Kein anderer Ort ist so sehr mit der vietnamesischen Community in Berlin verbunden, wie das Dong Xuan Center in Lichtenberg. Jetzt feiert der Großmarkt mit dem Festival „Sống ở Berlin“.
Damit begann die Geschichte des Dong Xuan Centers
1980 schloss die DDR einen Vertrag mit dem sozialistischen Bruderland Vietnam über die Entsendung von Vertragsarbeitern ab. Damit begann die Geschichte des Dong Xuan Centers, des gewaltigen, quirligen, bunten asiatischen Großmarktes im alten Industrieherz von Lichtenberg.
Der SED-Staat brauchte damals billige Arbeitskräfte und folgte dem westdeutschen Beispiel, wo schon 20 Jahre vorher so genannte „Gastarbeiter“ aus Italien, Jugoslawien und der Türkei ins Land geholt wurden. So kam auch Nguyen Van Hien in den 1980er-Jahren nach Potsdam und arbeitete als Baugruppenleiter bei der VEB BMK Kohle und Energie Ost.
Als die Mauer fiel und Deutschland sich wiedervereinigte, veränderte sich die Situation der Vietnamesen. Plötzlich wurden sie zu unerwünschten Personen, sie verloren ihre Arbeitsgenehmigungen, viele kehrten zurück in ihre Heimat. Nicht Van Hien, der ambitionierte junge Mann machte sich selbstständig, betrieb einen Imbiss und handelte mit Textilien. Schon früh stellte er fest, dass viele vietnamesische und auch andere ausländische Händler Schwierigkeiten hatten, sich mit Waren zu versorgen. Es existierte kein Großhandel für die Community, es gab keine Infrastruktur.
Aus der Marktlücke entstand 1996 der Dong-Xuan-Markt in Leipzig, auf 18.000 Quadratmetern siedelten sich 320 Geschäftstreibende an, vor allem aus Vietnam aber nicht nur, und boten Lebensmittel, Textilien, Haushaltswaren, Spielzeug und allerlei andere Dinge des täglichen und nicht täglichen Bedarfs an. Das Geschäft in Leipzig boomte, noch heute residiert der Markt im Norden der Stadt an der Maximilianallee 18.
Doch Van Hien zog es nach Berlin. 2002 mietete er ein Areal an der Josep-Orlopp-Straße in Lichtenberg. Nach zwei Jahren war klar, dass es dort nicht genug Verkaufsfläche gab. Durch einen Zufall entdeckte er das alte Industriegelände der VEB Elektrokohle. Zu DDR-Zeiten beschäftigte der auf Graphitprodukte spezialisierte Betrieb mehr als 3.000 Mitarbeiter, 2004 dösten die alten Produktionshallen auf dem von Chemikalien kontaminierten Boden im Dornröschenschlaf. Van Hien schlug zu, kaufte die Immobilie, entsorgte die giftigen Überbleibsel und ließ die neuen Hallen bauen. Das Dong Xuan Center eröffnete 2004 in Lichtenberg, dem Heimatbezirk der Community in Berlin, mehr als 10.000 Menschen mit vietnamesischem Migrationshintergrund leben hier.
„Für die Vietnamesinnen und Vietnamesen ist Lichtenberg ihre Hauptstadt.“
Nguyen Van Hien, Gründer und Geschäftsführer des Dong Xuan Centers in Lichtenberg
„Für die Vietnamesinnen und Vietnamesen ist Lichtenberg ihre Hauptstadt“, erklärt Nguyen Van Hien. Die kulturell-geschäftliche Brücke nach Vietnam ist beabsichtigt, Vorbild und Namensgeber war, wie schon in Leipzig, der Dong Xuan Markt in Hanoi, der älteste Markt in der vietnamesischen Metropole. Das Wort Dong Xuan bedeutet „Die Frühlingswiese“, auch wenn die Hallen, Parkplätze und betonierten Flächen nicht an Blumen denken lassen, ist das Dong Xuan Center auch jenseits der Community zum Touristen-Highlight geworden.
Zum 20. Geburtstag des Centers organisiert das „buero doering – Fachhandel für Ereignisse“ das „Sống ở Berlin“-Festival, bei dem deutsche und vietnamesische Popkultur zusammenkommen. Zum Auftakt am 25. Juli vereint eine Dinnershow Spezialitäten der vietnamesischen Küche mit Comedy, Musik und Tanz. Die Stand-Up-Comedienne Mai My ist ebenso dabei wie die Sängerin und Songwriterin Another Nguyen und die Tanztruppe The Funky Monkeys. An den weiteren Tagen gibt es Konzerte von der in Neukölln aufgewachsenen und nun in Lichtenberg wohnenden Rapperin Nashi44 und der von vietnamesischen Rockern der 1960er- und 1970er-Jahre inspirierten Band Saigon Soul Revival (beide 26.7.).
Ein riesiges Familienfest (27.7.) versorgt Zehntausende mit Bier und Spezialitäten vom Grill und auf der großen Open-Air-Bühne darf der traditionelle vietnamesische Tanz nicht fehlen. Folklore wechselt sich mit DJ-Sets von Kakao Katzê und einem Konzert der Elektro-Pop-Virtuosin Kuoko ab. Die junge vietdeutsche Generation hat die Klischees überwunden oder geht mit ihnen spielerisch wie selbstbewusst um. Das Dong Xuan Center entwickelt sich zu einem Schmelztiegel der Kulturen.
Eine schöne Reminiszenz an den Ort und seine vielfältige Geschichte ist übrigens die Vorführung des Dokumentarfilms „Elektrokohle (Von Wegen)“ (28.7.), die vom Auftritt der Einstürzenden Neubauten im Dezember 1989 im zur VEB Elektrokohle gehörenden Kulturhaus Wilhelm Pieck erzählt.
- Dong Xuan Center Herzbergstr. 128–139, Lichtenberg, „Sống ở Berlin“-Festival: 25.–28.7., Festivalticket: 10 €, weitere Informationen finden sich hier
Festivalbeilage zu „Sống ở Berlin“
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So lebten vietnamesische Vertragsarbeiter in Ost-Berlin. Die wichtigsten Events des Monats: 12 Tipps für den Juli in Berlin. Ein Highlight des Festivals im Dong Xuan Center: Nashi 44 bei tracks & talk. Lust auf ein Konzert? Unsere Konzerttipps findet ihr hier. Kulturhauptstadt Berlin erleben mit den Kulturtipps: Museen, Ausstellungen und Theater. Lust auf Film-Entertainment im Großformat? Das Kinoprogramm. Was Berlin täglich zu bieten hat, erzählen euch unsere Tagestipps, in allen Rubriken und Kategorien. Jede Woche neu: Den tipBerlin Newsletter könnt ihr hier abonnieren.