• Stadtleben
  • Wasserwanderungen durch die Mark Brandenburg

200 Jahre Fontane

Wasserwanderungen durch die Mark Brandenburg

Im Kajak begeben wir uns auf Fontanes Spuren. Es ist ja schließlich das Jahr seines 200. Geburtstag

Foto: Andreas Burkhardt

Einer, der wie kaum ein anderer den Nah­raum erkundete, war der Schriftsteller Theodor Fontane (1819–1898). Im Juli 1859, als 40-Jähriger, brach er auf zu ausgiebigen Wanderungen, die ihn in verborgenste Winkel Brandenburgs führten, und das bis ins hohe Alter. 27 Jahre lang erwanderte er das Umland Berlins, erkundete zunächst seinen Geburtsort Neuruppin und das Ruppiner Land. Danach folgten das Oder-, Havel- und Spreeland.

Den Orten und Landschaften setzte er in den fünf Bänden seiner „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ ein Denkmal. Das Werk wurde schon zu Lebzeiten so populär, dass etliche Zeitgenossen auch die Romane Fontanes so lasen, als wären die darin vorgestellten Territorien real. So rief im Sommer 1882 der Berliner Geschichtsverein nach dem Vorabdruck der Erzählung „Schach von Wuthenow“ zu einer Exkursion von Schloss Wuthenow auf. Ein Fauxpas, über den sich der Dichter zunächst amüsierte, dann aber, als auch noch die Rezensenten falsche Schlussfolgerungen zogen, maßlos ärgerte, denn das Schloss existierte schlichtweg nicht. Und es ist auch heute noch, falls der geneigte Leser ebenfalls der Idee verfallen sollte, danach zu suchen, frei von jeder Existenz.

Ansonsten aber lohnt es sich, dem Beispiel Fontanes zu folgen. Zu Fuß wäre das eine feine Sache. Auch per Fahrrad. Doch ein Wasser­vehikel ist noch origineller, spielen doch, wie schon die Titel der „Wanderungen“ zeigen, die Gewässer eine zentrale Rolle. Wir nehmen das Kajak und setzen es 300 Meter südöstlich von Schloss Rheinsberg ein. Hier fließt der nach dem Rhein benannte Rhin. Ein anmutiges Flüsschen. Ach was, wir wollen übertreiben, ein gefährlicher Strom! Denn der Rhin hat, was selten ist in unseren Breiten, Gefälle. Er rauscht durch die „Ruppiner Schweiz“ zu Tal, macht Fahrt. Und das gefällt den Paddlern. An Sommerwochenenden ist hier der Deibel los.

Die kilometerlange und kurvenreiche Fahrt führt durch zauberhafte Schwarzerlen­wälder mitsamt hoher märkisch-sandiger Abbruchkanten. Ab und an kommt es unter den Kajakfahrern zu tollen Staus, immer dann, wenn umgefallene Baumriesen den Weg versperren und nur kleine, durch Verwirbelungen anspruchsvolle Durchfahrten freigeben.

An solchen Nadelöhren braucht es eine Weile, bis die weniger Geübten ihren Kahn in Position gebracht haben. Oder auch nicht. Irgendwie durch, lautet dann die Devise, egal wie. Manch einen, mit dem der Fluss sein Narrenspiel treibt, sieht man so unfreiwillig mit dem Heck voran durch das Hindernis strömen.

Fontane selbst spricht von der „schäumenden Jugend“ des Rhin, der „erst an der Südspitze des Molchow-Sees seine Hügelheimat aufgibt, um in das Schwäbische Meer dieser Gegenden, in den Ruppiner See, einzutreten, wo er bis zum Stillstand ruhig wird“.

Wer hinter das bloß Vordergründige kommen will, so Fontane, der muss seinen Blick schärfen, „seine Seele fertig machen“, Geschichte studieren. „Es ist mit der märkischen Natur wie mit manchen Frauen“, schrieb der Dichter 1864 im Vorwort zum ersten Band seiner „Wanderungen“, „auch die häßlichste – sagt das Sprichwort – hat immer noch sieben Schönheiten“.

Die Nuthe ist so ein Fall. Zunächst kaum mehr als ein Rinnsal. Und wenn man mit dem Kajak in Potsdam startet, wo die Nuthe unbemerkt oder, wie es bei Fontane heißt, „unter Sumpf und Wiesen versteckt“ in die Havel fließt, dann ist das, als würde man das Tor zur Unterwelt betreten. Nach einigen harmonischen Paddelschlägen durch den Nuthepark folgen heutzutage betonierte Auto- und Bahnbrücken, tief hängend, finster, voller verrosteter Abwasserrohre und sonstigem Unrat. Doch die Eintönigkeit des schnurgerade ins Bett gebannten Flüsschens nimmt ein Ende, sobald man die beiden lärmenden Autobahnbrücken des Berliner Rings unterschifft hat.

Von nun an wird die aus dem Hohen Fläming kommende Nuthe schön und erhebt an der Gabelung zur Nieplitz sogar den Anspruch, malerisch zu sein. Leider ist die Nieplitz für Wassersportler gesperrt, aber es lohnt sich, das Boot am Ufer zu vertäuen und von hier einen Spaziergang bis Blankensee anzutreten, wo ein Schlösschen lockt, das auch Fontane 1869 besuchte. Das gehörte einst dem Dramatiker Hermann Suderman. Ungemein idyllisch. Und ein klein wenig verwunschen durch den von Peter Joseph Lenné ent­worfenen, sich an die Seitenarme der Nieplitz anschmiegenden Park.

Wasserwandern auf den Spuren Fontanes – das ist vielerorts ergiebig. Dazu gehört auch Wohlbekanntes. Die Havel mit der Pfaueninsel zum Beispiel, die Sacrower Kirche, das Kloster Lehnin, von dem aus sich das inselreiche Biosphärenreservat der Osthavelniederung zwischen Ketzin und Brandenburg erobern lässt. Und, was nicht fehlen darf, ist der Spreewald, den auch der Dichter mit einem Flachkahn befuhr und in aller Lebendigkeit schilderte: badende Kinder, vorübergleitende Heukähne, Spreewaldprodukte und -kostüme der Sorben.

Auf der Fahrt, bei der auch damals schon ein Vorrat an Alkohol mit an Bord war, passierte Fontane die Dörfer Burg und Leipe. Vor allem Lehde tat es ihm an: „Gleich die erste halbe Meile ist ein landschaftliches Kabinettstück, es ist die Lagunenstadt im Taschenformat, ein Venedig, wie es vor 1500 Jahren gewesen sein mag.“

Der Flachkahn bleibt auch heute noch das probate Mittel der Fortbewegung. Aber bei weitem sportlicher und unabhängiger für das Spreewald-Labyrinth ist auch hier ein Kajak oder Kanu. Es braucht nur etwas Muskelkraft, auch um die zahlreichen Sportbootschleusen zu öffnen. Und etwas Geld, um in einem der urigen Gasthäuser einzukehren. Apropos Geld. Die Wanderungen waren für Fontane in einer Zeit finanzieller Not kostspielig. Vor allem die Zubringerdienste der Kutscher gingen ans Eingemachte und verschlangen weit mehr, als seine Reiseartikel in den Feuilletons abwarfen. „Der Spreewald“, klagte Fontane seiner Frau, war „ein ziemlich trauriges business“.

Boote und Bücher zur Vorbereitung auf die Wasserwanderung

Kanuvermietungen

Rheinsberg: Rheinsberger Adventure Tours www.rheinsberg-kanu.de
Potsdam: Bootsverleih an der Nuthe www.bootswerft-jahn.de
Burg im Spreewald: Bootshaus am Leine­weber, www.spreewald-paddeln.de

Unterkunft

Weil es ein Refugium ist und vortrefflich zum Thema Wasser passt, sei zumindest ein Hotel empfohlen, auch wenn es nicht ganz preiswert ist: Bleiche Resort & Spa, Bleichestr. 16, 03096 Burg im Spreewald, www.bleiche.de

Literatur

Theodor Fontane: „Die schönsten Wanderungen durch die Mark Brandenburg“, ausgewählt und mit einem Nachwort versehen von Günter de Bruyn., S. Fischer 2017, 375 S., 12 €

Des weiteren zwei Bände der schön edierten Werkausgabe der Wanderungen im Europäischen Literaturverlag:

Theodor Fontane: „Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Band 3. Havelland“, Europäischer Literaturverlag 2018, 348 S., 16,90 €

Theodor Fontane: „Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Band 4. Spreewald“, Europäischer Literaturverlag 2018, 328 S., 15,90 €

Berlin am besten erleben
Dein wöchentlicher Newsletter für Kultur, Genuss und Stadtleben
Newsletter preview on iPad