Berlin verstehen

Tempelhofer Feld in Fotos: Preußen, Flugpioniere und Flashmobs

Das Tempelhofer Feld ist der größte innerstädtische Park Europas. Auf Berlins Spielwiese wird geskatet, gegrillt und getanzt. Hier bringen Musikfestivals den Boden zum Beben, Action trifft auf Entspannung. Das war nicht immer so. Historische Fotos zeigen das Tempelhofer Feld als preußischen Truppenübungsplatz, Experimentierfläche für die Pioniere der Luftfahrt und aktiven Zentralflughafen. Wir blicken anhand von Bildern auf die Geschichte dieses einzigartigen Ortes zurück – und erfreuen uns an den endlosen Möglichkeiten, die der Park bietet, seit er für alle geöffnet ist.


Fotos mit Kaiser: Soldaten auf dem Tempelhofer Feld

Historische Fotos wie dieses vom Tempelhofer Feld gibt es viele: Die Wiese diente preußischen Truppen als Aufmarschgelände. Foto: Imago/Artokoloro

Bis ins 18. Jahrhundert nutzten Bauern aus Schöneberg die Fläche als Ackerland. Pflugscharen zu Schwertern, nach diesem Credo wandelte Friedrich Wilhelm I. wohl das Tempelhofer Feld 1722 in ein Militärgelände um. Noch lange nach der Zeit des „Soldatenkönigs“ blieb es dabei: Bis 1914 wurde das Gelände für Manöver und Paraden genutzt. Das Foto zeigt den deutschen Kaiser Wilhelm II. mit Soldaten des Gardekorps und Kadetten aus Lichterfelde um 1912. Für die Hohenzollern war die soldatische Leistungsschau eine große Nummer, und auch Berlins Bevölkerung schätzte das Entertainment. Militärisches Sperrgebiet war das Tempelhofer Feld aber nicht: Wenn nicht marschiert wurde, spielten Zivilist:innen hier Fußball oder breiteten Picknickdecken aus.


Flugversuche auf dem Tempelhofer Feld

Ein Foto von Orville Wrights Fluggerät als Ansichtskarte. Foto: Imago/Arkivi
Ein Foto von Orville Wrights Fluggerät als Ansichtskarte. Foto: Imago/Arkivi

Man wollte in Berlin nicht am Boden bleiben. Schon in den 1880er-Jahren wurde mit Ballons experimentiert, im 20. Jahrhundert war das Tempelhofer Feld für die Fortschritte in der Luft unverzichtbar. Hier landeten sogar Luftschiffe, besonders im Gedächtnis blieben aber die Shows des Luftfahrtpioniers Orville Wright: 1909 vollführte er mit seinem eigenwilligen Fluggerät Kunststücke über dem Tempelhofer Feld und erreichte sogar einen Höhenrekord. Das Berliner Publikum war begeistert, der Kaiser hingegen, der ja auch dem Automobil keine Zukunft vorausgesagt hatte, lästerte über die „närrische Akrobaten-Kunststücke“. Orville Wright zog es später an den Nollendorfplatz, wo er ein kurzlebiges Flugzeugunternehmen aufbaute. Auf die Berliner Luftfahrtgeschichte blicken wir hier zurück.


Tempelhofer Feld in Fotos: Warten auf den Flieger, 1930er-Jahre

Mondän entspannen, während die Flieger auf dem Tempelhofer Feld warten. Foto: Bundesarchiv, Bild 102-09525/Wikimedia Commons/CC-BY-SA 3.0
Mondän entspannen, während die Flieger auf dem Tempelhofer Feld warten. Foto: Bundesarchiv, Bild 102-09525/Wikimedia Commons/CC-BY-SA 3.0

Aus den Flugversuchen auf dem Tempelhofer Feld wurde in den 1920er-Jahren regelmäßiger Luftverkehr. 1923 entstand eine erste Flughafenhalle, die kontinuierlich erweitert wurde. Der Flughafen wuchs um ein Restaurant, eine Besucherterrasse und ein Hotel, Tempelhof war vor Amsterdam, London und Paris der geschäftigste Flughafen Europas.

Das Foto aus dem Bundesarchiv zeigt den mondänen Zugang zur zivilen Luftfahrt: Passagiere fläzen sich auf Korbsesseln, warten im Freien, ganz nah bei den Fliegern, auf die Abfertigung der Maschinen. An die endlosen Warteschlangen und Sicherheitsprozeduren wie an heutigen Flughäfen war noch nicht zu denken. Man blickte bei einer Tasse Kaffee ganz entspannt auf Fotos in Illustrierten – oder eben auf die Rollbahnen auf dem Tempelhofer Feld.


Fotos von oben: Landeanflug aufs Tempelhofer Feld

Landeanflug auf den Zentralflughafen, circa 1958. Fotos wie dieses konnte man vom Tempelhofer Feld bis 2008 machen. Foto: Imago/Gerhard Leber
Landeanflug auf den Zentralflughafen, circa 1958. Fotos wie dieses konnte man vom Tempelhofer Feld bis 2008 machen. Foto: Imago/Gerhard Leber

1936 begann der Bau am monumentalen Flughafengebäude, eine der architektonischen Spuren der NS-Zeit. Anfangs war die Nutzung der Luftwaffe vorbehalten, nach dem Zweiten Weltkrieg donnerten dann die Rosinenbomber über die Landebahnen und versorgten das blockierte West-Berlin mit Gütern. Den Blick von oben aufs Tempelhofer Feld konnte man bis 2008 genießen: Am 30. Oktober starteten und landeten offiziell die letzten Flugzeuge hier. Dieses Foto entstand beim Landeanflug auf Tempelhof etwa 1958, fünf Jahrzehnte vor der endgültigen Schließung des Zentralflughafens. Weitere historische Luftbilder von Berlin seht ihr hier.


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Historische Fotos vom Tempelhofer Feld: Tag der offenen Tür

Tag der offenen Tür am Flughafen Tempelhof mit der US Air Forde. Foto: Imago/Gerhard Leber
Tag der offenen Tür am Flughafen Tempelhof mit der US Air Force. Foto: Imago/Gerhard Leber

Im Sommer 1975 wurde der Flughafen Tempelhof jedoch für den zivilen Luftverkehr zeitweise geschlossen – Tourismus und Business wurden über den neu gebauten Flughafen Tegel im Nordwesten der Stadt abgewickelt. Das Tempelhofer Feld wurde wieder militärisches Gebiet, aber im Stechschritt lief hier nichts, das Gelände wurde von der US Air Force genutzt. Die Möglichkeit, die Rollbahnen auf dem Tempelhofer Feld und den Flughafen zu besuchen, hatten die Menschen in West-Berlin trotzdem noch: Die US Air Force richtete jedes Jahr Tage der offenen Tür aus. 1981 wurde der zivile Flugverkehr wieder aufgenommen, die US-amerikanischen Truppen zogen 1993 aus Berlin ab.


8. Mai 2010: Das Tempelhofer Feld öffnet

Die Mauer muss weg. Foto: Imago/Bernd Friedel

Spätestens mit der Wiedervereinigung war der Flughafen Tempelhof angezählt. Im Flächennutzungsplan des Senats war schon 1994 eine Umwidmung des Geländes angestrebt. Das Volksbegehren „Tempelhof bleibt Verkehrsflughafen!“ konnte 2008 nicht die notwendige Zustimmung erreichen. Zwei Jahre später wurde das Feld geöffnet, ab dem 8. Mai 2008 strömten die Berliner:innen auf die Wiesen und Landebahnen. Viele von ihnen waren mit einem politischen Anliegen gekommen: Denn das Meer aus Gras ist von einem hohen Zaun umgeben. Demonstrant:innen forderten den Abriss der Befestigungsanlage – das Feld solle rund um die Uhr von jeder Seite aus erreichbar sein.


Start des Volksbegehrens am 15. September 2013

Auftaktdemo und Unterschriftensammlung zur Erhaltung des Tempelhofer Felds als Freifläche 2013. Foto: Imago/Christian Mang

Der Abriss des Zauns war allerdings schnell wieder von der Agenda verschwunden, die Berliner:innen hatten sich an Haupteingänge und Schließung nach Sonnenuntergang gewöhnt. Dafür nahmen sie das große Ganze in den Blick: die Bebauung der größten Freifläche Berlins. Die Parteien sind nach wie vor uneins über das weitere Vorgehen, aber viel Spielraum haben sie nicht: Die Bürgerinitiative „100% Tempelhofer Feld“, gegründet 2011, erreichte 2014 bei einem Volksentscheid eine Mehrheit, der Bebauung des Tempelhofer Feldes steht seither ein Gesetz entgegen. Auch wenn die regierende CDU aktuell eine neue Abstimmung über die Nutzung des Tempelhofer Felds fordert, dürfte es schwer werden. Immerhin gehört das Tempelhofer Feld zu den beliebtesten und bekanntesten Freiflächen der Stadt.


Tempelhofer Feld in Bildern: Ein Garten wächst

Damals überschaubar, mittlerweile ist die Gartenanlage auf dem Feld ein dichtes Dickicht. Foto: Imago/IPON
Damals überschaubar, mittlerweile ist die Gartenanlage auf dem Tempelhofer Feld ein dichtes Dickicht. Foto: Imago/IPON

Wer in Berlin eine Wohnung mit Balkon hat, kann sich glücklich schätzen. Ein eigener Garten ist für die allermeisten ein ferner Traum. Wie es um die Chancen auf einen Kleingarten steht und was für Alternativen es gibt, lest ihr hier. Eine dieser Alternativen entstand 2011 auf dem Tempelhofer Feld: das Allmende Kontor, eine kleine Parzelle auf der östlichen Seite des Parks. Botanikbegeisterte züchten hier Pflanzen, bauen Gemüse an und entspannen sich in der Natur. Mittlerweile haben die Bäume auf dem Gelände stattliche Größen erreicht. 2012 gab es, wie das Foto vom Tempelhofer Feld zeigt, aber nur kleine Hochbeete. Wachstum braucht eben Zeit.


Lollapalooza 2015

Geste der Wertschätzung: Beatsteaks beim Lollapalooza-Festival 2015. Foto: Imago/Martin Müller
Geste der Wertschätzung: Beatsteaks beim Lollapalooza-Festival 2015. Foto: Imago/Martin Müller

Fotos wie dieses sind auf dem Tempelhofer Feld keine Seltenheit: Arnim Teutoburg-Weiss genießt das Bad in der Menge. Entstanden ist die Aufnahme beim Lollapalooza-Festival 2015, das mit einigen organisatorischen Macken zu kämpfen hatte: Die Klos strapazierten die Geduld, stundenlang musste man anstehen für ein paar Minuten allein im Dixie-Klo. Das Festival 2015 war längst nicht das einzige musikalische Großereignis. Unter dem generischen Namen Berlin Festival wurde das Flughafengelände zuvor schon bespielt, und für Großevents wie Konzerte von Die Ärzte ist das Tempelhofer Feld eine beliebte Location. 2022 feierte das neue Musikfestival Tempelhof Sounds Premiere. Beim Konzert von Florence + the Machine löste das springende Publikum sogar ein kleines Erdbeben aus. 2023 soll das Mega-Event wieder auf dem Tempelhofer Feld stattfinden.


Tempelhofer Feld als Tanzbühne

Der französische Choreograf Boris Charmatz leitet Berlin zum Tanzen an. Foto: Imago/Emmanuele Contini
Der französische Choreograf Boris Charmatz leitet Berlin zum Tanzen an. Foto: Imago/Emmanuele Contini

Klar, der Drahtseilakt auf der Slackline ist auch irgendwie eine Performance. Organisierte Kunst kennt das Tempelhofer Feld aber auch: Die Theatergruppe Anu etwa lädt im Sommer zu nächtlichen Freiluft-Inszenierungen ein. Und 2017 wollte die Volksbühne unter ihrem umstrittenen Intendanten Chris Dercon eine Spielstätte im Grünen eröffnen. Die Volksbühne Tempelhofer Feld war allerdings ein Rohrkrepierer.

Zum Auftakttanz mit dem französischen Choreografen Boris Charmatz strömten am 10. September 2017 Tausende, auch wenn der Name der Veranstaltung – „Ganz Berlin tanzt auf Tempelhof“ – am allgemeinen Sprachgebrauch der Berliner:innen vorbeigetextet war. Das Theater war jedoch schnell vorbei, Chris Dercons Intendanz endete vorzeitig im April 2018.


Wuthering Heights

Beim "Wuthering Heights Day" entstanden tolle, wenn auch sehr einfarbige Fotos wie dieses auf dem Tempelhofer Feld. Foto: Imago/Christian Ditsch
Beim „Wuthering Heights Day“ entstehen jedes Jahr tolle, wenn auch sehr einfarbige Fotos auf dem Tempelhofer Feld. Foto: Imago/Christian Ditsch

Andere Tanzveranstaltungen sind hingegen von Dauer: Einmal im Jahr trifft sich eine rot uniformierte Menge und feiert als Flashmob Kate Bushs Debütsingle. „Heathcliff, it’s me, Cathy, I’ve come home“ schallt dann übers Feld, mit einem Song über Emily Brontës Roman „Sturmhöhen“ stürmte die Londonerin 1978 die britischen Charts. Verantwortlich für den Erfolg ist nicht zuletzt ihr expressiver Tanzstil. Schwer zu kopieren, aber den Versuch ist es den Fans beim „Wuthering Heights Day“ immer wieder wert.


Schafe auf dem Tempelhofer Feld

Skuddenschafe auf dem Tempelhofer Feld, 2020. Foto: Imago/Stefan Zeitz

Rasenmäher sieht man selten auf dem Tempelhofer Feld, dafür aber ab und an Tiere. 2018 etwa trieb ein Schäfer seine Schwarzkopfschafe auf die Wiesen, um das Gras auf ausdrücklich natürliche Weise kurz zu halten. In jenem Jahr gab es für die Tiere allerdings nicht gerade üppiges Essen: Der Sommer mit einer wochenlangen Hitzewelle und anhaltender Dürre hatte das sattgrüne Tempelhofer Feld in eine Steppe verwandelt.

Seit 2019 sind Schafe dauerhaft im Einsatz: Rund 80 Skuddenschafe knabbern an den Gräsern und Sträuchern auf dem Tempelhofer Feld, das Pilotprojekt ist zunächst auf fünf Jahre angelegt.


Mehr vom Tempelhofer Feld

Von Lilienthal zu Luftnummern: Höhepunkte der Berliner Luftfahrtgeschichte findet ihr hier. Alles, was ihr grundsätzlich über die Riesenwiese wissen müsst: Infos zum Tempelhofer Feld, dem geliebten Freiluftspielplatz. Bestimmte Figuren da draußen können wir nicht ausstehen. Aber diesen Typen begegnet man auf dem Tempelhofer Feld immer. Die grüne Stadt: Schaut euch in unserer Rubrik zu Berliner Parks um. Wir blicken gern zurück: Unsere Geschichts-Rubrik erzählt euch von der Vergangenheit Berlins.

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