Zum 100. Geburtstag am 8. August 2024 hat der Köpenicker Sänger Romano der S-Bahn ein Ständchen geschrieben. Der Song heißt ganz simpel „S-Bahn fahr’n“ und hat das Zeug zum Ohrwurm. Der Rapper verbreitet auch so gerne gute Laune an Bord und hat mit uns über seine Beziehung zur Berliner S-Bahn gesprochen.
Romano: „Ich habe mein halbes Leben in der S-Bahn verbracht“
tipBerlin: Romano, sprechen wir über deinen S-Bahn Song, den Instant-Klassiker „S-Bahn fahr‘n“. Wie kam es dazu?
Romano: Tolle Sache! 2017 gab es die erste Zusammenarbeit mit der S-Bahn. Ich finde das gut, weil der öffentliche Nahverkehr gut fürs Klima ist, aber auch, weil ich mein halbes Leben in der S-Bahn verbracht habe. In der Kindheit, in der Jugend, in den Westen rüber, durch den Osten, zur Berufsschule, später zum Job. Ich habe meine Lehre am Zoo gemacht, bin immer hin und her gefahren. Quer durch die Stadt. Da entstehen viele Situationen in der S-Bahn, viele Erlebnisse. Man hat einfach viel Lebenszeit in der S-Bahn verbracht.
tipBerlin: Erzähl mal von deinen Erlebnissen, was ist denn so passiert, auch mal geprügelt?
Romano: Es war kurz davor, aber ich habe es abgewendet. Das begann vorm Café Moskau und ich kam von einer Party, die ersten Bahnen sind wieder gefahren, so um vier, ich war am Bahnhof mit einem Kumpel und seiner Freundin und habe zwei Typen gesehen. Einen kleinen und so einen sehr großen, stämmigen, und der Kleine hat den Stämmigen gestützt und das war für mich eine totale Lachnummer, ich habe hingeguckt und musste grinsen. So, und der Kleine hat schon aggressiv alle Leute angehauen nach Zigaretten. Hast du mal eine Kippe? Die beiden kommen an und sagen zu mir, gib mal Kippe her und so. Und dann sage ich, habe ich nicht. Ey, was soll das?
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Und da habe ich gesagt, ich habe keine Kippe, aber ich kann dir was vorsingen. Worauf hast du denn Lust, soll ich dir was rappen oder hast du Bock auf Schlager oder eher was aus dem Dance-Bereich? Und der Typ meinte, rapp mal. Das war mir klar, da habe ich dem was vorgerappt und die fanden das so cool, die wollten mit mir abhängen, aber ich wollte mit denen nicht abhängen. Das heißt, jetzt hatte ich die auf der Uhr, wir sind in die Bahn eingestiegen, Jannowitzbrücke, und die wollten Warschauer eigentlich aussteigen. Das heißt, ich hatte nicht viel Zeit, die zu überzeugen, dass sie Warschauer aussteigen und nicht mit mir bis nach Köpenick durchfahren. Ich habe mir die irrsten Geschichten ausgedacht und es irgendwie geschafft, die loszuwerden.
tipBerlin: Elegant gelöst. Aber das nächste Mal lieber fremden Menschen nichts vorrappen, oder?
Romano: Ah was! Ich erzähle schnell noch zwei andere Erlebnisse. Ich sitze einem Typ gegenüber, der holt plötzlich sein großes Küchenmesser raus und ich denke, das ist krass, jemand holt ein großes Küchenmesser raus. Der Typ fängt dann an, sich damit seine Fingernägel sauber zu machen, ganz genüsslich und konzentriert, und der wirkte gar nicht so, als wenn er mich schocken wollte. Der war vollkommen ruhig und in seiner eigenen Welt. Das nächste Ding. Eine wirklich bildhübsche Frau, es ist Sommer, sie in ihrem Sommerkleid, steht vom Sitz auf, geht zum Ausgang, Ostkreuz, ein Typ rennt hin und riecht an der Stelle, auf der sie gesessen hat. Guckt um sich, merkt natürlich, dass er ertappt wird, ist pikiert, setzt sich wieder und guckt aus dem Fenster. Ganz absurde Geschichte.
Der Song „S-Bahn fahr’n“ ist nicht die erste Zusammenarbeit von Romano und der S-Bahn
tipBerlin: In der S-Bahn trifft sich die ganze Stadt, mit all ihren Höhen und Tiefen.
Romano: Die Leute brechen dort manchmal aus dem Kreis der Routine aus, das kann daneben sein oder gefährlich, aber es passiert irgendwas, was nicht von dieser Welt ist und das hatte ich einige Mal in der S-Bahn. Und ich habe natürlich auch schon mal in der S-Bahn geflirtet, Blickkontakt gehabt, mich zusammengenommen und bin zum Mädel rüber, Telefonnummer ausgetauscht. Alles so weit super, ich war aber noch ein bisschen grün hinter den Ohren und da hat sich das ein bisschen verlaufen. Trotzdem hatten wir drei schöne Dates und haben auch schon geknutscht.
tipBerlin: Und weil du so viele S-Bahn-Erfahrungen hast, wurdest du gebeten, einen Song zum Jubiläum zu machen?
Romano: Mit der S-Bahn arbeite ich immer wieder zusammen. Eine geile Idee war mal so ein Pappaufsteller von mir in Originalgröße, von dem wurden 50 oder 100 Stück in der Stadt verteilt, und wer den in der Bahn dabeihatte, konnte eine Woche lang damit kostenfrei rumfahren. Anfang des Jahres hat die Bahn mich angerufen und gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, einen Song zu schreiben, zum 100. Geburtstag der S-Bahn. Da dachte ich, wow, das ist ein großes Ding, denn es ist jetzt nicht einfach irgendein ein Song, sondern einer zu diesem historischen Jubiläum und da muss man sich schon was Gutes überlegen.
Nach zwei, drei Tagen habe ich den Ansatz gefunden, das war die Kernidee von dem, was es jetzt auch ist. Ein wenig schlagermäßig, so ein Sprechgesang, ein bisschen erzählerisch. Auf jeden Fall hat es dieses leicht schnoddrige und es vermittelt das Gefühl, das ich selbst meistens in der Bahn habe, dieses Tragende, irgendwie so vor sich hingleiten, nicht hetzen, weil du es sowieso nicht beeinflussen kannst. Die Bahn fährt so schnell, wie sie fährt. Das ist schon was anders, als wenn man Auto fährt oder Fahrrad, da sitzt man am Steuer.
tipBerlin: Du fährst selbst immer noch mit der S-Bahn, wirst du oft erkannt?
Romano: Immer wieder mal, aber das ist total sympathisch. Ich bin kein Künstler, der nur mit Sonnenbrille unter die Leute geht und die Kapuze tiefer zieht. Ich komme ins Gespräch und denke jedes Mal, krass, das ist jemand, der steht auf meine Musik, das fühlt sich schon gut an. Dann machen wir zusammen ein Foto oder quatschen kurz.
tipBerlin: Der Schauspieler Kida Khodr Ramadan, der vor einiger Zeit wegen Fahrens ohne Führerschein ins Gefängnis musste, sagte vor Gericht, er könne gar nicht mit der S-Bahn fahren, weil er dafür viel zu prominent sei.
Romano: Das ist eine geile Ausrede. Ich fahre oft mit der S-Bahn, aber ich habe ein Auto, in Köpenick geht das noch. Freunde von mir, die zentraler wohnen, haben oft keins mehr. Hätte ich vielleicht auch nicht. Ich fahre auch mal mit dem Auto in die Stadt, aber ich merke, früher gab es Berufsverkehr, jetzt habe ich das Gefühl, dass eigentlich immer Berufsverkehr ist. In der Stadt ist es immer voller geworden, du findest kaum noch Parkplätze und dann noch die Parkgebühren. Was habe ich letztens gelöhnt? Pro Stunde vier Euro! Kannste gleich Taxi fahren. Da bietet die S-Bahn doch eine Menge Vorteile.
- Am 20.8. könnt ihr Romano live erleben: Bei der tipBerlin-Reihe „tracks & talk“ im FluxBau gibt Romano ein exklusives Konzert und spricht mit unserem Musikredakteur Jacek Slaski über seine besten S-Bahn-Erlebnisse. Tickets und mehr Infos gibt es hier.
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Berlin feiert 100 Jahre S-Bahn: Alle Infos und Termine zum Festival „S dreht sich um Berlin“. Das Berliner S-Bahn-Museum erzählt Stadtgeschichte: Zum S-Bahn-Geburtstag gibt es auch eine neue Ausstellung. Sein Buch über die Geschichte der S-Bahn erscheint pünktlich zum Jubiläum: S-Bahn-Experte Karsten Risch im Gespräch. Der Nahverkehr verkörpert die Stadt: Wir erzählen die Geschichte der S-Bahn. Ihr wollt wissen, was auf Berlins Bühnen aktuell abgeht? Wir haben für euch die besten Konzerte der Woche. Immer gut über das Leben in Berlin informiert: Abonniert jetzt unseren tipBerlin-Newsletter.