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Interview

SchwuZ-Comeback: Wie Chef und Team das Re-Opening vorbereiten

Ganze 19 Monate hatte das SchwuZ zu. Ohne Außenfläche, konnte der Neuköllner Club kaum etwas bewegen. Ein Open-Air im Sommer, ansonsten darbte die Fan-Gemeinde der queeren Institution. Die Zeit hat Chef Marcel Weber mit seinem Team genutzt, und das nicht nur zum Überlebenskampf. Es wurde umgebaut, ein Bar-Bereich geschaffen, der nun auch unter der Woche öfter öffnet, und im Hintergrund wurde geschult und verbessert. Wir sprachen mit Weber über das SchwuZ, Wünsche an die Politik, Probleme mit der Personalfindung – und warum die erste Party am Samstag, 30. Oktober, kostenlos ist.

SchwuZ öffnet wieder: Ein Dancefloor wurde zum Barbereich – und ist überhaupt nicht wiederzuerkennen. Foto: Florian Winkler-Ohm

SchwuZ öffnet wieder: „Nach einer langen Pause wieder in den Tritt kommen“

tipBerlin Samstag öffnet das SchwuZ wieder. Wie fühlt sich das an nach 19 Monaten? Wirkt das überhaupt real?

Marcel Weber Ja, doch, das tut es. Auch, weil wir vergangenen Samstag ein kleines Pre-Opening hatten, also schon einmal ein bisschen übten mit unserer Familie, den Freund:innen des Hauses und unseren Mitarbeiter:innen. Jetzt freuen wir uns alle natürlich sehr auf die richtige Wiedereröffnung.

tipBerlin So einen Club schließt man nach 19 Monaten wahrscheinlich nicht einfach wieder auf und alles ist beim Alten. Welche Überraschungen gab es zum Neustart?

Marcel Weber Überraschungen gab es eher weniger, wir haben ja im und am SchwuZ gearbeitet in den vergangenen 19 Monaten, zudem Streaming-Events und ähnliches gehabt. Es gab und gibt allerdings Herausforderungen im Betrieb. Viele Kolleg:innen haben die überwiegende Zeit gar nicht oder nicht in ihren eigentlichen Positionen gearbeitet. Es gilt dann doch, einiges wieder- oder neu zu erlernen. Teils sind das auch Dinge, die sich nicht mit einer Veranstaltung aufholen lassen. Es ist wie Fahrradfahren: Man verlernt es nie ganz, und nach einer langen Pause muss man eben wieder in den Tritt kommen.

tipBerlin Stichwort Personal: Viele Clubs, Bars und Restaurants klagen darüber, kein passendes Personal zu finden. Bestätigte sich Ihnen dieser Eindruck?

Marcel Weber Es gibt durchaus Personalprobleme. Einerseits ist es eine Herausforderung, die Menschen zu reaktivieren, welche vorher bei uns gearbeitet haben. Einige haben sich andere Jobs gesucht, die sie natürlich auch nicht von heute auf morgen verlassen können oder wollen. Andererseits sind in einer Branche, die 19 Monate stillstand, viele an guten Arbeitskräften interessiert. Die Suche nach Personal ist entsprechend aufwendig.

Marcel Weber ist Geschäftsführer des SchwuZ – die Schließzeit wurde für viele Veränderungen genutzt. Foto: Cristian Merean

SchwuZ-Chef: Die Zeit genommen, die man brauchte

tipBerlin Ist das ein Grund, warum das SchwuZ später als viele andere Clubs öffnet?

Marcel Weber So spät sind wir gar nicht dran, ich würde behaupten, dass ein Teil der Clubs noch gar nicht wieder auf sind, zum Beispiel sind Tresor und Globus noch dicht und brauchen auch noch einen Moment. Wir haben für uns entschieden, dass wir uns die Zeit nehmen, die wir eben brauchen. Dazu kommt ein Unterschied zu vielen anderen Clubs, die im Sommer Freiflächen hatten und diese auch nutzten – die haben das Privileg, den Veranstaltungsbetrieb aufrecht erhalten zu haben. Etwas, das wir nicht konnten aufgrund des Aufbaus und der Lage des SchwuZ.

tipBerlin So eine Zwangspause kann auch die Zeit eines Kassensturzes sein. Wie haben Sie das SchwuZ bewertet, haben Sie Veränderungsbedarf gesehen?

Marcel Weber Wir sind nie zufrieden, sonst wären wir nicht das SchwuZ. Wir haben uns über das Programm Gedanken gemacht, ein paar Partys rausgeworfen und damit Platz für neue Formate gemacht. Welche das sind, wollen wir jetzt nicht direkt schon verraten, es wird 2022  jedoch einiges geben, das so noch nicht stattgefunden hat. Wir haben generell bemerkt, dass wir eine gute Kommunikation haben und auch in der Pandemie aufrechterhalten konnten. Zudem können wir sagen, dass die Themen, die uns vor Corona beschäftigt haben, nicht weg sind – die werden wir weiterverfolgen.

Der Dancefloor des SchwuZ lag viel zu lange brach – ab Samstag, 30. Oktober ist wieder richtig Betrieb. Foto: Imago/Agencia EFE

In der Pepsi Boston Bar will das SchwuZ noch mehr queerer Kunst Raum geben

tipBerlin Was ist neu im SchwuZ, offensichtlich und vielleicht auch im Hintergrund?

Marcel Weber Es gibt unsichtbare Veränderungen, etwa ein neues Kassensystem und eine Service-Offensive, die die Leute aber hoffentlich zumindest bemerken. Wir haben in Schulungsmaßnahmen investiert und wollen, dass das Erlebnis für den Gast alles in allem noch runder wird. Und dann gibt es die offensichtlichen Veränderungen. Die Toilettenräume wurden neu und hygienischer gestaltet. Und es gibt die Pepsi Boston Bar.

tipBerlin Die Pepsi Boston Bar ist ein Bar-Betrieb im SchwuZ von Mittwoch bis Samstag, immer ab 19 Uhr, der Eintritt ist frei. Was steckt dahinter?

Marcel Weber Wir wollen das einfach einmal ausprobieren, unsere Räume auch so zu nutzen. Als Treffpunkt, aber auch für kleine Veranstaltungen. Wir haben dazu den Dancefloor rechts hinter der Garderobe komplett umgestaltet. Der Bereich war immer ein wenig das Stiefkind des Clubs. Bei wirklich vollen Partys war da immer mal ein paar Stunden viel Betrieb – sonst nicht so sehr. Wir haben uns aber schon immer gefragt, was wir damit langfristig machen wollen. Nun ist es eine Bar, im Club-Betrieb dann vor allem auch Chill-out-Area.

tipBerlin Gleichzeitig kann der Bereich Versuchsraum für Kunstschaffende sein – was Sie selbst fördern wollen, richtig?

Marcel Weber Wir haben die SchwuZ Queer Stiftung gegründet, eine gemeinnützige Organisation, die Finanzmittel zusammentragen soll, die wiederum zur Förderung queerer Kultur eingesetzt werden. Das bedeutet dann auch, dass wir in der Bar Veranstaltungen machen können, für die andernorts kein Platz und keine Mittel vorhanden sind. Gleichzeitig hoffen wir natürlich auf die im Sondierungspapier der neuen Regierung beschriebenen Kulturoffensive, zählen auf Programmförderungen, auf Stärkung der clubkulturellen Infrastruktur.

Eine der Bars im SchwuZ – das Personal wurde in der Pause nochmal geschult, damit der Besuch des Clubs noch runder wird für die Gäste. Foto: Florian Winkler-Ohm

tipBerlin Clubkultur trifft auf Kulturförderung, ein beliebtes Thema in Berlins Politik.

Marcel Weber Genau. Aber wenn der Senat jetzt eine Offensive ankündigt, darf das nicht zum Status Quo werden, sondern muss umgesetzt und ausgebaut werden. Wichtig ist vor allem, dass eben Clubs als Beitrag zur kulturellen Vielfalt auch gesehen und unterstützt werden und es nicht darauf hinausläuft, dass die gleichen privilegierten Einrichtungen wie schon immer unterstützt werden.

„Es hat sich gelohnt zu kämpfen“ – trotzdem schaut SchwuZ-Chef realistisch auf den Winter

tipBerlin Stichwort Politik und Unterstützung: Wie sehen Sie nun auf die vergangenen 19 Monate zurück?

Marcel Weber In der Rückschau kann ich sagen: Es hat sich gelohnt zu kämpfen. Wenn wir nichts getan hätten, stünden wir nicht da, wo wir jetzt stehen. Zumal weiter nichts sicher ist. Wir sehen höhere Inzidenzen, Impfdurchbrüche – was das bedeutet und wie wir die derzeitige Anfangseuphorie in Langfristigkeit ummünzen, müssen wir sehen.

tipBerlin Haben Sie auch Sorgen, wenn Sie auf Samstag schauen?

Marcel Weber Dass die Leute Schlange stehen, weil alle wieder ins SchwuZ wollen – nein Quatsch. Es überwiegt derzeit die Vorfreude und generelle Freude, dass für uns Veranstaltungen möglich sind. Es ist der Zeitpunkt, sich kurzfristig der Sorgen zu entledigen und einfach nur zu schauen, dass alles gut läuft.

tipBerlin Gut für die Gäste wird Samstag sein, dass der Eintritt frei ist – auch zur Party. Wie kommt es? Nach all den Monaten wären die Einnahmen doch sicher recht wichtig.

Marcel Weber Wären sie, aber zuallererst wollen wir uns einfach mal bedanken bei allen, die uns die Treue gehalten haben. Das ist ein richtiges und wichtiges Signal zum Auftakt.

tipBerlin Danke. Wir freuen uns in jedem Fall auf die erste Party.


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