Rassismus ist ein globales Problem, das auch in Berlin existiert. Viele Initiativen, Vereine und Kultureinrichtungen sorgen für Aufklärung. Immer noch gibt sich hierzulande die weiße Mehrheitsgesellschaft überrascht, wenn Schwarze Menschen Rassismus erfahren oder wenn es um die Verheerungen des deutschen Kolonialismus geht.
Dabei bietet gerade eine Stadt wie Berlin zunehmend Möglichkeiten, sich aus erster Hand zu informieren. Zahlreiche Initiativen, Vereine, aber auch Kultureinrichtungen laden dazu ein, Klischees und Stereotype zu hinterfragen. Wobei einige wenige von ihnen als exklusive Schutzräume für den Austausch Schwarzer Menschen dienen.
Wer sich gegen Rassismus einsetzen will, kann sich auf Veranstaltungen inspirieren und schlauer machen lassen, den Vereinen und anderen Einrichtungen Geld spenden oder ihre Publikationen abonnieren
Allgemein
AfricAvenir Berlin
Die Nichtregierungsorganisation wurde 1985 von Prinz Kum’a Ndumbe III, einem Professor für Politologie, der auch an der FU-Berlin tätig gewesen war, zunächst in Douala, Kamerun gegründet. 2000 folgte die deutsche, 2007 die namibische und 2012 die beninische Sektion. Ihr Ziel ist politische Bildung, Wissensproduktion und -verbreitung aus afrikanischer Perspektive sowohl in Afrika als auch in Europa. In Berlin lädt die Organisation u.a. zu Film- und Diskussionsabenden, Workshops oder Bildungsreisen ein.
Kamerunerstr.1, Wedding, Tel.: 26 93 47 64, africavenir.org/de
Audre Lorde in Berlin
Von Anfang der 1980er bis Anfang der 1990er Jahren hielt sich die Schwarze Amerikanerin, Poetin, Lesbe, Kämpferin und Mutter wiederholt längere Zeit in Berlin auf, u.a. als Dozentin an der FU-Berlin. Ihr Einsatz für die Vernetzung von bis dahin vereinzelt lebender Schwarzer Menschen in Berlin und Deutschland wird als die Initialzündung für die hiesige Schwarze Bewegung gesehen.
Die Webseite bietet eine Online-Reise zu wichtigen Stationen Audre Lordes in Berlin, jeweils mit Hintergrundinformationen. audrelordeberlin.com
Berlin Postkolonial
Die 2007 in Berlin gegründete Nichtregierungsorganisation hat sich die kritische Aufarbeitung der Kolonialgeschichte sowie die Offenlegung postkolonialer und rassistischer Denk- und Gesellschaftsstrukturen der Gegenwart zur Aufgabe gemacht. Sie lädt u.a. zu Stadtführungen ein, engagiert sich für Straßenumbennnungen oder mischt sich in die Debatte um das Humboldtfforum ein.
Kamerunerstr.1, Wedding, facebook.com/berlinpostkolonial/
ISD Bund e.V.
Die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland Bund e.V. entstand Mitte der 1980er Jahre u.a. in Berlin und war die Initialzündung, sich gemeinsam vor allem gegen strukturellen Rassismus einzusetzen: „Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht die Interessen Schwarzer Menschen in Deutschland zu vertreten und für Gerechtigkeit in der Migrationsgesellschaft einzustehen“, heißt es auf der Webseite. In diesem Zusammenhang werden rassistische Diskriminierung, Benachteiligungen und Ausbeutung aufgezeigt und bekämpft. Außerdem Räume und Aktivitäten für Schwarze Kinder- und Jugendliche geschaffen sowie politische, Schwarze Projekte gefördert.
Lausitzer Straße 10, Kreuzberg, Tel. 69 81 70 21, isdonline.de
RomaniPhen e.V.
Der Verein von Romnja* und Sintezzi* arbeitet feministisch, rassismuskritisch und empowernd. Die teils auch Schwarze Selbstorganisation ist vornehmlich im Bildungsbereich, in der Wissens- und Kulturproduktion tätig und wendet sich gegen Gadjé-Rassismus, also Rassismus gegen Rom*nja und Sint*ezza, genauso wie gegen Rassismus gegen People of Color sowie gegen Frauenfeindlichkeit. Im Rahmen außerschulischer, historischer und politischer Bildung werden rassismuskritische Fortbildungen von Fachkräften und Multiplikator*innen organisiert und Bildungsmaterialien erarbeitet.
Karl-Kunger-Str.17, Treptow, Tel.: 62 96 30 83, romnja-power.de
Medien
Afrika Medien Zentrum e.V.
Der Verein fördert den interkulturellen Austausch unter Afrikaner*innen mit ihren unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, sowie den Austausch mit der Mehrheitsgesellschaft. Zudem setzt er sich gegen Rassismus und Diskriminierung durch interkulturelle Bildung und eine faire Darstellung des Afrika-Bildes in Deutschland ein. Unterstützt wird dies durch eine Ausleihbibliothek (derzeit nur gezielt nach Anmeldung besuchbar) vorwiegend mit Werken Schwarzer Autor*innen sowie durch Workshops, Diskussionen und Vorträge (derzeit nur online). Das Afrika Medien Zentrum ist Herausgeber der Zeitschrift LoNam und Veranstalter des jährlichen Kenako-Afrika Festivals.
Großkopfstraße 6-7 (Nähe U6-Bhf. Kurt-Schumacher-Platz), Wedding, amz-berlin.de
Buchhandlung Interkontinental
Obwohl das Interesse an Literatur und Sachbüchern Schwarzer Autor*innen in den vergangenen Jahren auch in Deutschland rasant gewachsen ist, ist es in gängigen Buchhandlungen immer noch schwierig, eine zufrieden stellende Auswahl an Titeln vorzufinden. Mit der Buchhandlung Interkontinental wird diese Nische nun besetzt, hier finden sich Romane, Sachbücher oder auch Kinderliteratur afrikanischer und afrodiasporischer Autor*innen. Regelmäßig wird zudem zu Lesungen eingeladen. Die Macher*innen von Interkontinental veranstalten zudem einmal jährlich das African Book Festival.
Sonntagstr. 26, Friedrichshain, Tel.: 58 73 94 61, interkontinental.org
LoNam
Seit nunmehr 15 Jahren berichtet die von Hervé Tcheumeleu gegründete, zweimonatlich vom Afrika Medien Zentrum herausgegebene Zeitschrift LoNam (kamerunische Sprache Feefee: „Sonnenaufgang“) in deutscher Sprache sowohl über Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur afrikanischer Länder wie aus der Diaspora.
Missy Magazine
Das in Berlin herausgegebene Print- und Online-Magazin für Pop, Politik und Feminismus betrachtet seine Sujets gemäß seinen Autor*innen vorwiegend aus LGBTQ- und People-of-Color-Perspektive, was stets zu gleichermaßen überraschenden, wie erhellenden Einblicken führt.
RosaMag
Frauen- beziehungsweise Lifestyle-Magazine gibt es im deutschen Sprachraum off- und online gefühlt wie Sand am Meer. Schwarze Frauen tauchen dort jedoch allenfalls als Randerscheinungen auf. Ein Zustand, der dringend geändert gehört, entschied die Berlinerin Ciani-Sophia Hoeder. Seit Januar 2019 pupliziert sie zusammen mit einem neunköpfigen Team das Online-Magazin RosaMag. Mit dem Fokus auf Schwarze Frauen geht es darin um Fashion, Kultur und Kosmetik. In Interviews und Reportagen werden zudem aktuelle Themen verhandelt und spannende Frauen vorgestellt.
The African Courier
Das 1998 in Süddeutschland und seit rund fünf Jahren in Berlin ansässige Magazin berichtet in englischer Sprache über Politik und Gesellschaft unterschiedlicher afrikanischer Länder sowie über afrodiasporische Erfahrungen weltweit. Mit seiner – seit drei Jahren ausschließlich online erscheinenden – Zeitschrift will ihr Gründer Femi Awoniyi den in Europa vorherrschenden eindimensionalen Afrikabildern von Krankheit, Armut und Kriege, realistische und vielfältige Perspektiven entgegensetzen. Neben Bereichen wie „Africa“, „Europe“ oder „Business and Development“ werden unter „My life in Germany“ und „Black People in Germany“ regelmäßig authentische Erfahrungsberichte veröffentlicht.
Jagowstr. 24, Spandau, Tel.: 23 00 74 40, theafricancourier.de
Tupodcast
Die Schwarze Berliner Antirassismustrainerin und Autorin des mittlerweile zum Standardwerk avancierten Buches „Exit Racism“ (Unrast Verlag) unterhält sich in diesem Podcast mit Schwarzen Frauen, darunter Musikerinnen, Psychologinnen, Politikerinnen. Der Podcast bietet gleichermaßen spannende wie intime Einblicke in die Entwicklungen der jeweiligen Gesprächspartnerinnen, wie sie wurden, was sie sind. Trotz oder wegen rassistischer Anfeindungen, die alle auf die eine andere andere Art erlebt haben und noch erleben.
Veranstaltungen
African Book Festival
Einmal jährlich versammelt das African Book Festival Schwarze literarische Newcomer*innen genauso wie bereits etablierte Buchautor*innen zu Lesungen, Performances, Diskussionen und Workshops. Die Ausgabe im April 2020 musste corona-bedingt allerdings gestrichen werden, nun freuen sich die Programmmacher*innen auf die Ausgabe für 2021, die vom 16.-18. April 2021 stattfinden soll.
Afrikamera
Seit 2008 werden einmal jährlich im Spätherbst auf dem Filmfestival Afrikamera neue Spiel-, Kurz- und Dokumentarfilme zu Schwerpunktthemen vom afrikanischen Kontinent – oft in Anwesenheit von Regisseur*innen oder Schauspieler*innen – präsentiert. Trotz Corona wird Afrikamera auch 2020 stattfinden. Ob am Stammspielort, dem Arsenal, oder im digitalen Raum, steht zur Stunde noch nicht fest. Das Schwerpunktthema dagegen schon: Es geht um „Urban Africa, Urban Movies – Politics & Revolution“.
African Food Festival
Wie vielfältig und kreativ die Küchen von Ländern wie Ghana, Kenia oder Uganda ist, konnte man in Berlin in den vergangenen Jahren beim African Food Festival erschmecken. Liane Kobe und Kwame Owusu, die Veranstalter*innen, nutzen ihr Festival mit Konzerten und (Verkaufs-)Ausstellungen aber auch als Plattform zur Präsentation aktueller Strömungen im Bereich Musik, Mode, Kunst, Design und Literatur. Coronabedingt kann das Festival, zu dem im vergangen Jahr rund 8.000 Besucher*innen kamen, 2020 nicht in der bislang bekannten Weise stattfinden. Stattdessen sind „Dinners unplugged“, eine Art Pop-up-Dinner geplant. Außerdem jeden zweiten Monat ein Black Business Dinner als Event zur gegenseitigen Vernetzung. Ab Ende Juli, Anfang August soll zudem der African Designer Market im The Student Hotel an der Jannowitzbrücke in Berlin-Mitte starten. Infos demnächst auf der Webseite bzw. in den entsprechenden sozialen Netzwerken.
africanfoodfestival.de, facebook.com/africanfoodfestivalberlin/
Afrika Haus Berlin
Bis zu 80 Gästen bietet das Afrika-Haus regelmäßig Raum für Diskussionsrunden, Filmvorführungen, Buchpräsentationen, Theateraufführungen, Ausstellungen und musikalische Darbietungen. Die Schwerpunkte des 1993 von Oumar Diallo eröffneten Hauses liegen auf Geschichte, Politik, Literatur und Philosophie Afrikas sowie auf Fragen zu den afrikanisch-europäischen Beziehungen.
Bochumer Str.25, Moabit, Tel.: 392 20 10, afrikahaus-berlin.de
Ballhaus Naunynstraße
Das Theater im Kreuzberger Kiez ist weit über Berlins Grenzen hinaus bekannt für seine postmigrantische Perspektive. Neben Stücken von Schwarzen und People of Color Autor*innen/ Regisseur*innen, die hier zu sehen sind, wird der (Bühnen-) Nachwuchs in der Akademie der Autodidakten gefördert und empowered
Naunynstr. 27, Kreuzberg, Tel.: 34 74 598-42, ballhausnaunynstrasse.de.
Black International Cinema Berlin
Im Rahmen des europaweit ersten „Black Cultural Festival“ 1986 in Berlin fand mit Unterstützung von Erika und Ulrich Gregor auch das erste „Black international Festival Berlin“ im Arsenal statt. Urheber waren die amerikanischen Künstler Donald Griffith, Gayle McKinney, Ricky Powell, Lynnda Curry ihr deutscher Kollege Detlef Bäcker vom Fountainhead® Tanz Théâtre Berlin. Den Programmmacher*innen war nicht nur die Schwarze Perspektive, sondern von Anfang an auch Intersektionalität ein wichtiges Anliegen, weshalb sie u.a. auch queeren Filmmacher*innen eine Plattform zur selbstbestimmten Darstellung von Lebensrealitäten bieten. Das Filmfestival findet üblicherweise im Mai statt.
black-international-cinema.com
Kenako Afrika Festival
Ursprünglich fand das Kenako Afrika Festival stets nicht nur in der Mitte Berlins auf dem Alexanderplatz, sondern mit dem Veranstaltungsmonat Juli auf mitten im Jahr statt. Coronabedingt wurde das mehrtägige Festival nun auf den September verschoben. Neben kostenlosen Open-Air-Konzerten, Marktständen mit afrikanischem Kunsthandwerk und Leckereien, stehen bei Diskussionen und Vorträgen auch ernste Themen auf dem Programm: Die Auswirkungen der deutschen Kolonialgeschichte etwa oder die Frage nach der tatsächlichen Unabhängigkeit afrikanischer Staaten.
Alexanderplatz, 3.-13.9., www.kenako-festival.de
SAVVY Contemporary
Ob Pointilismus oder Pop-Art: Jahrhundertelang wurden nur solche Werke als echte Kunst akzeptiert, die ihren Ursprung bei weißen, europäischen und nordamerikanischen Künstler*innen hatten. Mit seiner erst in Neukölln, aktuell nun im Wedding ansässigen Galerie/ dem Projektraum SAVVY Contemporary hat der Kurator Bonaventure Soh Bejeng Ndikung den Blick auf deutlich globalere Positionen erweitert.
Eingang: Plantagenstr.31 (Postadresse: Gerichtstr.35), Wedding, savvy-contemporary.com
Familie
Joliba – Interkulturelles Netzwerk Berlin e.V.
Der von der Historikerin, Buchherausgeberin („Farbe bekennen“) und Aktivistin Katharina Oguntoye gegründete Verein ist ein anerkannter freier Träger der Eingliederungshilfen und widmet sich der Konzeptualisierung und Durchführung von psycho-sozialen Angeboten für Kinder, Jugendliche und Familien im interkulturellen Bereich, insbesondere für afrikanisch-deutsche Familien. Die dabei zugrunde liegenden Konzepte beziehen die spezifischen Erfahrungen der Interkulturalität, der Migration, Kriegs- und Fluchterfahrung sowie Diskriminierungs- und Rassismuserfahrung ein. Auf dem Programm stehen außerdem Kinderfeste, Elternkindgruppen, Ausstellungen, Lesungen und Seminare.
Görlitzer Straße 70, Kreuzberg, Tel.: 695 651 49, joliba-online.de
Von und vorwiegend für Schwarze Menschen
Generation Adefra
Adefra e. V. – Schwarze Frauen in Deutschland ist ein kulturpolitisches Forum von und für Schwarze Frauen und seit Mitte der 1980er Jahren maßgeblich für die Entstehung einer Schwarzen Bewegung in Deutschland verantwortlich. Relevante Publikationen wie „Farbe bekennen. Afro-Deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte“ (Orlanda Verlag) entstanden im Zusammenhang mit Adrefra e.V..
Potsdamer Str.139, Schöneberg, adefra.com
AfroPolitan Berlin
Die 2016 vom interkulturellen Verein Forum Brasil ins Leben gerufene Initiative steht unter dem Motto „Community. Knowledge. Resilience“. Dementsprechend richtet sich die Mehrheit der Angebote, darunter Workshops, Seminare oder Gesprächsgruppen u.a. zu Themen wie Polizeigewalt, aber auch Rassismuserfahrungen etwa beim Daten, ausschließlich an Schwarze (junge) Menschen. Allerdings finden punktuell auch Events statt, die für alle Interessierten offen sind, wie z.B. Filmscreenings, Panels oder andere Kulturveranstaltungen. Coronabedingt finden die Gesprächsgruppen derzeit online statt.
Möckernstr.72, Kreuzberg, Tel.: 78 09 60 54, afropolitan.berlin
Each One Teach One (EOTO)
Das Community-basierte Bildungs- und Empowerment-Projekt wurde 2012 in Berlin gegründet, seit März 2014 existiert seine Schwarze Kiez-Bibliothek, die seither ein Ort des Lernens und der Begegnung ist und die allen Interessierten offen steht (in Corona-Zeiten nur nach vorheriger Anmeldung). . EOTO e.V. setzt sich gemeinsam mit anderen Organisationen für die Interessen Schwarzer, Afrikanischer und Afrodiasporischer Menschen in Deutschland und Europa ein, bietet vor allem Schwarzen Jugendlichen eines Ort des Erfahrungsaustauschs und Empowerments.
Togostr.76, Wedding, Tel.: 51 30 41 63, eoto-archiv.de
Es gab Kritik an der großen Black-Lives-Matter-Demo – der Vergleich mit der Boot-Demo war großer Unfug. Ihr wollt euch zum Thema Antirassismus weiterbilden? Wunderbar: in den letzten Jahren sind auch in Deutschland einige empfehlenswerte Bücher zum Thema erschienen. Eine kleine Auswahl hat „She said“ zusammengestellt: Berlins neue Frauenbuchhandlung, die ihren Fokus auf Autorinnen und queere Literatur setzt.