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Berliner Straßenbrunnen: Wieso gibt es sie eigentlich immer noch?

Die Wasserpumpen, auch Straßenbrunnen genannt, gehören zum Berliner Stadtbild. Aber oft geht man an den grün lackierten Trinkwasserpumpen vorbei, ohne ihnen weiter Beachtung zu schenken. Dabei sind sie mehr als nur Relikte aus früheren Zeiten: Auch heute noch zählen sie zur kritischen Infrastruktur und sollen in Krisen die Wasserversorgung sicherstellen. Wir blicken auf die Geschichte der Berliner Straßenbrunnen zurück, werfen einen Blick auf die Formenvielfalt – und die Probleme der grünen Anlagen.

Eine alte Wasserpumpe am Winterfeldtplatz in Schöneberg. Foto: Imago/Schöning

Straßenbrunnen in Berlin waren früher alltäglich

Wenn wir uns duschen, Wäsche waschen oder Kaffee kochen, machen wir uns so gut wie nie Gedanken darüber, wie unkompliziert wir an das benötigte Wasser eigentlich kommen. Der Hahn wird aufgedreht, der Knopf wird gedrückt und es läuft einfach. Doch noch weit bis ins 19. Jahrhundert war all das mit einem erheblichen Kraftakt verbunden.

Bevor es in Berlin eine zentrale Wasserversorgung gab, holte sich die Bevölkerung ihren täglichen Wasserbedarf nämlich noch aus Brunnen. Bis ins 18. Jahrhundert gab es in jedem Hinterhof Ziehbrunnen, aus denen das Wasser mit einem an einem Seil befestigten Eimer herausgeholt wurde. Mit der Zeit wurden die Ziehbrunnen durch Pumpen mit Schwengel ausgetauscht: also durch jene Straßenbrunnen, die bis heute in Berlin stehen. Mit dem Hebel pumpt man das Wasser an die Oberfläche. Im 19. Jahrhundert gab es rund 6.000 Brunnen in der Stadt. Mit dem Bau des ersten Wasserwerks 1856 vor dem Stralauer Tor ging schließlich die Zeit des regen Gebrauchs der Brunnen zu Ende.

Die Brunnen dienen noch immer der Notversorgung

Einige blieben trotzdem weiterhin erhalten, um eine Notfallversorgung mit Trinkwasser sicherzustellen. Denn im Falle von großflächigen Störungen des Wassernetzes erweist sich die Unabhängigkeit der Straßenbrunnen von eben diesem Netz als wichtiger Vorteil.

In Berlins Geschichte gab es Episoden, in denen die Straßenbrunnen wieder nötig wurden. So beim Kapp-Putsch 1920: Berlin war 100 Stunden lang in der Hand konterrevolutionärer Militärs. Der Generalstreik als Reaktion darauf legte die öffentliche Versorgung lahm, Wassernetz inklusive. Aber vor allem im Zweiten Weltkrieg gewannen die Straßenbrunnen immens an Bedeutung, als die Pumpwerke und Leitungsnetze durch die Bombardierung zerstört wurden.

Heute sind die Straßenbrunnen immer noch Teil der kritischen Infrastruktur, da sie bei einem großflächigen Ausfall der öffentlichen Wasserversorgung die Bevölkerung mit Wasser versorgen sollen. Zumindest in der Theorie.

Ein Großteil der Straßenbrunnen in Berlin ist defekt

In Berlin gibt es 2.079 (Stand: 2022) Straßenbrunnen, wovon aber lediglich 1.614 funktionstüchtig sind. Damit hat Berlin einen großen Fehlbestand, der im Ernstfall längst nicht ausreichen würde. Betrieben werden die Pumpen durch die Straßen- und Grünflächenämter der Bezirke, die somit für Instandhaltung zuständig sind. Dabei werden rund 900 der Brunnen vom Bund finanziert und der Rest vom Land Berlin. Um alle Brunnen zu reparieren, bräuchte es einer Schätzung zufolge rund 20 Millionen Euro. Allerdings gestaltet sich die Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe schwierig, das nur das Nötigste investiert.

Hat man Glück und es steht vor der Haustür eine funktionierende Wasserpumpe, so eignet sie sich optimal zur Bewässerung von Bäumen, gerade im Sommer. Vom Berliner Senat ist das auch ausdrücklich erwünscht, da durch das regelmäßige Pumpen von Wasser die Betriebsbereitschaft der Brunnen gewährleistet wird, die sonst vertrocknen oder versanden könnten.

In den trockenen Berliner Sommermonaten eignen sich die Wasserpumpen gut zum Gießen der Bäume. Foto: Imago/Sabine Gudath

Stil-Vielfalt bei Straßenbrunnen: Von Lauchhammer zu Schliephacke

Wenn man einmal die Straßenbrunnen etwas aufmerksamer betrachtet, fällt auf, dass es in Berlin recht diverse Ausführungen mit sich unterscheidenden Stilen gibt. In Mitte steht noch der letzte Rohrbrunnen in der Wöhlertstraße 18, der sich im Pumpenprinzip zu den Anderen unterscheidet. Statt eines Schwengels bzw. Hebels zum Pumpen, hatte er einen Handgriff zum Hochziehen und Herabdrücken, der allerdings mittlerweile abmontiert ist. Diese Art von Brunnen in der Bauart von Otto Greiner und Louis Lohde wurden ab 1877 aufgestellt.

Der letzte Rohrbrunnen in Berlin steht in Mitte. Foto: Wikimedia/Boonekamp (mithin Günter Haase), CC BY-SA 4.0

Die sogenannten „Lauchhammer-Pumpen“, benannt nach der Kunstgießerei, die sie hergestellt hat, wurden von Otto Stahn entworfen. Sein Design erkennt man an dem reich verzierten neobarocken Stil. Es gibt sie in drei leicht variierenden Ausführungen. Typ I hat einen Fischkopf als Wasserspeier, Typ II stattdessen einen Drachenkopf, und Typ III trägt das Berliner Wappen, den Aufsatz ziert eine Krone.

Ab 1925 wurden die schlichter gestalteten „Krause-Pumpen“ aufgestellt. Sie sind schmaler gehalten und haben die Form einer klassizistischen Säule.

Die Krause-Pumpen sind im Gegensatz zu den Lauchhammer-Pumpen schlichter gestaltet. Foto: Wikimedia/Boonekamp d.i. Günter Haase, CC BY-SA 4.0

Mit den Entwürfen von Fridtjof Schliephacke bekamen die Straßenbrunnen in den 1970er-Jahren eine rein funktionale Form verpasst. Sie sind dem Bauhausstil angelehnt, Verzierungen und mythische Formen sucht man vergeblich.

Die Rümmler-Wasserpumpen sind das reine Gegenteil der neobarocken Lauchhammer-Pumpen. Foto: Wikimedia/Boonekamp d.i. Günter Haase, CC BY-SA 4.0

Die Berliner Straßenbrunnen sind damit anschauliche Zeugnisse für den Verlauf der Stilgeschichte. Durch den Fakt, dass sie darüber hinaus die Notwasserversorgung der Stadt sicherstellen sollen, werden sie uns glücklicherweise weiterhin erhalten bleiben – auch wenn viele einfach trocken bleiben.


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