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Sexismus: Diese Veränderungen würden Berlin für Frauen besser machen

Berlin ist zwar progressiver als viele andere Orte in Deutschland und der Welt, Sexismus müssen Frauen trotzdem an jeder zweiten Ecke ertragen. Dabei muss das nicht so sein: Es gibt viele kleine und größere Maßnahmen, die das Leben für Frauen in der Stadt besser machen könnten. Einige Schritte hat Berlin schon getan, zum Beispiel plant die Stadt, neben Pissoirs für Männer auch 24 öffentliche Stehpinkelklos für Frauen zu installieren. Wir haben da ein paar Ideen, von kostenfreien Menstruationsartikeln in öffentlichen Gebäuden bis Werbung fürs Heimwegtelefon.


Antibeinspreiz-Hinweise in der U-Bahn

Sexismus in Berlin: Männer nehmen in den öffentlichen Verkehrsmitteln oft unangemessen viel Platz ein.Foto: Imago/Frank Sorge

Im Sommer ist es oft besonders aufreibend, wenn sich ein Mann in den öffentlichen Verkehrsmitteln neben einen setzt. Dann nämlich schiebt sich kein in Jeans eingepacktes, sondern häufig ein nacktes haariges schweiß-feuchtes Bein über die Trennlinie zwischen den Sitzen. Manspreading haben verschiedene Autorinnen die Praxis getauft. Die Konsequenz solchen Verhaltens: Man selbst rutscht zur Seite, kauert sich zusammen, setzt sich weg, steigt eine Station früher aus.

Die Alternative wäre, die Berührung entweder zu ertragen, vielleicht sogar aktiv dagegen zu halten, um den Passagier neben sich auf die Grenzüberschreitung aufmerksam zu machen. Oder ihn drauf anzusprechen und eine patzige, vielleicht sogar aggressive Antwort in Kauf zu nehmen. Die meisten Fahrgäste sind wahrlich nicht jeden Tag in der Stimmung, derartige Kleinkriege im Alltag in der U-Bahn zu führen. Wie schön wäre es da, wenn BVG und S-Bahn zumindest mit Hinweisschildern darauf aufmerksam machen würden, dass sich dieses raumgreifende Gehabe nicht gehört.


Kostenfreie Menstruationsartikel in öffentlichen Gebäuden

Kostenfreie Menstruationsartikel in öffentlichen Gebäuden könnten das Leben vieler Frauen besser machen. Foto: Imago/Chromorange

Frauen und alle anderen mit Gebärmutter können nichts dafür, dass sie menstruieren. Sie können auch nichts dafür, wenn sie einmal pro Monat mit teils kaum aushaltbaren Schmerzen leben müssen. Sie müssen außerdem jeden Monat Geld für Menstruationsprodukte bei Seite legen, das Männer nicht ausgeben müssen. Seit dem 1. Januar 2020 gibt es zumindest keine Luxussteuer auf Menstruationsprodukte mehr. Aber dass Frauen überhaupt etwas dafür ausgeben müssen, ist angesichts dessen, dass sie meistens sowieso weniger verdienen, ungerecht. Um ihnen das Leben zu erleichtern und für mehr Gerechtigkeit zu sorgen, könnte der Berliner Senat, der sich als progressiv versteht, zumindest in öffentlichen Gebäuden Menstruationsprodukte kostenfrei zur Verfügung stellen.


Mehr Türsteherinnen

Dass das Berghain eine harte Tür hat – geschenkt. Aber es wäre schön, wenn mehr Frauen selektieren würden. Foto: Luka Godec

Für eine Party vor einem Club Schlange zu stehen ist unangenehm genug. Man steht dort mal stundenlang im Regen, mal im Schneesturm, mal in sengender Hitze. Selbst wenn sich das Wetter gnädig zeigt, geraten Clubgänger:innen häufig in brenzlige Situationen, zum Beispiel, wenn der Druck auf die Blase immer größer wird, die Schlange sich aber kaum vorwärts bewegt. Die Krönung folgt dann vor der Clubtür, wenn man sich dem eindringenden Blick und den inquisitorischen Fragen des Türpersonals unterziehen muss, um den Club betreten zu können. Die harte Türpolitik in Berlin hat durchaus ihre Berechtigung – ohne sie würde es in den Clubs zugehen wie in jeder mittelmäßigen Kaschemme an Karneval in Köln. Eine Schraube aber, an der man drehen kann, ist die Personalpolitik an der Tür. Es würde einen großen Unterschied machen, wenn man vor dem Berghain als Frau oder nicht-binäre Person nicht drei männlichen Schränken, sondern öfter mal auch einer Türsteherin gegenüber stehen würde.


Keine sexistische Plakatwerbung mehr

Sexismus in Berlin: Sexistische Werbung ist weniger geworden, taucht aber noch immer im Stadtbild auf.
Sexismus in Berlin: Sexistische Werbung ist weniger geworden, taucht aber noch immer im Stadtbild auf. Foto: Imago/Stefan Zeitz

Berlin verbietet sexistische Werbung auf landeseigenen Flächen. Private Werbetreibende allerdings können zwar für sexistische Werbung gerügt werden, verboten werden kann diese aber nicht. Das bedeutet: Auch wenn Frauen objektifizierende Werbung seltener geworden ist – auch, weil wahrscheinlich immer mehr Unternehmen dafür sensibilisiert sind – taucht sie noch immer im Stadtbild auf. Das Volksbegehren Berlin Werbefrei will Berlin zwar nicht ganz werbefrei machen, dafür aber Vorgaben für Werbung implementieren. Sexistische Werbung im Stadtbild wäre damit ein für alle Mal Vergangenheit.


Heimwegtelefon bekannter machen

Das Heimwegtelefon kann bei gefühlten und echten Gefahrensituationen auf dem Heimweg helfen. Foto: Imago/Gutschalk

Frauen schränken sich ein, weil sie Angst haben, dass ihnen auf dem Heimweg von Männern etwas angetan wird. Das belegt zum Beispiel eine Studie der Stadt Heidelberg: Dort gaben 83 Prozent der Teilnehmerinnen an, im Dunkeln bewusst Umwege in Kauf zu nehmen, 58 Prozent sagten, sie verzichteten aufs Weggehen, wenn sie nicht wüssten, ob sie sicher nach Hause kämen. Trotz der Vorsichtsmaßnahmen, die viele Frauen ergreifen, kommt es immer wieder vor, dass sie in Situationen kommen, in denen sie sich bedroht fühlen. Eine Möglichkeit, dann für mehr Sicherheit zu sorgen, ist das Heimwegtelefon.

Die Mitarbeiterinnen sind sonntags bis donnerstags von 20 bis 24 Uhr und freitags und samstags von 20-3 Uhr unter der Rufnummer 030/12 07 41 82 für Anrufer:innen aus ganz Deutschland erreichbar. Werden sie angerufen, fragen sie nach dem Standort der Anrufenden, lassen sich den weiteren Weg beschreiben und unterhalten sie sich mit einem, bis man sicher zu Hause angekommen ist. Das Heimwegtelefon ist ein unkomplizierter Weg, um das Leben von Frauen ein bisschen angenehmer zu machen. Warum also ist es nicht bekannter und warum überlässt müssen sich Ehrenamtliche darum kümmern, dass es sowas überhaupt gibt?


Mehr Frauenparkplätze

Einfache Maßnahme für mehr Sicherheit: Frauenparkplätze. Foto: Imago/Frank Sorge

Ähnliche Gefahrensituation, andere Gelegenheit: Parkplätze und Parkhäuser gehören zu den Orten, wo Frauen sich häufig um ihre Sicherheit sorgen müssen: weil sie weitläufig sind und oft spärlich beleuchtet. Kurze Wege helfen zur Eingangstür des Supermarkts, des Möbelmarkts, der Tankstelle verringern das Risiko, belästigt oder angegriffen zu werden. Es tut niemandem weh, zusätzlich zu Parkplätzen für Menschen mit Behinderung mehr Parkplätze für Frauen bereitzustellen. Macht’s einfach!


Mehr Licht an dunklen Straßenzügen

Sexismus in Berlin: Dunkle Straßenzüge und Tunnel stellen eine Gefahr dar. Foto: Imago/STPP

Dunkle Straßenzüge sind zwar eher in Dörfern ein Problem, weil die Verwaltungen die Beleuchtung abschalten, um Geld zu sparen. Aber auch in Berlin gibt es sehr dunkle Ecken und Wege. Man denke an den Treptower Park, weite Teile Lichtenbergs oder diese Unterführung nahe der Siemensstadt. Klar muss man abwägen, ob es wirklich noch mehr Lichtverschmutzung bedarf. Auf der anderen Seite aber können mehr Straßenlaternen viel für das Sicherheitsgefühl von Menschen, die sich bedroht fühlen, tun. Innensenatorin Iris Spranger hat das offenbar verstanden und setzt sich für mehr Straßenbeleuchtung in Berlin ein.


Selbstverteidigungskurse für FLINTA

Sexismus in Berlin: Selbstverteidigungskurse können Frauen helfen, Gefahrensituationen zu begegnen. Foto: Imago/Panthermedia/Nomad Soul

„Erzieht eure Söhne, damit ihr eure Töchter nicht mehr schützen müsst!“ lautet eine zeitgeistige Forderung, die seit Jahren auf Twitter und in den Medien die Runde macht. Leider scheint das aber noch nicht bei allen Eltern angekommen, mal abgesehen von all den Männern, die nach patriarchalischem Weltbild erzogen wurden und nun durch die Welt gehen, als gehörte sie ihnen. Und weil das so ist, kann im Ernstfall die Fähigkeit, sich ein selbst zu verteidigen, den entscheidenden Unterschied machen. Wenn Städte, Kommunen oder gleich der Staat solche Kurse nicht finanzieren, sollten sie wenigstens: Werbung für sie machen.


Mehr kiezige Quartiere

Sexismus in Berlin: Alle liebe schöne Kieze, besonders aber profitieren derzeit noch Frauen davon.
Sexismus in Berlin: Alle liebe schöne Kieze, besonders aber profitieren derzeit noch Frauen davon. Foto: Imago/Schöning

Frauen sind in Familien nach wie vor diejenigen, die meist den Löwenanteil der Care-Arbeit und der Koordinierung des Familienalltags übernehmen. Das bedeutet auch: jeden Tag unzählige Wege; von der Kita nach Hause, vom Arbeitsplatz zum Supermarkt, vom Kinderturnen zum Restaurant. Genau diese Zeit fehlt Müttern dann wiederum in der Arbeits- und Freizeit. Praktisch also, wenn die Wege zwischen all diesen Orten möglichst kurz sind. Das ist nur möglich, wenn die Quartiere möglichst kiezig sind, wenn sich in den Häusern also nicht nur Wohnungen befinden, sondern auch Restaurants, Geschäfte oder eben Kitas. „Funktionsgemischtes Quartier“ nennen Städteplaner:innen und Urbanist:innen das Konzept.

In Berlin gibt es schon zum Glück schon viele Kieze. Trotzdem ist es absurd, neue Quartiere nicht nach diesem Modell zu bauen, sondern wie die Europacity an der Heidestraße, die aussieht wie eine wahr gewordene gesichtslose Dystopie. Zum Glück sieht es meist nicht so aus. Diese Kieze in Berlin lieben wir.


Weniger Platz für Autos, mehr Gemeinschaftsflächen

Sexismus in Berlin: Mehr Männer als Frauen fahren Auto, also nehmen auch größtenteils die Fahrzeuge von Männern in der Stadt Platz weg. Foto: Imago/Jürgen Ritter

„Kampf den dauerpräsenten und Platz-klauenden Autos in der Stadt!“ Dieser Forderung schließen sich mit großer Wahrscheinlichkeit mehr Frauen als Männer an. Denn: 2019 gab das Kraftfahrtbundesamt an, dass 62 Prozent der Autos auf Männer zugelassen sind. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass mehrheitlich Frauen den Kürzeren bei der Aufteilung des öffentlichen Raums ziehen. Diejenigen also, die sich, wie oben erwähnt, viel mehr mit Kindern auf den Straßen aufhalten. Ohne Autos würde die Lebensqualität in der Stadt für alle steigen, vor allem aber für Mütter, die den freigewordenen Platz ohne Autos für Begegnungen mit Nachbar:innen und ihren Kindern auf Spielplätzen, an Tischen vor Cafés, auf Sitzgelegenheiten unter Bäumen nutzen könnten. Verschiedene Initiativen wollen Autos Platz nehmen.


Mehr Kita-Plätze

Mehr Kitaplätze kommen allen zugute, besonders aber Frauen. Foto: Imago/Jürgen Ritter

Dass in Berlin Kita-Plätze fehlen, ist ein alter Hut. Mehr Kita-Plätze, angegliedert zum Beispiel an Unternehmen, hätten mannigfaltige Erleichterungen für Eltern und vor allem für Mütter zur Folge. Da wären zum einen die kürzeren Wege, die sie auf sich nehmen müssten, wenn die Kita-Dichte höher wäre. Zum anderen ist es wahrscheinlicher, dass mehr Väter Eltern ihre Kinder zur Kita bringen und von dort abholen, wenn sich die Kita direkt im Unternehmen befindet – was eine mächtige Entlastung für Mütter bedeuten würde.


Noch mehr Stehklos für Frauen

Die Marke Missoir stellt praktische Frauen-Urinale her. Foto: Missoir

Es ist fantastisch, dass Berlin einen Anfang macht und 24 Stehlpinkelklos für Frauen und andere Menschen mit Vagina baut. Viel zu lange hat die Stadt bei der Toilettenplanung keine Rücksicht auf die Bedürfnisse von Frauen genommen. Erst 2020 hatte sich Berlin noch mit Toiletten blamiert, die nur Urinale für Männer haben und obendrein so gebaut sind, dass man ihnen beim Pinkeln zuschauen kann. Natürlich reichen 24 Frauenurinale nicht. Denn während Männer an vielen Stellen in der Stadt gemütlich in den City-Toiletten austreten können, müssen Frauen entweder 50 Cent zahlen, in Restaurants oder Cafés fragen oder in die Büsche pinkeln – eine Ungerechtigkeit, die wie die Pissecken in der Stadt zum Himmel stinkt.


Mehr Stadtplanerinnen

Damit Städte nicht mehr Autos alles unterordnen, deren Straßen Schneisen durch sie schlagen, könnte es helfen, mehr Stadtplanerinnen zu beschäftigen. Foto: Imago/Schöning

Das Stadtplanungs-Kind ist noch nicht komplett in den Brunnen gefallen. Zwar haben in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten hauptsächlich Männer die Stadtplanung übernommen und der Stadt so ihren männlichen Stempel aufgedrückt, von Peter Joseph Lenné und James Hobrecht im 19. Jahrhundert über den Nazi-Architekten Albert Speer bis hin zu Werner Düttmann in den 1960er-Jahren. Aber nur weil Straßen, Plätze oder Parks einmal in einer bestimmten Weise gebaut worden sind, heißt das nicht, dass man sie nicht so umgestalten kann, dass sie mehr die Bedürfnisse von Frauen und Kindern in den Blick nehmen können. Das wird aber nur geschehen, wenn sich mehr Frauen in den entscheidenden Positionen befinden, sprich: Stadtplanerinnen sind.


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Verbesserungspotenzial besteht an noch mehr Stellen in der Stadt. Wir haben ein paar Ideen für ein moderneres Berlin mit einer glorreichen Zukunft aufgeschrieben. Auch wenn wir viel lästern, und das oft auch noch als Zugezogene: An diese Dinge gewöhnen sich Zugezogene in Berlin schnell. Andersrum erscheint vieles in Berlin manchmal absurd. An diese Dinge müssen sich Zugezogene in Berlin erstmal gewöhnen. „Echte“ Berliner betrachten die Zugezogene oft mit hochgezogenen Augenbrauen. Diese Dinge nerven an Zugezogenen in Berlin am meisten. Das Leben in Berlin wird selten langweilig. Immer neue Geschichten aus dem Stadtleben gibt’s hier.

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