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So queer ist Mitte: tipBerlin-Guide für Party, Kultur, Geschichte

Wie queer ist Mitte? Mit dem Sehenswürdigkeiten, Touri-Fallen, vielen schicken Läden und teuren Drinks wird der Szenebezirk von den waschechten Berliner:innen auch gern mal gemieden. Aber auch hier gibt es Stücke der queeren Geschichte und eine Menge Bars entdecken, wenn man nur weiß, wo man hin muss. Wer es lieber gehoben, extravagant und neu mag, ist in Mitte am richtigen Ort. Aber auch wer den Kneipenflair in kleinen Kellerbars schätzt, kommt hier auf seine Kosten. Alles was ihr zur queeren Community in Berlins Mitte wissen müsst, erfahrt ihr hier.

Queerer Protest findet in Berlin oft in Mitte statt – gut sichtbar eben. Foto: Imago/A. Friedrichs

Queere Geschichte in Mitte

Das Regierungsviertel in Mitte beherbergt die wichtigsten bundespolitischen Institutionen wie Bundestag, Bundesrat oder Kanzleramt sowie zahlreiche Botschaften. Warum das wichtig für die queere Community ist? Die deutsche Regierung hat seit Jahrhunderten eine große Rolle in der Diskriminierung der LGBTQ+-Community gespielt. Auch wenn Berlin zu Recht den Ruf einer LGBTQ+-Hauptstadt hat, war das nicht immer so. Es existierten auch hier Gesetze, die homosexuelle Handlungen strafbar machten.

Schon im Deutschen Kaiserreich 1871 war „widernatürliche Unzucht“ zwischen Männern nach Paragraph 175 strafbar. Auch in der Weimarer Republik bleibt das Gesetz dasselbe. Das Nazi-Regime verschärfte dieses Gesetz noch – Man konnte nur auf Verdacht zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt werden. Schwule und Lesben wurden in den Untergrund getrieben. Sie wurden von der Gesellschaft nicht akzeptiert, zur Verleumndung ihrer Sexualität gezwungen und manche wurden für „beischlafähnliche Handlungen“ in Konzentrationslager deportiert.

Das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen im Berliner Tiergarten in Mitte. Insgesamt kam es zur Zeit des Nationalsozialismus zu ungefähr 5.000 Verhaftungen von Homosexuellen aufgrund ihrer Sexualität. Foto:Imgao/epd

In Mitte steht deshalb seit 2008 ein Denkmal, das an die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Gestaltet wurde es von Ingar Dragset (Norwegen) und Michael Elmgreen (Dänemark). In einem Fenster werden verschiedene Filme mit gleichgeschlechtliche Liebesszenen gezeigt. Das Denkmalsoll ein Zeichen gegen Intoleranz, Feindseligkeit und Ausgrenzung gegenüber Schwulen uns Lesben setzen.

Bis in die 1960er Jahre war Homosexualität nach Paragraph 175 in ganz Deutschland strafbar. Verhaftungen waren an der Tagesordnung. Erst 1968 wurde die Klausel wenigstens in der DDR abgeschafft. Die queere Community im Westen musste sich allerdings noch weitere 20 Jahre gedulden, bis die Gesetzesänderung kam: Homosexuelle Handlungen zwischen erwachsenen Männern über 21 Jahren wurden straflos. Erst in den 1990er Jahren wurde in ganz Deutschland der Parapgraph entgültig abgeschafft.

Die Demonstration „Demo für alle“ im Jahr 2017 setzte sich für die gleichgeschlechtliche Ehe ein und führte auch durch das Regierungsviertel. Foto: Imago/Markus Heine

Trotzdem, eine gleichgeschlechtliche Ehe war noch immer nicht möglich. Ab 1999 wurde die „Homo-Ehe“ zur öffentlich geführten gesellschaftlichen Debatte. Zwei Jahre später ein erster Erfolg: Gleichgeschlechtliche Paare durften eine „eingetragenen Partnerschaft“ eingehen. Das ist aber nicht mit einer Ehe gleichzustellen. Der Druck auf die politischen Ämter nimmt zu, bis 2017 der Bundesrat zu einer Entscheidung kommt: Auch Homosexuelle dürfen sich das JA-Wort geben. Seit 2011 stehen am Spreeufer im Regierungsviertel zwei Gedenktafeln, die an die erste Homosexuellenbewegung erinnern.

Queer und laut in Mitte: Loveparade

So viele Menschen wie bei der Loveparade 1997 auf der Straße des 17. Juni sieht man selten auf einem Fleck. Foto: Imago/Kern/Future Image

Die Loveparade fand von 1989 bis 2010 in Berlin statt und war ein großer Erfolg. Zu lautem Techno ging es einmal quer durch die Stadt. Was mit 150 Menschen startete, gewann schnell an Popularität. Die Zahl der Teilnehmenden stieg rasant, nach nur drei Jahren wurde sie fünfstellig, 1997 wurde die Million geknackt. Freie Liebe und Sex waren immer ein großes Thema der Loveparade, auch die queere Community hatte hier ihren Platz. Wenn man sich die Foto-Zeitreise durch die legendären Berlin-Jahre der Techno-Demo anschaut, denkt man, das Motto sei „je abgedrehter, desto besser“.

Das galt nicht nur für die Musikauswahl sondern auch für die Klamotten. Freitzügig ging es bei der Loveparade definitiv zu, gerne auch nackt. Die Anwohnerinnen beschwerten sich über Müll, öffentlichen Sex und Drogenkonsum. In Berlin wird eben auch gern mal etwas härter gefeiert. Heute knüpft der Zug der Liebe an das Vermächtnis der Loveparade an. Wir freuen uns schon auf die nächste, so eine bunte Vielfalt wie bei dieser Demo sehen wir gerne in Berlin Mitte.

Kreuz und Queer durch Mitte – ein Stadtrundgang

Der Alexanderplatz ist nicht nur ein Knotenpunkt für den Nahverkehr in Berlin, sondern auch ein wichtiger Stopp in dem Stadtrundgang „Kreuz und Queer durch Mitte“ Foto: Imago/Sabine Gudath

Auch die Freie Universität Berlin leistet ihren Beitrag zur Aufklärung und Sichtbarkeit queeren Community in Berlin. Dazu wurden mehrere Stadtrundgänge konzipiert, auf denen die Hörer:innen die queere Geschichte der Stadt nähergebracht wird. Eine davon führt einmal durch das Herz Berlins, durch Mitte. Statt alle Sehenswürdigkeiten abzugrasen, werden ganz „normale“ Orte angepeilt hinter denen sich mehr queere Geschichte versteckt, als von außen anzunehmen ist. Die Tour führt an Krankenhäusern, Schulen, Kirchen und auch Modegeschäften für Geschlecht, Sexualität und Begehren vorbei. Die Stadttour ermöglicht einen Blick hinter die Kulissen und vertieft das Verständnis für die Community und die geschichtsträchtige Hauptstadt. Alle Infos findet ihr hier.

Queeres Jugendzentrum in Mitte

Das Queere Jugendzentrum in Berlin-Mitte ist ein Safe Space für Jugendliche, die sich als queer oder Teil der LGBTQ+-Community identifizieren, aber ebenso für diejenigen die sich nicht sicher sind oder schlichtweg die Vielfalt des Regenbogens zelebrieren wollen. Die offene Jugendfreizeiteinrichtung richtet sich an Menschen zwischen 14 und 21 Jahren. Die Angebote sind offen und können von den Jugendlichen mitgestaltet und mitbestimmt werden.

Das Programm ist mindestens so divers wie die Menschen im queeren Jugendzentrum selbst: Hier kann man kickern, kochen oder gemeinsame Ausflüge planen. Im Sommer ist auch der Außenbereich mit Garten, Tischtennisplatten und Grillplatz beliebt.

Die Einrichtung ist noch neu und bietet allen die Chance, sich von Beginn an als aktives Mitglied zu etablieren, denn die Projekte und geschützten Gruppen werden alle gemeinsam mit den Jugendlichen konzipiert. Die Teilnahme ist häufig auch ohne Anmeldung möglich und kostenfrei. Das Queere Jugendzentrum ist ein schöner Ort des Austausches um Jugendlichen schon früh den Raum zu geben sich mit ihrer Identität auseinanderzusetzen.

  • Queeres Jugendzentrum Lützowstraße 28, Mitte, Öffnungszeiten in der Schulzeit: Di-Do 14-20 uhr, Fr 14-22 Uhr, Sa 12-18 Uhr, Öffnungszeiten in den Ferien: Mo-Fr 13-20 Uhr, 017/ 32 96 95 50, Homepage

Queer feiern in Mitte

Auch in Berlin Mitte muss man sich gedulden, wenn man in den Club will, denn die Warteschlangen sind lang. Foto:Imago/Tom Maelsa Berlin

Die Bar-Szene in Mitte Berlin ist schick, glamourös und gern etwas teuer. Auch speziell für die LGBTQ+-Szene gibt es Anlaufstellen, um die Nacht zu verbringen..

Eine lange Nacht kann gut mit ein paar kreative Cocktails oder einem Bier in TheCoven gestartet werden. Gleich gegenüber kann es in der Cocktail Bar The Liberate weitergehen. Hier muss man zwar einen guten Batzen Geld in die Hand nehmen, wird aber dafür mit einer opulenten Einrichtung im Stil der 1920er Jahre belohnt. The Liberate überzeugt mit klassischen und kreativen Cocktails die auf goldenen Bänken unter den funkelnden Kronleutern genossen werden können.

Weiter geht es die Straße runter auf die Bar Saint Jean zu. In der minimalistischen Bar könnt ihr Drinks in gemütlichem Ambiente genießen. Gleich um die Ecke ein bisschen weniger schick, aber umso mehr Berlin ist Betty F***. Die Bar hat sich als beliebte Adresse für den ersten, aber auch letzten Drink des Abends einen Namen machen können. Die Bar ist zwar nur so groß wie manches Hinterzimmer, aber das macht ihren Charme aus. Ein bisschen zusammengequetscht lernt man sich ganz anders kennen. Als Besonderheit gibt es hier Kölsch vom Fass, anders als in vielen der schicken Szenebars in Mitte.

Die Besenkammer ist die älteste Gaybar der DDR. Foto: Imago/Jürgen RitterBerlin Mitte

Wer auf einen wilden Partyabend aus ist, Techno mag und ausgelassen tanzen will, ist natürlich im KitKat richtig. In dem Fetisch Club wird leicht – oder gar nicht – bekleidet bis morgens geravet. Wer T-Shirt und Hose lieber anbehalten möchte, ist bei vielen Partys im GMF richtig. Hier könnt ihr auf einem Wolkenkratzer am Alex auf dem Roof Garden lange Nächte verbringen. Auch der Tresor hat Partys mit speziellem Queer-Fokus, ist aber immer eine gute Adresse für Tecno-Partys.

Wem das alles zu viel Glanz und Glamour ist, sollte einen Stopp in der Besenkammer einlegen. Eine der ältesten Bars in der Stadt, mit nur 30 Quadratmetern. Hier trifft sich hier zu jeder Tages- und Nachtzeit ein schrilles, verrücktes und immer gut gelauntes Publikum.


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