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Stadthelden: Warum Sonja trotz Corona mit ihrem Taxi in Berlin unterwegs ist

Wegen Corona steht Berlin still. Sonja ist mit ihrem Taxi aber noch unterwegs. Denn nicht alle können sich ins Home-Office verkrümeln, viele Jobs lassen sich nicht einfach so von Zuhause machen. In unserer Stadthelden-Reihe stellen wir Berliner*innen vor, die trotz der Pandemie immer noch jeden Tag rausgehen und der Situation trotzen.

Ob bei der Polizei, im Supermarkt, bei den Sicherheitsdiensten und Logistikern oder im Gesundheits- und Pflegesektor. Den Anfang macht die Berliner Taxifahrerin Sonja. Ein Gespräch über sinkende Umsätze, Schutzmaßnahmen und größere Gefahren fürs Taxigeschäft als das Virus.

Ich hoffe, dass auch nach Corona noch Taxis gebraucht werden!

Die Taxifahrerin Sonja ist auch während der Corona-Krise mit ihrem "Tiffany-Taxi" in Berlin unterwegs
Taxi trotz Corona: die Taxifahrerin Sonja vor ihrem „Tiffany-Taxi“ auf dem Parkplatz vor dem Olympiastadion. Foto: Privat

tip Sonja*, wir haben uns auf das „du“ geeinigt. Wie lange bist du schon Taxifahrerin und wie bist du dazu gekommen? 

Sonja Ich fahre erst seit knapp zwei Jahren wieder Taxi. Ich habe das aber von 1989 bis 1992 während meiner Studienzeit gemacht. Dann bin ich 26 Jahre anderen Erwerbstätigkeiten nachgegangen. 2018 wollte ich mich beruflich verändern. So kam ich wieder zum Taxifahren. Ich musste den kompletten P-Schein mit Ortskundeprüfung neu machen, das hat ein halbes Jahr gedauert. Dann bin ich ein halbes Jahr angestellt in einer Firma gefahren und habe währenddessen den Unternehmerschein gemacht. Ende 2018 habe ich mir dann mein eigenes Taxi gekauft. Und seit Januar 2019 bin ich mit meinem Tiffany-Taxi unterwegs.

Weibliche Fahrgäste freuen sich oft, wenn sie eine Fahrerin haben

tip Ist es als Frau schwieriger, den Beruf zu machen?

Sonja Ich habe ja keinen Vergleich, wie es als Mann ist! (lacht) Ich komme im aber gut zurecht. Ab und zu mal werde ich blöd angemacht, aber 95 bis 98 Prozent der Fahrgäste sind vollkommen okay. Ich war auch noch noch nie in einer gefährlichen Situation, obwohl jeder zweite Fahrgast mich danach fragt. Und weibliche Fahrgäste freuen sich oft, wenn sie eine Fahrerin haben. Sie fragen mich dann, ob ich sie auch wieder abholen könne. Aber da die Stadt so groß ist und ich überall fahre, ist das kaum möglich.

tip Was magst du an deinem Beruf am liebsten?

Sonja Ich finde es so spannend, dass man nie weiß, wohin die Schicht einen bringen wird. Man lernt immer wieder interessante Teile der Stadt kennen, wo man noch nie war. Und oft ergeben sich sehr interessante Gespräche mit den Fahrgästen, manche erzählen einem innerhalb von 20 Minuten ihre gesamte Lebensgeschichte. Als Selbständige hat man außerdem den Vorteil, dass man vollkommen flexibel in seiner Zeiteinteilung ist.

Wer fährt noch Taxi? Seit Corona hat sich der ohnehin gesunkene Umsatz noch einmal halbiert

tip Wie sieht dein Berufsalltag seit der Corona-Krise aus?

Sonja Leider sind schon vor der Corona-Krise die Umsätze innerhalb von einem Jahr um etwa 30 Prozent zurückgegangen, weil die Konkurrenz durch illegal agierende Fahrdienste wie Uber, freenow und andere drastisch angestiegen ist. Seit Corona hat sich der ohnehin gesunkene Umsatz noch einmal halbiert, ich bin jetzt bei ca. 40 Prozent des Umsatzes, den ich zu Beginn meiner Tätigkeit hat.

Es sind ja keine Touristen und Geschäftsleute mehr in der Stadt. Sonst bin ich die Abendschichten gefahren, habe Fahrgäste von der Messe zum Hotel, vom Hotel zum Restaurant oder ins Theater, und später dann von dort und von den Bars wieder ins Hotel oder nach Hause gebracht. Jetzt sind die Straßen ab 19 Uhr wie leergefegt. Deshalb fahre ich inzwischen tagsüber, bringe ältere Leute zum Arzt oder ins Krankenhaus, fahre Leute zur Arbeit oder auch mal abends Pflegepersonal von den Kliniken nach Hause.

tip Wie schützt du dich vor dem Virus und hast du Angst, dich anzustecken?

Sonja Ich wasche mir so oft wie möglich die Hände, das habe ich aber vorher auch schon gemacht. Nach jedem Fahrgast lüfte ich das Auto kräftig durch, reinige die Türgriffe, Gurte und Sitze mit Alkoholreiniger und desinfiziere mir die Hände. Seit kurzem habe ich auch eine Trennscheibe, es dürfen im Moment sowieso nur hinten Fahrgäste einsteigen. Mehr kann ich nicht tun. Große Angst vor Ansteckung habe ich nicht, ich gehöre zu keiner Risikogruppe. Ich möchte aber das Virus nicht verbreiten und will auch nicht wegen Quarantäne vier Wochen zu Hause bleiben müssen.

tip Bekommst du Hilfe vom Staat?

Sonja Bis jetzt habe ich nichts beantragt, mein Geschäft ist ja nicht komplett geschlossen. Ich habe noch Einnahmen, um meine laufenden Kosten zu decken,  wenn es auch wenig ist. Wenn die Situation noch länger anhält, werde ich mich aber damit beschäftigen.

Ich werde auf jeden Fall weiter kämpfen!

tip Wie wirst du jetzt weitermachen, wenn die Maßnahmen den ganzen April über fortgesetzt werden? Oder sogar noch länger dauern?

Sonja Ich werde auf jeden Fall weiter kämpfen, ich will den Beruf ja noch bis zur Rente weiter ausüben! Als Selbständige ohne Angestellte bin ich da etwas besser dran als die Taxifirmen mit Angestellten. Ich habe gehört, dass viele von denen ihre Taxis stillgelegt und ihre Fahrer in die Kurzarbeit geschickt haben. Kreditraten und Versicherungsbeiträge können gestundet werden.

Ich fürchte, dass von denen viele die Krise nicht überstehen werden, weil die Einnahmen vorher schon dank Uber und anderen zurückgegangen sind, so dass keine Rücklagen gebildet werden konnten. Und die Geschäfte werden nach dem Ende der Maßnahmen nicht sofort wieder auf das vorherige Niveau gehen.

tip Wird sich für dich etwas für die Zeit nach Corona verändern?

Sonja Ich habe keine Idee, wie die Welt nach der Krise aussehen wird. Ich hoffe aber, dass danach auch noch Taxis gebraucht werden. 

tip Hast du eine Botschaft für unsere Leser, wie sie mit der Krise umgehen sollten?

Sonja Bitte bleibt diszipliniert, damit das Virus schnell besiegt wird! Und verliert nicht den Mut, es gibt auch ein Leben nach Corona!

* Der volle Name ist der Redaktion bekannt.

In der zweiten Folge Stadthelden berichtet uns Busfahrer Sener Piskin, wie er mit der Corona-Krise umgeht.


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