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Kommentar

Rassismus bei Berlins Polizei: Nur „Bullenschweine“ rufen reicht nicht

Rassismus gibt es offensichtlich auch bei der Berliner Polizei. Mehrere Beamte haben in einer Chatgruppe fremdenfeindliche Nachrichten ausgetauscht. Nach ähnlichen Enthüllungen in anderen Bundesländern hat jetzt auch die Hauptstadt den Skandal. Aber ist es ein Skandal oder sind die fehlende Betreuung der Beamten, die Fokussierung auf bestimmte Einsatzorte und mangelnde Diversität der wahre Skandal? Ein Kommentar von Jacek Slaski.

Rassismus Berliner Polizei
Wappen der Berliner Polizei. Foto: Imago/Christian Spicker

Berliner Polizisten sollen rassistische und fremdenfeindliche Nachrichten in einer Chatgruppe verschickt haben. Das ist unangenehm und zeugt davon, dass sich rechtes Gedankengut in weiten Kreisen der Gesellschaft breit macht. Dafür sprechen auch die Wahlerfolge der AfD, die Normalisierung rechter Hass-Kommentare in den sozialen Medien oder die Übernahme übergreifender gesellschaftlicher Debatten, wie etwa um den Bau der Tesla-Gigafactory oder die Kritik an den Corona-Maßnahmen, durch Rechte und Rechtsradikale.

Eine Lanze für die Berliner Polizisten brechen

Damit wir uns nicht falsch verstehen, rechtes Gedankengut ist eine Gefahr für die Demokratie und ein beängstigendes Signal in einem Deutschland des 21. Jahrhunderts. Auch und vor allem wegen der besonderen Verantwortung, die das Land aufgrund seiner Geschichte trägt.

Und doch muss ich hier mal eine kleine Lanze für die Polizisten brechen. Ich kenne die Beamten nicht, ich weiß nichts von ihnen und die Dinge, die sie verzapft haben, sind vermutlich geschmacklos, diskriminierend und ekelhaft. Dennoch muss man sich fragen, warum Leute, deren Arbeit es ist, für Recht und Ordnung zu sorgen, nach rechts abdriften.

Einfach nur „Nazis raus“ und „Bullenschweine“ zu rufen ist einfach

Einfach nur „Nazis raus“ und „Bullenschweine“ zu rufen ist einfach und funktioniert aus einer linkssentimentalen Haltung heraus recht gut. Man stellt sich moralisch über die rechten Dreckschleudern in Uniform und die Welt ist schön.

Ich versuche mal, es mir nicht so einfach zu machen und stelle mir die Frage: Warum verzapfen die Polizisten rechte Nachrichten? Was passiert mit jenen Polizisten, die sich zum Beispiel mit Clan- und Drogenkriminalität beschäftigen und die immer wieder mit dem gleichen Täterprofil konfrontiert sind. Mit türkisch- oder arabischstämmigen Kriminellen etwa.

Daraus resultiert ein ungeheurer Frust – auch bei der Berliner Polizei selbst

Sie werden in ihrem Arbeitsalltag beleidigt, bedroht, bespuckt und weiß Gott was sonst noch. Das sind die Einsatzerfahrungen, die sie auf den Berliner Straßen machen und daraus resultiert ein ungeheurer Frust. Wer das nicht begreift und von den Polizisten fordert, ihren Frust an der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ oder dem „Manifest der antifaschistischen Intellektuellen“ abzugleichen, ist ein hoffnungsloser Träumer.

Rassismus Berliner Polizei - Polizisten im Einsatz. Foto: Imago/C. Hardtx/Future Image
Polizisten im Einsatz. Foto: Imago/C. Hardt/Future Image

„Die Polizisten sehen nur einen Teil der Wirklichkeit und schließen darauf auf alle“, lautet das Argument. Die Polizisten sehen also türkische und arabische Gangster und sagen, alle Türken und Araber sind blöd und werden dann zu Rassisten. Verkürzt wäre das die Entwicklung, mit der man sich als linksliberaler Mensch kaum anfreunden kann. Doch genauso funktioniert es. Leider.

Das Problem ist, die Polizisten sehen nicht „einen Teil der Wirklichkeit“, sondern der Einsatz ist ihre Wirklichkeit. Den Rest des Lebens verbringen sie vermutlich nicht am Institut für Islamwissenschaften, sondern am Grill oder vor dem Fernseher. Was sie im Einsatz erfahren, ist ihr Leben.

Fehlende psychologische Betreuung bei der Berliner Polizei

Man muss aufgrund dieser Erfahrung nicht fremdenfeindlich werden, aber man kann es und der Weg dorthin ist nicht weit. Erschwerend kommt hinzu, dass die Berliner Polizisten mit ihrem Frust, der Überforderung und den Erfahrungen von Bedrohung und Demütigung völlig allein gelassen werden. Es existiert keine interne Stelle, die sie diesbezüglich betreuen würde. Die Einrichtung einer psychologischen Beratung bei der Berliner Polizei, die auf diese Problematik sensibilisiert ist, könnte einen Schritt in die richtige Richtung bedeuten, um rechten Tendenzen beizukommen.

Ein weiteres Problem ist die Tatsache, dass die Polizisten zu lange in den gleichen Bereichen arbeiten und dadurch tatsächlich nur einen Teil der Realität sehen. Sie sehen also, um dem Beispiel zu folgen, nur Clan-und Drogenkriminalität und keine Wirtschaftskriminalität oder die Auswüchse in der rechtsradikalen Hooligan-Szene. Dadurch verengt sich der Fokus. Wer immer in Neukölln oder in Wedding im Einsatz ist, der kennt die Verbrecher mit Manschettenknöpfen aus Zehlendorf und Charlottenburg gar nicht.

Mehr Vielfalt und Diversität

Der letzte Punkt ist ein Aufruf, für mehr Vielfalt und Diversität in den Reihen der Berliner Polizei zu sorgen. Sobald mehr Frauen, aber auch Leute mit Migrationshintergrund und verschiedenen sexuellen Orientierungen in den Polizeidienst eintreten, desto schwieriger würde es für rechte Querköpfe, den Ton anzugeben.

Ich wünsche mir mehr Verständnis für die frustrierten Pöbel-Polizisten. Statt „Bullenschweine“ zu rufen, wäre der Ruf nach einer angemessenen psychologischen Betreuung, nach wechselnden Einsatzorten und mehr Diversität in einem attraktiven Arbeitsumfeld der bessere Weg. Denn in einer Stadt ohne Polizei, kann niemand leben wollen, in einer Stadt mit einer besseren Polizei aber sehr wohl.


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