehörige und Bezugspersonen informieren. Auch werden Fachpersonen adressiert, die in ihren Arbeitsfeldern häufig mit Geschlechtlichen Zuordnungen von trans*-, inter*- und nicht-binären Menschen zu tun haben.

Zu den wichtigsten Zielen der Arbeit des TransInterQueer Vereins gehört der „Abbau von Vorurteilen und Diskriminierungen in Bezug auf Körper, geschlechtliche Identität, gender expression und sexuelle Orientierung“ und die Emanzipation und Sichtbarkeit der Community im allgemeinen.

Das Angebot des Zentrums ist so vielseitig, dass für alle etwas zu finden ist. Der Verein funktioniert als Selbstvertretungsorganisation und unterstützt das Engagement seiner Mitglieder:innen, was die Beiträge und Ideen betrifft. Grundsätzlich gibt es verschiedene Gruppen denen man sich anschließen kann, dazu Workshops, das Transgenderradio und sogar ein mehrsprachiges Angebot für persönliche Beratungen zu allen Fragen rund um Trans*, Inter* und Nicht-Binärität. Aber auch verschiedene Angebote wie das jährliche TIN-Picknick, Film- oder Leseabende und Talks bringen Menschen in der Community näher zusammen und fördern den Austausch.

  • TransInterQueer e.V. Gürtelstrasse 35, Friedrichshain, Mo-Mi 13-17 Uhr, 030/ 76 95 25 15, Homepage,

Bunte Literatur in der TrIQ-Bibliothek

Die TrIQ-Bibliothek hat einen stetig anwachsenden Bestand an hauptsächlich deutsch- und englischsprachiger Literatur zu allen erdenklichen queeren Themen. Neben wissenschaftlichen Arbeiten und Studien, Broschüren und Sachbüchern findet man hier auch Belletristik, Kinderbücher und auch Filme. Die Bibliothek entstand ein Jahr vor dem TransInterQueer Verein und teilt sich mit ihm das Gebäude. Die Neuanschaffungen beschäftigen sich in erster Linie mehrdimensional und kritisch mit inter*-, trans*- und queeren Themen.

  • TrIQ-Bibliothek Gürtelstrasse 35, Friedrichshain, Mo-Mi 13-17 Uhr, Onlinekatalog

Mehr zum Thema

Friedrichshain ist nicht der einzige Stadtteil mit viel queerem Leben. Hier könnt ihr euch über das queere Schöneberg informieren. Auch Kreuzberg ist queer, der tipBerlin-Guide für Pride, Party und Protest. Wer noch auf der Suche nach bunter Literatur ist, findet hier queere Verlage, Projekte und Literatur in Berlin. Wem der Sinn nach Musik steht, hier 12 Berliner Queer-Pride-Songs, die wir lieben: Von Pet Shop Boys bis Peaches. Alles, was wir zu queeren Themen in Berlin schreiben, findet ihr hier.

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