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Kuriose Orte

Umfunktionierte Toiletten in Berlin von Klappe bis „PiBu“

In Berlin findet man einige umfunktionierte Toiletten. Man könnte meinen, es sei eine gewagte Idee, so einen Ort in Restaurants zu verwandeln, in Imbissbuden, Kunstgalerien oder Clubs. Die einstigen Bedürfnisanstalten, wie es im feinsten Behördendeutsch heißt, wurden von engagierten Menschen vor dem Abriss bewahrt. Von hohen Sanierungskosten und üblen Gerüchen ließen sie sich nicht abschrecken, sodass aus den ehemaligen Klos heute etwas ganz anderes geworden ist. Wir zeigen euch unsere Favoriten.


Tanzen in unterirdischer Toilette

Im Tageslicht ist der Club auf dem Mittelstreifen zwischen Yorckstraße und Mehringdamm kaum zu erahnen. Foto: Ferdinand Wulff

Auf dem von außen recht unscheinbar wirkenden Mittelstreifen zwischen Yorckstraße und Mehringdamm führt eine Treppe hinab in eine ehemalige öffentliche Toilette, die zum Club umfunktioniert wurde. Zwei Jahrzehnte blieb sie ungenutzt und eigentlich verschlossen, bis Flint Neiber und Sören van Laak auf einem illegalen Rave in der Toilettenanlage auf die Location aufmerksam wurden. Neiber, Veranstaltungstechniker und Sohn des Sage-Club Besitzers Sascha Disselkamp, witterte die Chance auf sein erstes eigenes Projekt. Er entwarf mit seinem Partner ein Konzept, das den Wettbewerb des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg gewann.

Daraufhin standen erst einmal umfangreiche Sanierungen an, weil Wasser-, Gas- und Stromanschlüsse fehlten. Die alten Graffitis an den Kachelwänden blieben aber erhalten, die wie der Name des Clubs an die frühere Nutzung der Räumlichkeiten erinnern. Klappen bezeichnen in der queeren Szene öffentliche Toiletten, an denen Männer mit Männern mehr oder weniger anonym Sex haben. Auf den 110 Quadratmetern im Berliner Untergrund finden mittlerweile regelmäßig Partys statt. Der vergleichsweise kleine Club mit eigener Bar ist für 75 Menschen zugelassen.

  • Zur Klappe Yorckstr. 0 (Mittelstreifen), Kreuzberg, weitere Infos hier

Französisch dinieren in umfunktionierter Toilette am Müggelsee

Umfunktionierte Toiletten: Das idyllisch gelegene Häuschen lässt nichts von der früheren Nutzung erahnen. Foto: Dennis Masuch/Domaines Berlin

In einem ehemaligen Toilettenhäuschen am Müggelsee werden saisonal Muscheln, Bouillabaisse und Zanderfilet zubereitet. Die Betreiberin Alexandra von Scholz setzte damit erfolgreich ihre Vision von dem kleinen historischen Gebäude direkt am Wasser um, obwohl ihre Partnerin und auch die Anwohner:innen anfänglich skeptisch waren. Mit der Zeit wurde das Restaurant mit französischer Küche aber gut angenommen. Wer heute dort mit Blick auf den See Austern schlürft, kommt nicht auf den Gedanken, dass früher Menschen hier hingingen, um sich zu erleichtern.

  • Domaines Berlin Josef-Nawrocki-Str. 22, Friedrichshagen, Mo+Do 15–22 Uhr, Fr–So 12-22 Uhr, Tel. 030/64 09 18 79, weitere Infos hier

Umfunktionierte Toiletten: Stärkung für den Spaziergang in der Schiller-Oase

Nach einem Spaziergang durch den Schillerpark kann man sich in dem ehemaligen Toilettenhäuschen stärken. Foto: Ferdinand Wulff

Im nordöstlichen Teil des Schillerparks im Wedding kann man sich nach einem Spaziergang auf der Terrasse der Schiller-Oase mit Pizza, Nudeln und Crêpes stärken. Der Pächter Masoud Nayebzadeh hatte wohl den richtigen Riecher. Denn er füllt mit seinem kleinen Restaurant, das ursprünglich ein Toilettenhäuschen im Jugendstil war, eine Marktlücke. Im gesamten Park gibt es sonst keine Anlaufstelle für Essen und Trinken. Einzigartig ist zudem, dass sich im hinteren Bereich der ehemaligen öffentlichen Bedürfnisanstalt eine kleine Ausstellung über die Siedlung Schillerpark versteckt, die als Teil der „Siedlungen der Berliner Moderne“ UNESCO-Welterbe ist. Zutritt bekommt, wer lieb bei Masoud und seinem Team nach dem Schlüssel fragt.

  • Schiller-Oase Dubliner Str. 59, Wedding, tägl. 10–22 Uhr, Tel. 0175/566 30 37, weitere Infos hier

Berlins berühmteste umfunktionierte Toilette: Burgermeister am Schlesischen Tor

Teilweise stehen an der umfunktionierten Toilette bis zu 50 Menschen für die leckeren Burger an. Foto: Imago/imagebroker/Joko

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Im wahrscheinlich berühmtesten Toilettenhäuschen Berlins bekommt man heute schmackhafte Burger und Pommes serviert. Man erkennt noch relativ einfach, nicht zuletzt wegen der Schilder für das Männer- und Damenklo, dass der Imbiss einst eine öffentliche Toilette war. Das kleine grüne Häuschen unter den Hochbahnsteigen am U-Bahnhof Schlesisches Tor stellt den Startpunkt für die Erfolgsstory von Burgermeister dar. Doch der Weg dahin war für den Besitzer Cebrail Karabelli alles andere als einfach. Schon 2003 fiel ihm das damals noch ungenutzte Häuschen auf. Nach einem langen Hürdenlauf von Amt zu Amt konnte er endlich den Besitzer ausfindig machen. Eigentlich wollte dieser die Toilette wieder in Stand setzen und öffnen, doch 20 Jahre lang geschah nichts.

Trotz viel Gegenwind der Ämter bekam Karabelli die Möglichkeit, einen Mietvertrag zu unterschreiben. Damit hatte die Arbeit aber erst so richtig begonnen. Im Häuschen musste viel gemacht werden, unter Berücksichtigung der vielen Anforderungen der Ämter. Vieles hat der neue Pächter selbst in die Hand genommen. Nach drei Jahren konnte er schließlich eröffnen, und das ein paar Monate vor der WM 2006. Für Karabelli war das ein glücklicher Zufall, denn damit kamen viele Touris in die Stadt. So wurde der Burgermeister schnell in Reiseführern als Geheimtipp aufgenommen. Seit 2018 ist das Unternehmen ein Franchise-System mit mehreren Standorten in Berlin. Aber so außergewöhnlich wie die umfunktionierte Toilette sind die anderen Filialen nicht.

  • Burgermeister Oberbaumstraße 8, Kreuzberg, tägl. ab 11 Uhr, weitere Infos hier

Kunstbrücke am Wildenbruch: Kommunale Galerie in umfunktionierter Toilette

Von außen etwas unscheinbar: Die Kunstbrücke am Wildenbruch befindet sich in einem umfunktionierten Klo. Foto: Nihad Nino Pušija

Direkt am Neuköllner Schifffahrtskanal kann man in einer einstigen Toilettenanlage Kunst betrachten. Die am Wasser gelegene Anlage wurde 2021 zu einer Galerie umgebaut, nachdem sie lange nicht genutzt worden war. Einiges wurde beibehalten, wie die weißen Kachelwände. Denn auch hier wollte man die frühere Nutzung nicht einfach verdecken, sondern mit ihr spielen und in Beziehung zur Kunst setzen. Nicht nur in den vier Innenräumen gibt es Ausstellungen zu sehen, auch im Außenbereich wird Kunst ausgestellt, und auf dem Wasser finden sogar Performances statt. Die Kunstbrücke am Wildenbruch ist die dritte im Bunde der Neuköllner Mitglieder des Arbeitskreises Kommunale Galerien Berlin neben der Galerie im Saalbau und am Körnerpark.

  • Kunstbrücke am Wildenbruch Weigandufer Ecke Wildenbruchbrücke, Neukölln, Mi-So 12-20 Uhr, Eintritt frei, weitere Infos hier

Saftige Köfte im umfunktionierten Toilettenhäuschen

Kral Kavurma-Köfte scheint im ehemaligen Toilettenhäuschen länger zu überleben als andere Imbisse. Foto: Luka Godec

In dem kleinen, denkmalgeschützten Häuschen auf dem Hohenstaufenplatz bekam man in den vergangenen Jahren einiges geboten, jedenfalls in der Varianz der angebotenen Gerichte. Von Falafel über Burger bis Ramen und Pommes war einiges dabei. Bei der Abwechslung kann überraschen, dass die ganze Zeit über der Besitzer nie gewechselt hat. Kemal Salis übernahm 2005 die Toilette und renovierte sie. Bei den sich häufig wechselnden Imbissen war er aber nie in der Küche involviert. 2022 kam der Moment, als Salis sich dazu entschied, sein eigenes Projekt zu verwirklichen. Seitdem bekommt man in dem ehemaligen Toilettenhäuschen saftige Köfte im gegrillten Brot serviert.

  • Kral Kravurma Köfte Hohenstaufenplatz, Kottbusser Damm, Kreuzberg, tgl. 8-3 Uhr, Tel. 0177/484 90 85, Instagram

Grunewalder Institution: „PiBu“ am Hagenplatz

In der „PiBu“ am Hagenplatz speisten schon Angela Merkel, Frank-Walter Steinmeier und Juan Carlos I. Foto: Ferdinand Wulff

Im feinen Grunewald befindet sich der Edel-Italiner Capriccio in den Räumen einer früheren Wartehalle mit Damen- und Herrentoilette. So erklärt sich auch der Spitzname „PiBu“: kurz für „Pissbude“. Trotz und vielleicht auch wegen dieses Namens entwickelte sich das kleine Restaurant des Irakers David Kayat zu einer echten Institution, in der schon das Who’s Who aus Wirtschaft und Politik zu Gast war. So kamen Angela Merkel, Frank-Walter Steinmeier oder der ehemalige Spanische König Juan Carlos I. in die „PiBu“ am Hagenplatz und aßen die hausgemachte Pasta, die köstliche Kalbsleber oder den frischen Fisch.

  • Ristorante Capriccio Hagenplatz 2, Grunewald, tgl. 12-24 Uhr, Tel. 030/826 36 80, weitere Infos hier

Umfunktionierte Toiletten in Berlin: Bretonische Spezialitäten in uriger Hütte

Man sieht es dem schnuckligen roten Häuschen im Stil eines Tiroler Bauernhauses in der Kantstraße nicht direkt an, dass es 1905 ursprünglich für öffentliche Sanitäranlagen erbaut wurde. Heute bekommt man am selben Ort süße Crêpes oder das herzhafte Gegenstück, Galettes zubereitet, wahlweise begleitet von einem Apéritif. Wenn es das Wetter erlaubt, kann man draußen auf der Terrasse verweilen, wo im Sommer farbenfrohe Pflanzen sprießen. Sobald es ungemütlicher wird, kann man sich in den Innenraum neben den Kamin verziehen.

  • Crêplala Kantstr. 85a, Charlottenburg, Mi-Sa 15-22 Uhr, So 14-18 Uhr (in den Sommermonaten sonntags geschlossen), Tel. 01578/700 85 85, weiter Infos hier

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Ihr wollt mehr über Berliner Toiletten lesen? Dann sind hier 12 Klos vom Café Achteck zur City Toilette. Gute Imbisse auch ohne Toiletten-Vergangenheit haben wir euch an der Stelle zusammengestellt. Die wohl schönsten öffentlichen Toiletten nennt man in Berlin Café Achteck – wir blicken auf ihre Geschichte. Und die 12 kultigsten Imbissbuden, die das Stadtbild präg(t)en, sind hier zu finden. Ganz einfach: Die App EasyPZ hilft euch, öffentliche Toiletten in eurer Nähe zu finden. Aktuelle Artikel zur Berliner Gastro-Szene könnt ihr in unserer Food-Rubrik lesen. Alles, was Berlin bewegt, deckt unsere Stadtleben-Rubrik ab.

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