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Berlin verstehen

So sah Berlin vor der Sanierung aus: Als die Altbauten marode waren

Wie war das damals in Berlin vor der Sanierung, als die Altbauten in Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain noch nicht auf Vordermann gebracht waren? Der Putz blätterte ab, Einschusslöcher aus Kriegszeiten und alte Schriftzüge säumten die graubraunen Fassaden. Man sollte die Vergangenheit nicht verklären, schön war das nicht immer, und auch drinnen sahen die ollen Wohnungen mit ihren Kachelöfen und Außentoiletten nicht wirklich ansprechend aus.

Die Sanierungswelle aber, die Berlin in den vergangenen 20 bis 30 Jahren erlebte, brachte andere Probleme mit sich. Wohnraum wurde zunehmend unbezahlbar, wer wenig Geld hat, kann sich die Stadt kaum noch leisten. Berlin ist zur lukrativen Beute von Investoren geworden. Hier zeigen wir 12 Fotos aus der Zwischenphase der neueren Stadtgeschichte, den späten 1990ern bis etwa 2010. Viele Häuser waren noch marode, daneben glänzten aber schon die frischt getünchten Fassaden.


Auguststraße, Mitte

Berlin vor der Sanierung: Alte Buchhandlung in der Auguststraße in Mitte, 1997.  Foto: Imago/Rüttimann
Alte Buchhandlung in der Auguststraße in Mitte, 1997. Foto: Imago/Rüttimann

Mitte ist heute teuer und von Touristen überlaufen. In den späten 1990er-Jahren wehte noch der Wind der Wendezeit zwischen dem Tacheles und der Tucholskystraße. Es gab Szenekneipen und Kellerclubs, hier und da lebten Künstler in der Gegend, die von ihrer Kunst eigentlich nicht leben konnten. Die Alte Buchhandlung in der Auguststraße sah aus, als wäre die Mauer nie gefallen.


Greifenhagener Straße, Prenzlauer Berg

Fassade eines unsanierten Hauses mit Einschüssen in der Greifenhagener Straße in Prenzlauer Berg, 2004. Foto: Imago/Volker Preußer
Fassade eines unsanierten Hauses mit Einschüssen in der Greifenhagener Straße in Prenzlauer Berg, 2004. Foto: Imago/Volker Preußer

Beim Anblick dieses Eckhauses an der Greifenhagener Straße in Prenzlauer Berg bekamen um 2004, als die Aufnahme entstanden ist, Investoren vermutlich feuchte Augen. Die Immobilienpreise waren damals noch moderat, vermutlich kostete die ganze Mietskaserne zu jener Zeit so viel, wie heute eine topsanierte Vier-Zimmer-Wohnung in der Gegend.


Rosenthaler Straße, Mitte

Der legendäre Eimer in der Rosenthaler Straße, 2001. Foto: Imago/Rüttimann
Der legendäre Eimer in der Rosenthaler Straße, 2001. Foto: Imago/Rüttimann

Der Eimer war nach der Wende eine Subkultur-Institution in Mitte. Der wilde Club in dem freistehenden Haus in der Rosenthaler Straße war ein kreativer Stützpunkt für Outsider, Nachtschwärmer und Musikfreaks und prägte das Nachtleben in Berlin der 1990er-Jahre. Hier spielten die irrsten Bands, wurden die buntesten Partys gefeiert und die Kunst-Happenings waren spektakulär. Die Fassade des Hauses war entsprechend ramponiert, 2001 stürmte die Polizei den Eimer, der Wohnungsbaugesellschaft Mitte war das Projekt ein Dorn im Auge, dann war die Party vorbei.


Unsanierte Altbaufassade, Mitte

Berlin vor der Sanierung: Unsanierte Altbaufassade mit Begrünung in Mitte, 2006. Foto: Imago/Müller-Stauffenberg
Unsanierte Altbaufassade mit Begrünung in Mitte, 2006. Foto: Imago/Müller-Stauffenberg

Eine Fassade, die sich für Berliner Gruselgeschichten eignen könnte. Der Wein rankt ums alte Gemäuer, einst prächtiger Stuck fällt ab, was mag sich hinter den Fenstern verbergen, welche Geister spuken dort? Noch 2006 haben sich viele Berliner und Berlinerinnen wohl gefühlt in den alten Häusern. Die Mieten waren günstig, das Leben einfacher, und auch ohne Fußbodenheizung, Eichenparkett und Dachterrasse eigentlich ganz schön. Berliner Ruinenromantik, heute weitestgehend ein Relikt aus der Vergangenheit.


Renovierungsbedürftige Fassade in Moabit

Renovierungsbedürftige Fassade eines Moabiter Altbaus aus der Gründerzeit, 2007. Foto: Imago/Müller-Stauffenberg
Renovierungsbedürftige Fassade eines Moabiter Altbaus aus der Gründerzeit, 2007. Foto: Imago/Müller-Stauffenberg

Die meisten maroden Altbauten standen um 2007 in Ost-Berlin, der Westen wurde bereits vorher saniert. In Kreuzberg, Wedding und Neukölln nicht überall, es gab Ausnahmen, doch selbst dort waren die Häuser besser in Schuss als im Osten. Doch siehe da, auch in Moabit tauchten recht abgehalfterte Mietskasernen auf. Wie greise Sonderlinge trotzten sie mit ihrem schäbigen Stolz den „normalen“ Häusern um sie herum.


Alte Fassadenwerbung in Prenzlauer Berg

Berlin vor der Sanierung: Veraltete Fassadenwerbung, Prenzlauer Berg 2001. Foto: Imago/Raimund Müller
Veraltete Fassadenwerbung, Prenzlauer Berg 2001. Foto: Imago/Raimund Müller

Ähnlich wie Brachen, gehören auch Brandwände in Berlin zu einer aussterbenden Spezies. Zumindest die schäbigen und alten. Gemalte Werbung an einer Brandwand hat etwas Nostalgisches. Im Zeitalter von digitalen Werbeflächen auf Social-Media-Kanälen wirkt eine Werbebotschaft, die sich Jahre, wenn nicht Jahrzehnte an einer Hauswand halten soll, seltsam überholt. 


Altbau mit Satellitenschüssel

Altbau mit Satellitenschüssel, 2010. Foto: Imago/Müller-Stauffenberg
Altbau mit Satellitenschüssel, 2010. Foto: Imago/Müller-Stauffenberg

Hier blättert der Putz nicht mehr, er ist komplett ab. Ein nacktes Haus sozusagen. Doch die Mieter im obersten Stockwerk legten offenbar Wert auf das volle Fernsehprogramm, 2010 konnte man schließlich noch nicht alles streamen. Die Satellitenschüssel wirkt da wie ein Fremdkörper. Man beachte auch das sanierte Haus am rechten Bildrand. Alt und neu prallen hier bereits aufeinander.


Senefelderstraße, Prenzlauer Berg

Unsanierter und sanierter Altbau auf der Senefelderstraße, 2001. Foto: Imago/Imagebroker/Hohenacker
Unsanierter und sanierter Altbau auf der Senefelderstraße, 2001. Foto: Imago/Imagebroker/Hohenacker

In den 1990er-Jahren begannen in Prenzlauer Berg die Veränderungen. Die unsanierten Altbauten hatten eine magische Anziehungskraft für Lebenskünstler, Aktivisten, Musiker, Schriftsteller und Studenten, naturgemäß aller Geschlechter, die sich unter die alteingesessenen Bewohner mischten. Die Aufbruchsstimmung rief aber recht bald auch Immobilienhaie und Investoren auf den Plan. Prenzlauer Berg wurde zur Goldgrube und zum Ende des Jahrzehnts spürte man bereits die harten Gesetze des Marktes. Der Bezirk wurde zum Paradebeispiel für die Gentrifizierung.


Danziger Straße, Prenzlauer Berg

Berlin vor der Sanierung: Unsanierter Altbau in der Danziger Straße in Prenzlauer Berg, 2009. Foto: Imago/Hohlfeld
Unsanierter Altbau in der Danziger Straße in Prenzlauer Berg, 2009. Foto: Imago/Hohlfeld

Die Mietskaserne ist ein Glücksfall für Berlin, sagte mal ein stadthistorisch bewanderter Stadtplaner. Schaut man sich dieses großartige Eckhaus an der Danziger Straße in Prenzlauer Berg an, dann kann man sich städtisches Wohnen doch kaum besser vorstellen. Auch wenn heute natürlich der Verkehrslärm die Mieter stören dürfte.


Verfallenes Wohnhaus in Prenzlauer Berg

Verfallenes Wohnhaus im Bezirk Prenzlauer Berg, 2013. Foto: Imago/Frank Sorge
Verfallenes Wohnhaus im Bezirk Prenzlauer Berg, 2013. Foto: Imago/Frank Sorge

Berlin vor der Sanierung: solche Hausruinen konnte man in Prenzlauer Berg noch um 2013 herum entdecken. Ein ganzes Hinterhaus auf einer Brache steht leer herum. Ein da schon selteneres Bild, Berlin veränderte sich rasant, die alten Häuser mussten weichen. Mal kam die Baufirme und sanierte, mal kam die Abrissbirne.


Schöneweide vor der Sanierung

Rentner vor einem unsanierten Wohnhaus in Schöneweide, 2002. Foto: Imago/Götz Schleser
Rentner vor einem unsanierten Wohnhaus in Schöneweide, 2002. Foto: Imago/Götz Schleser

Schöneweide ist damals wie heute etwas aus dem Fokus. Der Randbezirk hat weder Hipster noch die Kulturszene im großen Stil begeistert, auch wenn dort einige spannende Projekte Fuß fassen konnten. Um 2002 herum sahen viele Straßenzüge aber immer noch aus wie in DDR-Zeiten.


Alt neben Neu

Berlin vor der Sanierung: Alter zerfallener Altbau neben Fassade vom Neuen Wohnprojekt Choriner Hoefe, 2012. Foto: Imago/IPON
Berlin vor der Sanierung: Alter zerfallener Altbau neben Fassade vom Neuen Wohnprojekt Choriner Hoefe, 2012. Foto: Imago/IPON

2012 brachen endgültig die neuen Zeiten an. Unrasierte Hausfassaden wurden immer mehr zum exotischen Kuriosum, vor dem sich Berlinbesucher auf der Suche nach dem „Berlingefühl“ ablichteten. Es wurde saniert und modernisiert was das Zeug hält und die Brachen füllten sich in der Innenstadt mit luxuriösen Bauprojekten. Seit dem stiegen die Immobilienpreise und die Mieten ins Unermessliche. Schöner und sauberer ist Berlin heute ganz sicher, aber auch sehr viel teurer.


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