Schnee fiel an Weihnachten in Berlin zuletzt 2010. Im letzten Jahr blieb uns Berliner:innen eine weiße Weihnacht verwehrt. Und wie sieht es 2021 aus? Wieso es trotz Klimaerwärmung in diesem Jahr eine Restchance auf einen schneeweißen Heiligabend gibt und weitere Fragen zur winterlichen Wetterlage hat uns ein Meteorologe vom Deutschen Wetterdienst beantwortet.
Schnee in Berlin: „Der weiße Winter 2020/21 war ein Abklatsch früherer Normalität“
tipBerlin Herr Kreienkamp, welches war das in Berlin schneereichste Jahr seit der Jahrtausendwende?
Frank Kreienkamp 2009 und 2010 waren relativ schneereiche Jahre. Seit 2011 hat es bis auf wenige Ausnahmen kaum noch geschneit.
tipBerlin Im Winter 2020/21 fiel in Berlin im Februar eine ziemliche Schneemenge. Und sogar im Mai dieses Jahres schneite es in Berlin und Brandenburg nochmal dicke Flocken. Kurz danach waren dann 25 Grad. War das ein ungewöhnliches Phänomen?
Frank Kreienkamp Nein. Höchstens aus der Perspektive eines sich wandelnden Klimas ist Schnee im Mai ungewöhnlich. Mittlerweile ist es um diese Zeit im Jahr einfach schon zu warm für Schnee. Und der starke Schneefall im Februar und die damit einhergehende Kältewelle waren ein Abklatsch dessen, was früher Normalität war.
tipBerlin Schnee zu Weihnachten lag in Berlin zuletzt im Jahr 2010. Damals gab es sogar satte 31 Zentimeter.
Frank Kreienkamp Das ist richtig. 2010 fing es Ende November an zu schneien. Im Dezember lag Berlin dann unter einer geschlossenen Schneedecke.
tipBerlin Welche Voraussetzungen braucht es für so starken Schneefall?
Frank Kreienkamp Es müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Erstens: Damit Schnee fällt, muss es kalt sein, klar. In der Atmosphäre müssen Temperaturen um null Grad herrschen. Aber auch bodennah muss es kalt genug sein, damit die Eiskristalle beim Herunterfallen nicht auftauen. Wenn wir über starken Schneefall sprechen, so wie wir in Berlin in den letzten Jahren nur sehr vereinzelt hatten, muss die Temperatur dicht um null Grad liegen. Zweitens braucht es eine längere kühlere Periode, damit sich die Schneedecke innerhalb von Tagen und Wochen aufbauen kann. Das war eben zum Beispiel vor Weihnachten 2010 der Fall. In Ausnahmefällen kann eine solche Schneemenge aber auch an einem Tag fallen. In Deutschland geschah das zum Beispiel während des Jahrhundertwinters 1978/79.
tipBerlin Seit 2011 waren die Voraussetzungen für Schnee in Berlin also immer seltener gegeben?
Frank Kreienkamp Genau. Die Winter waren einfach zu warm. Es gab kaum längere, kalte Perioden, sodass gefallener Schnee hätte liegen bleiben können. Allerdings fiel 2013 in Berlin um Ostern herum jede Menge Schnee. Zwischen Mitte März und Anfang April baute sich eine dichte Schneedecke auf und wir hatten ein weißes Osterfest.
tipBerlin Schneefall ist zwischen Hochwinter, also in den MonatenJanuar und Februar, in Berlin allgemein wahrscheinlicher. Stimmt das?
Frank Kreienkamp Ja, genau. Von Hochwinter sprechen wir in den Monaten Januar und Februar. Da ist die Wahrscheinlichkeit, dass Schnee fällt, höher.
tipBerlin Was ist der Grund dafür?
Frank Kreienkamp Unsere Winterluftquellen liegen nördlich und östlich von Deutschland. Kalte Luft aus Skandinavien und Russland kommt auch schon in den früheren Winterwochen bei uns an. Allerdings kann es da zum Beispiel um die Ostsee herum noch so warm sein, dass nicht genügend kalte Luft bei uns ankommt. Im Hochwinter ist die Chance einfach höher, dass die Luft, die uns aus dem Osten und dem Norden erreicht, schon stärker abgekühlt ist.
„Der Klimawandel ist der Hauptauslöser für den ausbleibenden Schneefall“
tipBerlin Ist Berlin von der klimatischen Lage eigentlich prädestiniert für Schnee?
Frank Kreienkamp Allgemein gilt: Je höher gelegen, desto wahrscheinlicher ist Schneefall. In Deutschland gilt zudem: Je weiter man sich nach Osten bewegt, desto kontinentaler wird das Klima. Das bedeutet, dass es weniger Einfluss vom Atlantik, weniger warme Luft und im Winter eine stärkere Auskühlung gibt. In Berlin ist die Wahrscheinlichkeit für Schneefall also zum Beispiel sehr viel höher als in Köln, wegen der Meeresnähe.
tipBerlin Die Winter werden immer milder, sagen Sie. Gehören romantische Bilder des Eislaufens auf zugefrorenen Seen und dem Rodeln in Berlin zunehmend der Vergangenheit an?
Frank Kreienkamp Es kann sein, dass wir nochmal einen sehr kalten Winter erleben. Vielleicht auch mehrere. Allerdings sinkt die Chance mit jedem Jahr. Mit dem Fortschreiten des Klimawandels wird es auch während der Wintermonate immer wärmer.
tipBerlin Ist die durch den Klimawandel ausgelöste Erwärmung ein Hauptauslöser für den ausbleibenden Schneefall?
Frank Kreienkamp Einfache Antwort: Ja.
Frostige Berlin-Facts
– Über eine dichte Schneedecke von 31 Zentimetern zu Weihnachten konnten sich Berliner:innen zuletzt im Jahr 2010 freuen
– Die größte Menge Schnee seit 1945 fiel in Berlin-Dahlem im Jahr 1970. Damals lag der Berliner Süden unter einer 49 Zentimeter dicken Schneedecke
– Kälterekord: Am 11. Februar 1929 wurden in Berlin-Dahlem -26 Grad Celsius gemessen
„Mit jedem Jahr werden die zeitlichen Abstände zwischen weißen Weihnachtsfesten größer“
tipBerlin Gibt es auch andere Faktoren, die das Klima in Berlin verändert haben?
Frank Kreienkamp Nein. Die Veränderung der klimatischen Bedingungen, die durch die Menschen hervorgerufen wird, ist hier der entscheidende Faktor.
tipBerlin Kann man meteorologisch in die Zukunft schauen und abschätzen, ob Schneefall auch in den kommenden, zum Beispiel zehn Jahren in Berlin unwahrscheinlich bleibt?
Frank Kreienkamp Jein. Die Winter sind warm und die Chance, dass auch schon im Dezember Schnee fällt, sinkt, wie bereits gesagt, mit jedem Jahr. Man kann schlicht sagen: Im deutschen Raum steigt die Temperaturkurve relativ steil nach oben.
tipBerlin Was ist mit 2021? Bleibt eine kleine Restwahrscheinlichkeit, dass wir weiße Weihnachten feiern können?
Frank Kreienkamp Eine kleine Restwahrscheinlichkeit bleibt. Mit jedem Jahr werden die Schritte zwischen den weißen Weihnachtsfesten größer.
Dr. Frank Kreienkamp ist der Leiter des Regionalen Klimabüros Potsdam beim Deutschen Wetterdienst.
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