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Umzug von Wien nach Berlin: Kulturschock bei den Piefkes?

Unsere Autorin ist vor wenigen Wochen von Wien nach Berlin gezogen, zwei Kulturmetropolen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Sie hat Österreichs Hauptstadt und das mürrische „Schleich di, du Wappler!“ hinter sich gelassen. Und findet auch in Berlin einen ganz eigenen Charme.

Umzug von Wien nach Berlin: Prenzlauer Berg. Foto: Imago/Emmanuele Contini

Umzug von Wien nach Berlin: Bye, bye „Wiener Grant“

Wien als Stadt hat viel zu bieten, doch Freundlichkeit fällt nicht darunter. Trotz der kurzen Zeit die ich erst in Berlin wohne, schätze ich den freundlichen Ton. Es mag übertrieben klingen, aber der „Wiener Grant“ – eine mürrische und grimmige Grundstimmung – ist tatsächlich nicht nur weit verbreitet, sondern allgegenwärtig. Das „Raunzen“ als verbale Ausdrucksform des „Wiener Grants“, das mit Nörgeln übersetzt werden kann, begleitet die Wiener:innen und Wahlwiener:innen durch den Alltag. Wer auf der Rolltreppe auf der falschen Seite steht, darf nicht selten mit einem „Hearst?!“ oder „Schleich di, du Wappler!“ gepaart mit einem „links gehen, rechts stehen!“ rechnen. Auch wer die Straße beim Zebrastreifen überquert, kann sich nicht in Sicherheit wähnen: So wurde mir in meiner letzten Wien-Woche „Schaun kannst auch, du Deppate!“ zugerufen, weil ich auf mein Vorrecht bestanden habe.

Links gehen, rechts stehen! Foto: Imago/Mika Volkmann

Hallo „herzlich und offen“

In Berlin hingegen erlebe ich eine herzlichere und offenere Atmosphäre. Kleine Gesten, wie ein freundliches „Guten Morgen“ im Café oder ein „Kann ich Ihnen helfen?“ in einem Geschäft schaffen ein Gefühl des Willkommenseins. Ob die jahrelangen Begegnungen mit dem „Wiener Grant“ alles in einem besseren Licht erscheinen lassen oder mein positiver Eindruck bestehen bleibt, wird sich mit der Zeit zeigen. Eine Art Pendant zum „Wiener Grant“ soll die „Berliner Schnauze“ sein. Bisher ist mir diese noch nicht untergekommen, jedoch wurde ich „gewarnt“. Liegt es an meiner Nachbarschaft im Prenzlauer Berg und/oder ist es nur eine Frage der Zeit, bis ich mir typisch berlinische Beleidigungen anhören muss? Sobald mich das erste Mal jemand „Jammalappm“ nennt, bliebe nur noch eine Frage übrig: Wer macht das Rennen um die unfreundlichste Stadt?

Von der Kaffehaus- zur Späti-Kultur

Ein weiterer markanter Unterschied zwischen Wien und Berlin zeigt sich zwischen der Kaffeehauskultur und Späti-Kultur. In Wien sind die traditionellen Kaffeehäuser ein wesentlicher Bestandteil des städtischen Lebens – Orte des Nachdenkens und der stilvollen Geselligkeit, wo man stundenlang bei einer Melange und einem Stück Sachertorte verweilen kann. Berlin hingegen lebt die Späti-Kultur. Die geliebten und beliebten Spätis, die oft bis spät in die Nacht geöffnet sind, bieten nicht nur eine schnelle Versorgung mit Getränken und Snacks, sondern sind auch Treffpunkt für spontane Begegnungen und Gespräche. Spätis sind unkonventiell und lebendig, zumindest im Vergleich zur wienerischen Gemütlichkeit in den Kaffeehäusern.

Wiener Kaffeehauskultur. Foto: IMAGO/imagebroker/G. Lenz

Tradition trifft auf Experimentierfreude

Berlin als auch Wien sind Kulturmetropolen, unterschiedlicher könnten sie jedoch kaum sein. In Wien wird sich gerne auf die jahrhundertealte Tradition berufen und nicht zu unrecht stolz auf die Namen Beethoven, Klimt, Mozart, Hundertwasser oder auch Arthur Schnitzler und Vereine wie die Wiener Philharmoniker verwiesen. Dem steht Berlin in nichts nach, die Liste der berühmten Berliner:innen ist lang, auch die Philharmonie Berlin muss sich nicht verstecken. Im Vergleich zu Wien ist Berlin allerdings deutlich experimentierfreudiger: Statt Wiener Opernball verwandelt sich die Deutsche Oper zum Ende der Spielzeit in einen Techno-Club.

Vom Schnitzel zur Currywurst

Typisch Berlin: Konnopke’s Currywurst. Foto: Imago/Arnulf Hettrich

Ein weitere Umstellung, die durch den Umzug von Wien nach Berlin mit einhergeht, ist der kulinarische Wandel. Wien, bekannt für seine traditionelle Küche, bietet Klassiker wie Wiener Schnitzel, Tafelspitz und dem Altwiener Zwiebelrostbraten mit Braterdäpfeln. Diese Gerichte sind nicht nur ein Genuss, sondern auch Ausdruck der reichen österreichischen Esskultur. Neben der deftigen Altberliner Küche in Traditionsrestaurants lässt sich auch eine kulinarische Weltreise in Berlin starten. Am besten hat mir trotzdem bisher einer der Berliner Klassiker gefallen: die Currywurst. Überall trifft man auf Imbisse, die frische, schmackhafte Currywurst anbieten. Ein Glück lassen sich in der vielfältigen Hauptstadt sowohl die beste Currywurst als auch die besten Adressen für ein klassisches Wiener Schnitzel in Berlin finden, so muss auf nichts verzichtet werden. Käsekrainer oder Currywurst, Wien oder Berlin? Beide Städte haben mein Herz erobert, welche Stadt das Rennen macht, wird die Zeit zeigen.


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Seid ihr auch frische Wahlberliner:innen? Mit ein paar Tricks für Neu-Berliner:innen fällt die Eingewöhnung deutlich leichter. Doch es gilt auch Vorsicht nicht die Nerven der alteingesessenen Berliner:innen als Zugezogene zu strapazieren. Wer allerdings diese Dinge im Hinterkopf behält wird sofort Berlin lieben lernen. Und für alle ihre österreichische Heimat vermissen oder alle die ein Stück Alpenrepublik noch heute erleben wollen lässt sich auch Österreich in Berlin erleben.

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