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Umzug von Wuppertal nach Berlin: Tausche Schwebe- gegen U-Bahn

Unsere Autorin hat vor etwas über einem Jahr alles auf eine Karte gesetzt. Sie verließ ihre Heimat Wuppertal, ihr sicheres Umfeld und zog schlagartig in die turbulente Hauptstadt. Zwischen Abschiedsschmerz, Altbau-Romantik, WG-Putz-Plan und der U8 findet sie sich neu. Hier erzählt sie von ihrem Start in Berlin – und den Unterschieden zu Wuppertal.

Die Schwebebahn ist ein Wahrzeichen von Wuppertal – genauso wie die kleine Statue vom Elefanten Tuffi. Foto: Imago/Blickwinkel/S. Ziese

Meine geliebte Oma pflegte zu sagen: Wenn sich einmalige Möglichkeiten ergeben, sollte man die Chance ergreifen, andernfalls würde man bereuen es nicht gewagt zuhaben. Als mich spontan die Nachricht von meinem damaligen Freund erreichte, der bereits in Berlin lebte, eine wunderschöne Altbauwohnung in Neukölln zu übernehmen und einen unbefristeten Mietvertrag zu bekommen, dachte ich an meine Omi zurück und ergriff die Chance. 

Es fiel mir sehr schwer, das Leben, das ich mir aufgebaut hatte, die mit so vielen Erinnerungen gefüllten Straßen Wuppertals sowie meine Freund:innen zurückzulassen. Es musste dann alles ganz schnell gehen. Innerhalb von zwei Wochen organisierte ich einen Blitz-Umzug und saß in einem bis unters Dach mit Umzugskisten beladenen Sprinter, mit meinem Hund auf dem Beifahrersitz, Richtung Berlin.  

Den Blick auf die Straße gerichtet, gingen mir viele Gedanken durch den Kopf: “Wird das Geld reichen? Was erwartet mich? Wie wird das Zusammenleben mit einem Partner? Finde ich Anschluss?” Und irgendwo in all diesen Gedanken war auch die Hoffnung: „Vielleicht komme ich in Berlin meinen Traum, Journalistin zu werden, ein kleines Stück näher!” 

Aller Anfang ist schwer 

Bevor wir unsere erste gemeinsame Wohnung beziehen konnten, mussten wir zwei Monate in einer WG überbrücken. Für mich, sonst Einzelgängerin in Sachen Wohnen, war es eine Herausforderung. Plötzlich fand ich mich zwischen fremden Zahnbürsten, WG-Putzplänen (Spoiler: ich war der Plan) und wenig Privatsphäre wieder. Ich weiß noch, wie ich dachte: „Und so leben unzählige viele Menschen hier? Tag für Tag? Wie machen die das nur?“

Parallel dazu fing ich auch einen neuen Job an, der auch einiges von mir abverlangte. Besonders die ersten Monate machten mir sehr zu schaffen. Ich arbeitete sechs Tage die Woche, acht Stunden täglich – alles, um Miete und Kaution für unser neues Zuhause zu wuppen. Berlin war teuer, viel teurer, als ich es aus dem überschaubaren Wuppertal kannte. Da war es um einiges leichter, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. 

Existenzängste klopften an die Tür. Zuvor waren mir Themen wie hohen Mieten, mangelnder Wohnraum und Gentrifizierung eher als Thema aus der Tagesschau bekannt. Doch wenn es einen selbst betrifft, wird es zur bitteren Realität. 

Nicht der Hund der Autorin, sondern eine Schneeskulptur. Foto: Imago/Christian Spicker

Dazu kam der kalte Winter, der Berlin nach meinem Umzug in ein tiefes Grau tauchte und meine Stimmung nicht sonderlich hob. Zugegebenermaßen hatte ich es mir schlimmer vorgestellt. Alle sprachen von der berüchtigten Winterdepression, aber wart ihr schonmal in Wuppertal? Da gibt es sogar mehr Regentage als in London!  

Ich war so beschäftigt mit Arbeiten, damit, den Umzug zu verdauen und die Stadt auf mich wirken lassen, dass ich weder Zeit noch Lust hatte, Menschen kennenzulernen. Auch mein damaliger Freund wunderte sich über die fehlende Motivation meinerseits. Langsam fing ich an, meine Entscheidung anzuzweifeln und alles zu hinterfragen: „Könnte ich hier jemals glücklich werden?“ 

Die Berliner U-Bahnlinie 8. Foto: Imago/Berlinfoto

Einer der prägsamsten Erinnerung meiner Anfangszeit war meine erste U-Bahn-Fahrt – ausgerechnet mit der berüchtigten U8. Der Zug war brechend voll, der Boden klebte, es war laut, irgendwer hörte Musik ohne Kopfhörer und es stank nach Bier.

Kein Vergleich zur Wuppertaler Schwebebahn, die berühmt ist für ihre Geschichte mit Tuffi, dem süßen Elefanten, der bei der Einweihung der Schwebebahn mitfuhr – und aus dem Waggon mehrere Meter in die Tiefe stürzte. Zum Glück hat Tuffi den Sturz überlebt. In der Wupper erinnert heute eine kleine Skulptur an die waghalsige Elefantendame.

Die Schwebebahn ist das Rückgrat der Tal-Achse, sie bietet eine tolle Sicht auf das Stadtgeschehen. Die Bahn, die mit futuristischem Design und Innovation glänzt – und eine gewisse Distanz zu allem bietet. Berlin dagegen ist mit seinen U-Bahnen ehrlicher und näher dran an der Wirklichkeit – und die ist eben dreckig, laut, wild.

Auf der anderen Seite schätze ich Berlin sehr für ihr ebenes Landschaftsbild. Mit den flachen Strecken lässt sich vieles super mit dem Fahrrad erreichen. Anders als im bergischen Land, wo du der King bist, wenn du ein E-Bike hast. Eine weitere Eigenschaft, die ich schätze, ist die authentische Berliner Schnauze. Die Menschen hier sind offen und direkt, so weiß man, woran man ist. Das Berlinische ist geprägt von Ironie, Sarkasmus und Humor – eine sympathische Kombination!

Neustart – jetzt bin ich dran! 

Irgendwann kam die Kehrtwende. Nachdem die Beziehung ihr Ende nahm und ich an einem Punkt war, wo ich mich sehr allein gefühlt hatte, sah ich, auf mich gestellt zu sein und nahm es in die Hand. Vielleicht brauchte ich diesen Moment, um den Mut dafür zu sammeln, Berlin wirklich zu erleben. Ich wollte offener sein, stürzte mich also in die Massen, ging raus, stürzte mich ins Nachtleben. Wenn man es zulässt, wird man in Berlin mit offenen Armen empfangen: Ich lernte spannende Leute kennen, woraus sich echte Freundschaften entwickelten. Menschen, mit denen ich nächtelang auf Dächern saß, durch Galerien schlenderte, auf Flohmärkten stöberte und in verrauchten Bars die Zeit vergaß. Sie machen eine Stadt zum richtigen Zuhause.  

Foto: Imago/Gonzales/Marcus Andreassen

Was habe ich gelernt? 

Nun ist es mehr als ein Jahr her als ich meine Umzugskartons in Berlin auspackte. Ich hatte mir rückblickend viel zu viel Druck gemacht, mich sofort in die Stadt zu verlieben und alles neugierig erkunden zu müssen. Ich habe in diesem Jahr gelernt, geduldiger mit mir selbst zu sein. Ich habe gelernt, dass man sich erst verlieren muss, bevor man sich neu finden kann. Und dass ein Tapetenwechsel mehr verändert als nur den Blick aus dem Fenster. 

Berlin und ich haben es langsam angehen lassen. Ich habe, sozusagen, erst einen Zeh ins kalte Wasser reingehalten und bin dann Kopfüber ins Abendteuer gesprungen. Und bin gespannt, wohin mich diese Stadt noch treibt. 


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