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„Tatort“ aus Stuttgart: Berliner im Ländle mit Christiane Rösinger

Guckt ihr eigentlich sonntags noch „Tatort“? Solltet ihr am 17. Januar tun. Der „Tatort – Das ist unser Haus“ kommt zwar aus Stuttgart. Aber er ist voller Berliner Kulturschaffender: zum Beispiel mit der Autorin, Singer-Songwriterin und ehemaligen Lassie-Singers-Frontfrau Christiane Rösinger – und manchen weiteren guten Bekannten.

„Tatort“ aus Stuttgart: Ulrike (Christiane Rösinger) mit den Kommissaren Sebastian Bootz (Felix Klare, li.) und Thorsten Lannert (Richy Müller). Foto: SWR/Benoit Linder

„Tatort“ aus Stuttgart: Die Vorstadt-Ökos mit der Leiche im Keller

Sonntagabend ist „Tatort“-Zeit. Für manche jedenfalls. Glaubensfrage. Egal. Am 17. Januar lohnt sich das Einschalten allerdings nicht nur, weil das Stuttgarter Duo Bootz/Lannert im Dienst ist. Sondern auch, weil „Das ist unser Haus“ quasi eine Berliner Klassenfahrt ins Ländle ist. So viele bekannte Gesichter im tiefen Westen!

Denn im „Tatort“ aus Stuttgart (Sonntag, 20.15 Uhr im Ersten) tauchen allerlei Kulturschaffende mit Wohnsitz Hauptstadt auf, die man hier bis zur Corona-Krise eher auf Bühnen als auf Bildschirmen gewohnt war. Allen voran die Songwriterin Christiane Rösinger, dereinst Mitbegründerin der wunderbaren Kreuzberger Indie-Pop-Schrammler Lassie Singers. Die Dreharbeiten fanden freilich auch statt, bevor irgendjemand auch nur auf die bekloppte Idee gekommen wäre, auf der Landkarte 15-Kilometer-Grenzkreise um seine Wohnung abzuzirkeln.

„Tatort – Das ist unser Haus“ – ja, wir summen jetzt auch gerade Ton Steine Scherben mit, bekanntlich eine der wichtigsten Berliner Bands – handelt von der Baugemeinschaft „Oase Ostfildern“, einem Gemeinschaftswohnprojekt in einer Vorstadt unweit von Stuttgart. Die meist jungen Öko-Kleinbürger sind vor gerade mal vier Wochen in ihren grundgütig korrekten Neubau eingezogen, da gibt es ein Problem mit der Abdichtung. Also wird das Fundament wieder aufgebaggert. Und da kommt das nächste, das größere Problem.

Stuttgarter Tatort. Wir wollen nicht zu viel spoilern. Aber hier gibt es eine Tote. Foto: SWR/Benoit Linder

Denn das Wohnprojekt hat eine Leiche im Keller, genauer: an der Kellerwand. Eine tote Frau. Für die Gruppendynamik der Ökohäuslebauer ist das natürlich eine Herausforderung. Darauf eine Gruppendiskussion. Oder zwei. Ganz offen und ehrlich. Oder so. Da gerät dann schon mal eine Heilpraktikerin im Haus in Wallung ob des Ausrufs „Da haben wir den Salat“ und setzt spontan eine Entspannungsübung für die Männer an.

„Sollen wa uns jetzt alle gegenseitig wild verdächtigen“, fragt Ulrike, die gute Seele der Baugemeinschaft, die geduldig versucht, den Laden zusammenzuhalten. Ist ja nicht immer so einfach. Auch Berlin hat ja eine lange Geschichte alternativer Wohn- und Lebensentwürfe.

Diese Ulrike wird gespielt von Christiane Rösinger. Mit feinstem Schwäbisch versucht sie die Fronten zu sortieren. Oder ist es Badisch? Schließlich ist die Musikerin gebürtige Badenerin. Mit dem Wohnungsthema ist sie bestens vertraut. Vor vier Jahren besang sie selbst in einem bitteren Rundumschlag den Drang zur „Eigentumswohnung“. Soweit man weiß, hat sie mit gemeinschaftlichem Wohnen eigentlich nicht so viel am Hut. Ist aber ja hier nur Fernsehen.

Auch sonst hat Regisseur Dietrich Brüggemann, der hier seinen dritten Tatort, den zweiten mit dem Stuttgarter Team nach „Stau“, gedreht hat und für einen überaus robusten Humor bekannt ist (siehe etwa seine Neonazi-Groske „Heil“, 2015), so manchen (Wahl-)Berliner*innen zur Exkursion ins Ländle eingeladen. Da lohnt sich auch endlich mal die Entfernungspauschale.

Weitere Berliner im Bauprojekt

Richy Müller darf als Kommissar Torsten Lannert ohnehin regelmäßig beruflich in die Schwabenmetropole reisen, wie ja überhaupt gefühlt die große Mehrheit der „Tatort“-Kommissar-Darsteller*innen ihren tatsächlichen Lebensmittelpunkt in Berlin hat.

Neben Christiane Rösinger ist aber diesmal auch die wunderbare Berliner Singer-Songwriterin Désirée Klaeukens im „Tatort“ als Mitbewohnerin zu erleben, mit der Regisseur Brüggemann übrigens selbst das herzallerliebste Bandprojekt Theodor Shitstorm betreibt und zum Beispiel im April letzten Jahres den an DAF gemahnenden Corona-Track „Tanz die soziale Distanz“ gemacht hat.

Betroffen an der Baugrube steht auch der Journalist Oliver Gehrs als Udo, der Herausgeber des Berliner Magazins „Dummy“, der auch eine Zeit lang für tipBerlin überaus konfrontationsheitere Kolumnen geschrieben hat und auch schon in Brüggemanns „Stau“-Tatort mitgespielt hat. Und Brüggemanns Schwester Anna spielt ebenfalls wieder mit.

Sieht aus wie ein Interview für die nächste „Dummy“-Ausgabe, ist aber „Tatort“: Stefan Heuer (Heinz Rudolf Kunze, li.) möchte Udo (Oliver Gehrs, re.) ein paar Takte mitgeben. Foto: SWR/Benoit Linder

Ein ganz anderer sehr alter Bekannter taucht auch noch in einer Nebenrolle auf: der verdiente Brillenbarde Heinz Rudolf Kunze. Den kennen die Älteren heute vielleicht noch ob seiner „Hitparade“-Beschallungen „Dein ist mein ganzes Herz“ oder auch „Finden Sie Mabel“. Oder wegen seiner Forderung nach einer Deutsch-Quote im Radio. Er hat aber auch vor allem in seiner Frühphase ein paar durchaus bemerkenswerte Platten gemacht („Der schwere Mut“, 1983).

Im „Tatort taucht er, „Dein ist mein ganzer Mord“, als Tatverdächtiger Stefan Heuer auf.

Die Angst vor einer Liebeszene

Ein Berliner ist Kunze allerdings nun wirklich nicht. Wenngleich es ein Lied von ihm gibt, „Regen in Berlin“, das dem 1981 bei Kämpfen mit der Polizei ums Leben gekommenen Hausbesetzer Karl-Heinz Rattay gewidmet ist, eines der Opfer der bewegten Berliner Hausbesetzergeschichte.

Auf Christiane Rösingers Facebookseite konnte man freilich eine ganze andere bange Frage lesen. Dort schrieb einer sorgenvoll: „hoffentlich mußt du keine liebesszene mit h.r.kunze spielen.“

Auflösung am Sonntag, spätestens gegen 21.45 Uhr.


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Wir werden noch ein bisschen mehr Zeit zum „Tatort“-Gucken haben. Denn Berlins Bühnen bleiben bis Ostern geschlossen, mindestens. Die Pandemie lässt leider keine andere Möglichkeit zu. So lange wir noch raus dürfen, sind zumindest Berlins Murals ein Grund, vor die Tür zu gehen. Bei anderen Gestalten würden wir uns dagegen wünschen, dass sie in den tiefsten Lockdown beordert werden, der sich denken lässt. Achtung, Mario Kart ist in der Stadt. Ernsthaft, jetzt? Da lesen wir doch lieber die Stadt, wie sie in den Kinder- und Jugendbüchern steht: von Kästner bis Steinhöfel.

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