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Tourismus lebt auf: 12 Dinge, an denen wir das Ende der Ruhe erkennen

Berlin gehörte zuletzt viele Monate vor allem den Menschen, die hier leben. Die Anzahl jener, die die Stadt touristisch erkundeten, war gering. Es brauchte nur eine globale Krise, um sich vorstellen zu können, wie die Welt vor ein paar Jahrzehnten aussah, als Massentourismus, Flixbus und Ryanair noch grausige Utopien waren. Doch sie kommen zurück, mit Wucht: Dieser Tage erleben wir so etwas wie eine Ruhe vor einem (möglicherweise allerdings wieder kurzen) Sturm. Denn die zuletzt zwangsträge Masse Reiselustiger kommt wieder in Schwung. Woran wir erkennen, dass der Tourismus in Berlin wieder auflebt? 12 Beispiele.


Es fahren wieder mehr Busse durch die Stadt

Mehr rein und raus als früher im Kitkat: Hop-on/Hop-off-Bus am Brandenburger Tor. Foto: Imago/Ritter

Die Hop-on/Hop-off-Busse, besonders auffällig die, die oben geöffnet sind, fahren wieder durch die Stadt. Und es wurden auch schon wieder vermehrt die klassischen Reisebusse gesehen, die an allen möglichen und unmöglichen Orten Dutzende Menschen unkontrolliert auf Fuß- und Radwege springen lassen. Bitte Augen offenhalten! Geht übrigens auch sehr günstig, das mit der Stadtrundfahrt: Die Linie 100 – Sightseeing im gelben Doppeldeckerbus.


Museen, Zoo, Events: Schneller werden

Wenn alle gaffen, einfach mal ausspannen: Ein Kerabau, die Haustierform des wilden asiatischen Wasserbüffels, im Tierpark Berlin-Friedrichsfelde. Foto: Imago/Hohlfeld

Wer nicht gerade zu Yayoi Kusamas Retrospektive will oder wollte, hatte in Berlin kulturell zuletzt freie Bahn: In den meisten Museen gab es auch recht kurzfristig noch freie Slots, auch andere Attraktionen wie der Zoo oder zaghafte erste Events waren meist ohne lange Wartezeiten und Ticketkampf leicht zu besuchen. Nun müssen wir wieder besser planen – denn mindestens die großen Häuser auf der Museumsinsel und die anderen größeren Player in der Stadt erfahren (erfreulicherweise) wieder Zulauf. Unsere Planungskompetenz wird entsprechend wieder stärker auf die Probe gestellt.


Schräge Blicke!

Ruda Puda, Rolf Scheider, Julian F.M. Stoeckel und Cara Ciutan beim Sekt-Empfang zum Re-Opening der Berliner Touristik. In Neustadt am Rübenberge sehen die Leute meist doch anders aus. Ist aber nicht unser Problem. Foto: Imago/Future Image

Nein, sie haben es nicht laut gesagt. Aber sie starrten, sie starrten, als würden sie Außerirdische sehen: Die kleine Familie, Vater, Mutter, Kind, konnte kaum die Augen in den vorgesehen Höhlen halten, so sehr starrten sie das im Café neben ihnen sitzende schwule Pärchen an. Zum Glück kam kurz darauf eine junge Frau vorbei, die sehr nach Technoparty aussah. Die zog dann die geschlossene Familienaufmerksamkeit als nächstes auf sich. Ja, in Berlin gibt es immer was zu sehen. Weshalb Menschen aus Berlin schon lange nicht mehr hinschauen. Nur wird dann eben doch wieder mehr gestarrt. Weil’s das in Neustadt am Rübenberge eben alles nicht gibt.


Der Arbeitsweg wird wieder anstrengender

Ach was war es schön, nach Feierabend durchs Brandenburger Tor zu gleiten mit dem Fahrrad. Oder in der Bahn zur Mittagsschicht an der Friedrichsstraße tatsächlich ein en Sitzplatz zu bekommen? Tja, es waren gute Zeiten. Doch sie sind vorbei. Natürlich sind wir weit entfernt von der früheren Hochsaison. Und doch ist es wieder voller an den Bahnstationen in Mitte, und doch wird der Slalom zwischen den Selfie-Grüppchen am Brandenburger Tor wieder anstrengender.


Leihfahrräder

Wer wird denn gleich? Ein aus der Spree geborgenes Fahrad einer Mietfirma am Bode-Museum. Foto: Imago/Hohlfeld

Wieder vorab: Wir freuen uns für alle Fahrradverleiher und ähnliches, dass sie endlich wieder Geld machen. Und gerade satteln definitiv wieder mehr Leute auf gemietete Fortbewegungsmittel auf. Fortbewegt wird sich in aller Regel auf eine von zwei Arten:

  • a) Ich habe alle Zeit der Welt und mir doch egal, ob Hildegard und ich nebeneinander radelnd mitten im Berufsverkehr effektiv alle anderen blockieren oder
  • b) mir gehört diese verdammt Stadt, ich kenne keine Regeln, Anarchie!

Als würde es in der Stadt nicht schon genug Arten von nervigen Radfahrenden geben, oder? Über Scooter reden wir gar nicht erst.


Funktionskleidung gepaart mit Rucksack vorn

In Berlin wird überall gestohlen. Deshalb ist es sinnvoll, seinen Rucksack vor dem Bauch zu tragen. Immer und überall. Zumindest scheint das auf einem Memo zu stehen, dass viele Menschen vor Besuch der Hauptstadt bekommen. Gern ist das gepaart mit Multifunktionskleidung. Im Wetterbericht war ja eine Wolke zu sehen, vielleicht müssen wir am Ende auf den Fernsehturm klettern, statt den Fahrstuhl zu benutzen, oder vor echten Bären flüchten. Da muss man vorbereitet sein.


Schlangen werden länger

In Berlin wird sich gern angestellt. Vorm Berghain zum Beispiel oder (in Zeiten vor Zeitfenstern) auch für besonderes Ausstellungen. Oder Essen. Wir merken nun, dass die Schlangen vor Institutionen wie Mustafas Gemüse-Kebap, Primark und der Auskunft im Hauptbahnhof eklatant wachsen. Zum Glück jene, in denen sich die meisten Menschen, die dauerhaft in Berlin sind, ohnehin nie einreihen.


Vapiano und Co. haben wieder Kundschaft

Ein Gefühl von Heimat: Vapiano. Kann man machen, muss man aber nicht. Foto: Imago/Schöning

In Berlin ist wenig leichter als für wenig Geld richtig gut auszugehen. Essen und Trinken ist hier vergleichsweise günstig, und oft genug auch recht gut. Aber nicht alle wollen essen, was sie nicht kennen. Service-Gastronomie wie Vapiano ist selbst von Skandalen nicht totzukriegen, und in der L’Osteria sind die Pizzen halt einfach groß, da kann man nichts gegen sagen. Geschmack? Ja schon immer streitbar. Aber wir sind ja froh, wenn wir beim Lieblingsitaliener noch einen Platz bekommen, also gewinnen alle.


Unvorhersehbares Verhalten

„Hey, ganz gut, aber das Tor is gar nicht drauf!“ „Ach herrje, da dreh ich mich mal schnell um 180 Grad und achte dabei nicht darauf, was um mich rum abgeht, okay?“ „Ja geile Idee, Schatz, ich lieb dich so!“ Foto: Imago/Panthermedia

Ein Kollege klagte jüngst in der Morgenkonferenz, ihm liefen jetzt wieder häufiger Menschen spontan vors Rad. Weil die eben nicht darauf geschult sind, dass in Berlin vielerorts ein bisschen mehr lost ist auf Rad- und Fußwegen als in der Kleinstadt, in der jede:r über 18 sein eigenes Auto hat. Eine Kollegin konnte seine Geschichte toppen: Sie wurde mal von einem rapide geschwenkten Selfie-Stick vom Fahrrad geholt. Sie habe nach eigenen Angaben latent ungehalten reagiert. Zurecht.


Wieder mal Auskunft spielen

Auch das passiert wieder öfter: Hilflose Paare fragen, wo denn nun der Fernsehturm sein, Gruppen spaßhungriger Halbstarker nach dem James-Simon-Park und an der Warschauer Straße wird wieder häufiger Auskunft verlangt, wo denn nun die Party steige (oder es Dope oder härtere Drogen zu kaufen gibt). Bitte bloß immer freundlich antworten. Sonst heißt es bei den Gästen Zuhause wieder: „In Berlin sind alle so unfreundlich.“ Dabei haben sie in aller Regel nicht einmal die echte Berliner Schnauze mitbekommen.


Streitende Tourist:innen

Auch das sehen wir wieder öfter: Paare, die sich streiten. Mit Stabrucks-Bechern, Rucksack und Stadtplan ausgerüstet, wüten sie über die richtige Richtung, sind übermüdet und/oder genervt oder enttäuscht. Wie etwa der junge Mann, der seine Begleitung beschimpfte, weil sie nicht gewusst hatte, dass zum Feiern im Berghain-Garten weiterhin einen negativen Test braucht. Und vor den Türstehern die Geduld verlor und lospöbelte. Das macht übrigens erstens das Reinkommen nicht einfacher. Und zweitens ist das auch ziemlich unangenehm für alle Umstehenden. Zumal der Trottel halt auch einfach selbst vorher hätte checken können.


Ein bisschen Hoffnung

Willkommen: Auch, wenn Touris manchmal nerven: Berlin braucht sie – es hängen viele Existenzen am Besuch von anderswo. Foto: Stefan Zeitz

Woran man auch erkennt, dass die Touris zurück sind? Dass es wieder ein wenig Hoffnung gibt für Hoteliers, für Restaurantbetreibende, für Souvenirvertreibende – eben für alle, die ihren Lebensunterhalt verdienen damit, dass Berlin besucht wird, dass Menschen kommen, die Dinge tun, die Einheimische und viele Zugezogene nicht mehr machen. Vor allem in ihrem Sinne ist es, dass es weitergeht. Hoffen wir das Beste. Und ärgern wir uns ein bisschen weniger über das, was manchmal ärgerlich ist. Selbst, wenn Touris doch wirklich manchmal richtig nerven.


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