• Stadtleben
  • Aus Moabit nach Charlottenburg-Nord: Tausche Späti gegen Volkspark

Alter Kiez, neuer Kiez

Aus Moabit nach Charlottenburg-Nord: Tausche Späti gegen Volkspark

Unsere Autorin ist während ihres Studiums aus Moabit nach Charlottenburg-Nord in die Nähe der Jungfernheide gezogen. Geografisch gesehen kam sie somit nicht weit, doch trotzdem ist es gefühlsmäßig wie eine andere Welt. Von der trubeligen Berliner Insel, die (fast) alles zu bieten hat, in ein Wohngebiet, das so ruhig ist, dass es nicht einmal Spätis gibt. Über diesen Umbruch schreibt sie hier. 

Anschluss an den Rest der Stadt: die U7-Station Jakob-Kaiser-Platz in Charlottenburg-Nord. Foto: Imago/Jürgen Ritter

In Charlottenburg-Nord fehlt das Berliner Lebensgefühl

Im April 2020 konnte ich meinen ersten eigenen Mietvertrag unterschrieben. Nun stand ein Umzug von Moabit in die Jungfernheide in Charlottenburg-Nord an. Ich war schon mehrere Monate auf Wohnungssuche und hatte endlich Glück im Unglück, was wohl mit der Corona-Pandemie zusammenhängt: Zu der Zeit war die Lage unsicher, zumindest gefühlt haben sich weniger Menschen auf den Wohnungsmarkt begeben.

In Moabit habe ich meine gesamte Kindheit und Jugend verbracht und verbinde demzufolge auch sehr viel mit dem Stadtteil. Auch wenn mein neuer Wohnort nur in knapp drei Kilometer Luftlinie entfernt liegt, fühlt es sich doch wie eine andere Welt an. Manche Dinge lernt man erst so richtig wertzuschätzen, wenn man auf sie verzichten muss. In der Jungfernheide habe ich zum Beispiel keinen Späti oder eine Dönerbude in fußläufiger Entfernung. In Moabit kennt man solche Probleme nicht. Da ist die Versorgung mit allem so gut wie zu jeder Tag- und Nachtzeit sichergestellt. Nun habe ich direkt vor der Tür einen Supermarkt – und einen Kiosk, der um 18 Uhr schließt. Ich wohne jetzt zwar nur knapp außerhalb des S-Bahn-Rings, aber es fühlt sich schon nicht mehr nach dem Berlin an, das ich kenne.

Es sind schon große Unterschiede zwischen den Menschen, die in den Stadtteilen leben. Moabit hat sich für mich immer jung und lebendig angefühlt, in den Altbauten haben sich Student:innen-WGs und Familien angesiedelt. In Charlottenburg-Nord hingegen fühle ich mich fast fremd. Viele Siedlungen hier sind in den 1960er-Jahren entstanden, und ich habe nicht den Eindruck, dass sich an der Bevölkerungsstruktur seitdem viel verändert hat.

Charlottenburg-Nord: Ruhige Gegend mit Autobahn

Es ist ruhig hier, die Gegend um die Jungfernheide ist durch Wohngebiete und Kleingartenanlagen geprägt und dementsprechend ruhig – mit einer großen Ausnahme: Die Autobahn verläuft mitten durch den Stadtteil. Zum Glück ist sie aber von meinem Balkon aus nicht zu hören. Schön ist ihr Anblick aber dennoch nicht. Wenn ich den Bus nehmen oder in den angrenzenden Park möchte, muss ich sie stets bei ohrenbetäubenden Lärm überqueren.

Die A111, die mitten durch den Stadtteil verläuft. Foto: Imago/Jürgen Ritter

Aber der Weg lohnt sich, abseits der Autobahn wartet der Volkspark Jungfernheide auf mich. Wenn man nur die überschaubaren grünen Flecken in Moabit gewohnt war – den Kleinen Tiergarten an der Turmstraße und den Fritz-Schloß-Park – ist das definitiv eine Verbesserung. Ich kann hier stundenlang spazieren, in der Pandemie haben sich das ja ohnehin viele Menschen zur Routine gemacht. Neben den vielen Wegen zum Schlendern hat der Park noch mehr im Angebot: Im Hochseilgarten kann man sich in die schwindelerregende Höhe der Baumkronen begeben, im Hundeauslaufgebiet können sich die Vierbeiner stressfrei austoben, im Freibad kann man sich im Sommer eine kleine Abkühlung gönnen, und im Kulturbiergarten ist man zu jeder Jahreszeit gut versorgt. 

Doch wie schön der Park auch ist, er allein kann nicht das ausgleichen, was mir in meiner Nachbarschaft fehlt. Gerade in den Wintermonaten fällt einem auf, wie trist und grau die Gegend ist, wenn es das Grün der Bepflanzung nicht mehr überdecken kann. Mittlerweile habe ich mich zwar ganz gut eingelebt in dem Kiez, aber in Zukunft wird es mich wohl doch wieder mehr in einen zentraler gelegenen Bezirk ziehen. 


Mehr zum Thema

Das typische Charlottenburg zeigen wir euch hier von seinen schönsten Seiten. Noch mehr aus dem Stadtteil findet ihr auf unseren Charlottenburg-Seiten. Und was wir über Moabit schreiben, findet ihr hier. Wie ist es eigentlich, von Neukölln nach Moabit zu ziehen? Unser Autor hat den Erfahrungsbericht. Oder von weiter her? Unsere Autorin ist aus der Schweiz nach Berlin gezogen.

Tip Berlin - Support your local Stadtmagazin