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Ramadan

Ramadan-Ende in Berlin: Ein Monat zwischen Fasten, Lieblingsessen und Online-Predigt

Am Wochenende endet der Ramadan in Berlin mit einem mehrtägigen Fest. Wie haben Muslime den Fastenmonat während der Corona-Pandemie erlebt? Wir haben eine syrische Familie zum Fastenbrechen besucht.

Der Iftar-Tisch einer Familie während des heiligen Fastenmonats Ramadan. Foto: Imago/Xinhua

Wenn man schon nur ein Mal am Tag essen darf, dann das Lieblingsgericht. So hält es Familie Schami* während des Fastenmonats Ramadan. Vater Mehiar Schami nimmt einen Zettel in die Hand, auf dem in arabischer Sprache 30 Gerichte aufgeschrieben sind. Zusammen mit seiner Frau Dima und den Kindern Enisa, Anna und Saad haben sie das Menü jedes abendlichen Fastenbrechens, Iftar genannt, geplant. „Das ist unsere eigene Tradition. Ich habe das von meinem Vater übernommen“, erzählt er. Dann ruft Dima Schami auch schon zu Tisch. Neben Salat, Linsensuppe gibt es heute eines ihrer liebsten Gerichte: Dolma – mit Reis und Gewürzen gefüllte Zucchini, Auberginen und Paprika.  

Als alle am Tisch sitzen, wird kurz innegehalten. In diesem Moment würde man in einem muslimischen Land den Gebetsruf des Muezzins von draußen hören. In Berlin hört man die Vögel. Es ist 21.09 Uhr – der heutige Fastentag ist beendet. Bis zum Sonnenaufgang darf nun gegessen und getrunken werden. Danach heißt es wieder bis zum Sonnenuntergang: auf Essen und Trinken verzichten. Überhaupt, der Verzicht ist beim diesjährigen Ramadan besonders groß. Am 23. April hat der Fastenmonat dieses Jahr angefangen – mitten in der Corona-Pandemie. Das bedeutet: keine gegenseitigen Besuche, keine Treffen in Vereinen und keine gemeinsamen Gebete in den Moscheen. Dabei ist die Gemeinschaft mit Gläubigen und der Familie in dieser Zeit von großer Bedeutung.

Die Besuche von Verwandten und Freunden fehlen

Auf die Frage, was sie besonders vermissen, antwortet die Dima Schami: „Jede Woche sind wir zu Freunden gegangen oder haben sie zu uns eingeladen. Dieses Jahr nicht. Das ist natürlich traurig“ Nur ihre Mutter hätten sie zum Iftar-Mahl besucht. Ansonsten sind sie es gewohnt, Kontakt zu ihren Liebsten fast allein über das Handy zu halten. Denn 2011 kam die Familie aus der syrischen Stadt Hama nach Berlin. Die Verwandten leben entweder in Syrien oder anderen Ländern. Weil nur der Vater in die Moschee geht, und das auch nur zum Freitagsgebet, ändert sich ansonsten nicht viel für die Familie während dem Ramadan durch Corona: Sie verbringen die meisten Abende eh gemeinsam.

Wer alleine sei, habe es die Zeit über besonders schwer gehabt, sagt Mehiar Schami. Er erinnert sich, als er vor 22 Jahren für einen Studienaufenthalt zum ersten Mal nach Deutschland kam. Fern seiner Heimat, in Tübingen, konnte er das feierliche Fastenbrechen zusammen mit anderen in der Moschee begehen.

Ramadan in Berlin: Online-Predigten und Gebetstermine

Das war dieses Jahr so einfach nicht möglich. Immerhin sind seit dem 4. Mai Gottesdienste mit bis zu 50 Teilnehmern wieder erlaubt. Die Neuköllner Dar as-Salam Moschee gehörte zu denen, die ihre Türen wieder öffneten. Online können sich Gläubige zum Freitagsgebet und zum Tarawih-Gebet, welches am Ramadan zusätzlich freiwillig gebetet wird, anmelden. „Die Menschen haben ein großes Verlangen nach Zusammenkunft“, sagt Juanita Villamor, Sprecherin der Neuköllner Begegnungsstätte (NBS), die die Moschee betreibt. Man habe mehrere Uhrzeiten am Tag angeboten und sei auf Grund der Abstandsregeln dennoch schnell an räumliche Kapazitäten gestoßen.

Umso wunderbarer sei es gewesen, dass die Gemeinde ihnen ihre Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt haben, erzählt Villamor und resümmiert: „Zum einen ist da eine gewisse Trauer, weil das gemeinschaftliche Erlebnis sehr fehlt. Zugleich war es schön zu sehen, wie solidarisch unsere christlichen Geschwister sind und die interreligiöse Arbeit Früchte trägt.“

Mit Online-Angeboten wie dem Streaming der Freitagspredigt oder einer eigenen App habe man Möglichkeiten gefunden, Muslime trotz Corona-Beschränkungen durch den Ramadan in Berlin zu begleiten. Die Plätze für die Teilnahme an den Festgebeten am Sonntag, wenn das Ende des Ramadan gefeiert wird, waren laut der Sprecherin innerhalb von einer Stunde ausgebucht. Anders als sonst wird es kein gemeinsames Essen geben, keine Zusammenkünfte. „Wir halten die Menschen dazu an, auf die Regeln zu achten und zuhause in kleinem Rahmen zu feiern“, so Villamor. Das sei natürlich bedauerlich, gerade für die Kinder.

Das Ende des Ramadan wird trotz Corona ein Fest

Bei Familie Schami ist der Tisch mittlerweile abgeräumt. Man sitzt auf dem Sofa, isst syrische Sesam-Kekse und trinkt einen Kaffee. Der Vater raucht Shisha. Normalerweise würde er sich dafür nach dem Fastenbrechen ab und zu mit einem Freund in einer Shisha-Bar treffen.

Gegen Mitternacht wird er das Tarwih-Gebet sprechen. Manchmal machen seine Frau und die Kinder mit. Der studierte Bienenforscher arbeitet hier als Arabisch-Übersetzer. Da er momentan keine Aufträge hat, bleibt er wach bis halb vier zum ersten Gebet. In diesem Punkt mache einem Corona die Fastenzeit tatsächlich etwas leichter, so der Familienvater. Auch die Kinder haben am nächsten Tag keine Schule und gehen später schlafen. Es gibt ja auch noch mal etwas Leichtes zu essen und trinken, bevor mit Sonnenaufgang das Fasten wieder beginnt. „Ich halte es meistens nicht so lange aus“, sagt Dima Schami und lacht. Sie arbeitet in einer Reinigung und muss jeden Tag um sieben Uhr aufstehen.

Wie sie das Fest des Fastenbrechens, oder auch Zuckerfest genannt, am Wochenende begehen werden? Nach dem Gebet wird es Kaffee und süße Leckereien wie Baklava und Künefe geben, erzählt die Frau. Alle machen sich schick, sie werden viel und lecker kochen. Die Kinder bekommen traditionellerweise Geld geschenkt. Am Samstag geht es zur Schwiegermutter, am Sonntag kommt wahrscheinlich eine befreundete Familie zu Besuch. Alle anderen Verwandten, Freunde und Bekannten werden angerufen, wo immer sie sein mögen, sagt Mehiar Schami und fügt hinzu: „Das sind drei Tage Freundschaft, Besuch und Essen.“ Daran werde auch Corona nichts ändern.

*Name von der Redaktion geändert


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