Flussbad Berlin ist ein Verein, der Berliner:innen den Sprung in den Spreekanal ermöglichen will. Bislang beschränkt sich das kopfüber-in-die-Spree-hüpfen größtenteils auf Wünsche an heißen Sommertagen. Das war nicht immer so. Mittlerweile sind 99 Jahre seit der Schließung der letzten Flussbadeanstalt in Berlin vergangen. Mit Blick auf die Olympischen Spiele in Paris und Sportwettkämpfen in der Seine, 101 Jahre nach dem dort verhängten Badeverbot, stellt sich die Frage: Wann ist es auch in Berlin endlich so weit? Zumindest laut Flussbad Berlin könnte es noch diese Saison losgehen.
Schwimmen in der Spree: Das sind die Pläne des Vereins Flussbad Berlin
Seit 2012 arbeitet der Verein Flussbad Berlin an dem Stadtentwicklungsprojekt, das die Nutzung des etwa 1,9 km langen, ungenutzten Spreekanals in der historischen Mitte Berlins ermöglichen möchte. Direkt im Herzen der Stadt soll von der Monbijoubrücke bis zur Fischerinsel der öffentliche Raum für alle neu erlebbar gemacht werden. Geplant sind ein Schwimmbereich von der Monbijoubrücke bis auf die Höhe des ehemaligen Staatsratsgebäude der DDR, einem Filterbereich weiter flussaufwärts bis zur Gertraudenbrücke und einem naturnahen Wasserlauf, der sich bis zur Inselbrücke erstrecken soll. Ufertreppen sollen die Spree zugänglich machen, die Wasserqualität verbessert werden und das Schwimmen wieder möglich sein. So der Plan. Doch was ist der Stand der Dinge?
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Stand der Dinge
„Das Schwimmen in der Spree, auch mitten in Berlin, könnte noch in dieser Saison starten, wenn die Politik endlich handeln würde.“, so Flussbad Berlin am 12. August. Diese Aussage steht jedoch in Kontrast zu den tatsächlichen Entwicklungen und Planungen. Einerseits gibt es Fortschritte bei der Infrastruktur: Die Finanzierung der Freitreppe „Schlossfreiheit“ am Humboldt Forum, die als eine von drei geplanten Einstiegsstellen zum Schwimmen vorgesehen war, hat bereits die entscheidende Hürde im schwarz-roten Senat genommen. Laut Flussbad Berlin soll die Realisierung dieser Freitreppe bis Ende 2026 erfolgen.
Andererseits zeigen sich Diskrepanzen zwischen den Vorstellungen des Vereins und den offiziellen Planungen der Stadtverwaltung. Der genehmigte Bauplan der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sieht die Freitreppe am Humboldt Forum nicht als Einstiegsstelle vor, sondern lediglich als Aufenthaltsort am Wasser. Stattdessen sind Einstiegsmöglichkeiten auf Höhe des ehemaligen Staatsratsgebäudes der DDR sowie des Bode-Museums geplant.
Trotz dieser Abweichungen von den ursprünglichen Ideen setzt sich Flussbad Berlin weiterhin für eine ins Wasser führende (Holz-)Verlängerung der Freitreppe am Humboldt Forum ein, auch wenn bisher keine konkreten Fortschritte in dieser Richtung erzielt werden konnten. So läuft es mit den baulichen Maßnahmen. Wie steht es um die Wasserqualität?
Schwimmen im Spreekanal: Wasserqualität (un)zulänglich?
Die Wasserqualität stellt neben den bislang fehlenden Einstiegsstellen, Umkleiden, Duschen, WCs und Schließfächern ein weiteres Hindernis dar. Damit in Zukunft sicher geschwommen werden kann, plant Flussbad Berlin, ein innovatives Prognosesystem zur Bestimmung der Wasserqualität der Spree einzusetzen. Dieses soll anzeigen, wann das Wasser sauber genug ist und nur dann den Zugang freigeben. Jahrelange Forschung und verschiedene Maßnahmen zur Wasserreinhaltung, darunter eine spezielle Filteranlage, sollen es möglich machen. Klingt ziemlich kompliziert und aufwändig. Wo liegt das Problem?
Problematisch ist, dass die Wasserqualität der innerstädtischen Spree extrem schwankt. Bei Starkregen flutet die Kanalisation, was dazu führt, dass ein Gemisch aus etwa 90% Regenwasser und 10% ungeklärtem Abwasser samt Fäkalien aus der Kanalisation in die Spree überläuft. Dann können die Keimwerte die gültigen Grenzwerte für Badegewässer um mehr als das 100-fache überschreiten. Sind diese Hürden unüberwindbar?
Paris stand vor dem gleichen Problem. Überflutung der Kanalisation bei Regen, aber auch 23.000 Wohnungen und 260 Hausboote, die bislang nicht an die Kanalisation angeschlossen waren, waren nur einige Hürden die genommen werden mussten. Die Stadt investierte 1,4 Milliarden Euro in Kläranlagen, Abwassersysteme und Regenrückhaltebecken im Großraum Paris, um die Seine olympiareif zu machen. Und doch lief nicht alles glatt. Über Tage hinweg war das Wasser trotz aller Investitionen zu schmutzig zum schwimmen und einige Sportler:innen hatten mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen.
Immerhin soll die Seine nach Olympia, ab 2025, von Pariser:innen und Besucher:innen zum Schwimmen genutzt werden dürfen. Dann hätten sich die Milliarde vielleicht gelohnt. Günstiger soll der Badespaß im Spreekanal sein. Flussbad Berlin prognostizierte die Kosten 2018 auf 68,6 Millionen Euro. Derzeit geht Flussbad Berlin von einer einfacheren und leichteren Realisierung des Projektes aus und rechnet mit einem Einsparpotential von circa 20%. Also ein richtiges Schnäppchen im Vergleich zu Paris.
Außerdem argumentiert Flussbad Berlin, dass in Teilen der Spree sofort mit dem Schwimmen begonnen werden könnte, ohne dass weitere Investitionen in gewässerverbessernde Maßnahmen nötig wären. „Das Haupthindernis in Berlin ist nicht die Wasserqualität, sondern die Verwaltung, die passiv am Badeverbot festhält, anstatt aktiv Wege eröffnet, um das Baden wieder zu ermöglichen.“, so Flussbad Berlin. Der Verein fordert eine Änderung der Badegewässerverordnung und die Einführung eines Echtzeit-Wasserqualitätsmonitoringsystems, ähnlich zu dem, das bereits für Teile der Unterhavel existiert.
Änderung der Badegewässerverordnung?
Flussbad Berlin argumentiert, dass eine Änderung der Badegewässerverordnung aus mehreren Gründen möglich und sinnvoll wäre. Die aktuelle Verordnung basiere auf einem veralteten Ansatz, der nicht mehr den modernen Erkenntnissen und technologischen Möglichkeiten entspräche. Die Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz (UMVK) könne die Verordnung mit geringem Aufwand ändern, da die gültige EU-Richtlinie ausreichend Spielraum biete. Andere Bundesländer wie Bayern und Schleswig-Holstein haben laut Flussbad Berlin bereits fortschrittlichere Badegewässerverordnungen, die als Vorlage dienen könnten. Flussbad Berlin betont, dass diese Änderungen nicht nur möglich, sondern auch notwendig seien, um Berlin an moderne internationale Standards anzupassen und das Potenzial der Spree als urbanes Gewässer voll auszuschöpfen.
Forschung durch Flussbad Berlin
Trotz dieser Herausforderungen zeigen die kontinuierlichen Messungen von Flussbad Berlin, dass der Spreekanal, abgesehen von Starkregen- und Überlaufereignissen, überwiegend eine gute bis sehr gute Wasserqualität aufweist. Diese Bewertung basiert auf Untersuchungen von Escherichia-Coli-Bakterien und intestinalen Enterokokken, die auf fäkale Verunreinigungen hinweisen. Die Ergebnisse des 2017 gestarteten, 4,5-jährigen Programms zur Erforschung und Verbesserung der Wasserqualität zeigen, dass mit einer Verringerung der ursprünglich geplanten Filterfläche um 60% eine ausreichende Wasserqualität zum Baden erreicht werden kann. Möglich macht das eine Optimierung des technischen Konzepts. Darüber hinaus kann auf eine aufwändige Rohrführung zur Hochwasserabfuhr verzichtet werden und auch der Neubau des bestehenden Wehrs im Spreekanal ist nicht zwingend notwendig.
Bei Starkregen samt Überlauf der Kanalisation können laut Forschung Flussbad Berlins zwei hintereinander liegende Reinigungsverfahren mit einem Steuersystem kombiniert werden, welches im Bedarfsfall den Zulauf zum Badebereich kurzzeitig unterbricht oder die Zuschaltung der zweiten Reinigungsstufe auslöst. So zeigt die Forschung von Flussbad Berlin, dass in Zukunft im Spreekanal gebadet werden könnte. Einst war dies schon Realität.
Geschichte des Spreekanals
Im Laufe der Geschichte erfüllte der Spreekanal verschiedenste Funktionen. In der mittelalterlichen Doppelstadt Berlin-Cölln war der Spreekanal lebensnotwendiger Handelsweg, diente der Nutzung von Wasserkraft für Mühlen und als Graben vor der Stadtmauer zur Verteidigung. Für Schiffe durch die Stadt stellte der Kanal vom 16. bis zum 19. Jahrhundert den Hauptverbindungsweg dar, bis 1894 die Eröffnung der Mühlendammschleuse die östlich der Insel verlaufende Hauptspree für den Schiffsverkehr nutzbar machte.
Wieder in der Spree zu schwimmen, ist ein lang gehegter Wunsch der Berliner:innen. Denn im Spreekanal zu baden, war ab der Mitte des 19. Jahrhunderts durch städtische Flussbadeanstalten möglich. 1925 musste allerdings die letzte Flussbadeanstalt der Stadt aus Gründen der Verunreinigung schließen. Seitdem übernahm der Spreekanal ausschließlich die Funktion der Hoch- und Abwasserzufuhr. Doch es besteht Grund zu Hoffnung, dass es nach rund 100 Jahren wieder heißt: Schwimmverbot im Spreekanal ist SchneeSpree von gestern.
Das Schwimmen in der Spree ist nicht gründsätzlich verboten, doch bis das Flussbad Berlin eröffnet ist ein Besuch der besten Freibäder Berlins oder der Freibäder Brandenburgs, um der Großstadt zu entfliehen, gesundheitlich empfehlenswerter. Auch die beliebtesten Badeseen Berlins und schönsten Brandenburgs bieten an heißen Sommertagen die perfekte Abkühlung. Lieber auf der Spree als in der Spree? Das geht gut mit einem Kanu. Oder auf einem großen Toruidampfer. An, im und auf dem Wasser: Unser großer Wasser-Guide liefert euch den Durchblick.
Ihr seid angetan von der Bademode der 1920er Jahre? Hier könnt ihr noch mehr historische Sommerbilder in Berlin im Laufe der Zeit samt Entwicklung der Bademode sehen. Und auch eine fotografische Zeitreise in die Hallenbäder der DDR bietet interessante Einblicke.