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Kommentar

Welt-Toilettentag in Berlin: Exkremente in Büschen und strukturelle Benachteiligung

Wieder Welt-Toilettentag, wieder ein Jahr vorbei, in dem sich Menschen in Berlin in Büschen erleichtert haben und Frauen strukturell benachteiligt wurden, sogar beim ganz privaten Geschäft. Unsere Autorin hat keine Lust mehr auf Kackhaufen in Büschen, Bäche aus Urin und dreiste Benachteiligung.

Welt-Toilettentag:2019 hatte die Firma Wall ihre neuen Toiletten vorgestellt. Die Diskriminierung war von vornherein mit eingebaut.
2019 hatte die Firma Wall ihre neuen Toiletten vorgestellt. Die Diskriminierung war von vornherein mit eingebaut. Foto: Imago/Jürgen Heinrich

Wenig Hygiene, wenig Sicherheit

Am 19. November ist Welt-Toilettentag. Die Vereinten Nationen hatten den Tag 2013 eingeführt, um auf die, im wahrsten Sinne des Wortes, beschissene Toilettensituation in einem Großteil der Welt aufmerksam zu machen. Wenn Menschen keine sanitären Anlagen zur Verfügung haben und Fäkalien auf der Straße, in Büschen und in Bächen landen, dann ist das nicht nur eklig. Sondern auch gefährlich. Wenn Toiletten fehlen, breiten sich Krankheiten schneller aus und ist die Wasserversorgung gefährdet. Außerdem häufen sich Übergriffe, wenn Frauen in dunkle Büsche gehen müssen, um sich zu erleichtern.

Aber nicht nur in der Ferne ist die Toilettensituation unerträglich, sondern auch hier bei uns in Berlin. Daran ändern auch die neu aufgestellten Toiletten von Wall nichts, die peinlicherweise auch noch einen unzureichenden Sichtschutz vor den Urinalen haben. Auch in Berlin gibt es viel zu wenig öffentliche Klos. Die Stadt hat nämlich ganz bewusst hauptsächlich dort Toiletten aufgestellt, wo sich viele Touris aufhalten. Dabei sollte eigentlich klar sein, dass auch die Berliner:innen regelmäßig aufs Klo müssen, wenn von der Arbeit nach Hause fahren, wenn sie sich im Park entspannen, wenn sie spazieren gehen.

Die Konsequenz ist: Auch unsere Grünanlagen sind voll von menschlichen Exkrementen in Form von Haufen und Würsten, Pfützen und Bächen. Für Menschen, die regelmäßig Zugang zu sanitären Anlagen haben, ist das einfach nur maximal eklig, vor allem dann, wenn sie aus Versehen reintreten. Für obdachlose Menschen bedeuten die fehlenden Toiletten dagegen ganz konkret viel weniger Hygiene und einen täglichen Kampf, wenn die Suche nach einer Toilette losgeht.

Frauen zahlen weiterhin mehr

Denn selbst wenn eine Toilette in der Nähe ist, bedeutet das nicht, dass man sie sich auch leisten kann. Die Firma Wall veranschlagt nämlich einen Euro für die Nutzung ihres Wasserklosetts. Dabei geht es auch anders, und das beweist ironischerweise: ebenfalls Wall. Die Urinale nämlich kann Mann kostenfrei nutzen. Ja, da steht extra Mann mit Doppel-N. Die Urinale sind nämlich so angebracht, dass nur Menschen mit Penis hineinpinkeln können.

Man hätte zwar auch am Boden eine Rinne installieren installieren können, in die alle Menschen kostenfrei pinkeln können, aber man hat sich dagegen entschieden. Vielleicht hat die Führungsebene Angst vor zu viel Gleichberechtigung, vielleicht gönnt sie den Berliner:innen ohne Penis auch einfach nicht das schöne Gefühl, sich erleichtern zu können, ohne vorher hektisch durch die Straßen laufen zu müssen, auf der Suche nach einem Ort zum Pinkeln.

Urinale nur Männer und dann auch noch schlecht gemacht: eine Wall-Toilette am Leopoldplatz. Foto: tipBerlin

Tatsächlich manifestiert sich an der Toilette ein Großteil der gesellschaftlichen Debatten, die unsere Zeit prägen, sagen auch die Veranstalter:innen einer Konferenz rund um die Toilette an der HU. Die Toilettensituation zeigt, wo es mit der Gleichberechtigung hapert. Wer hat wie viel Zugang zum Abort, wer darf auf welche Toilette, diese Fragen beschäftigen nicht nur Studierende in der Uni, die, wie in der Humboldt-Uni vor einiger Zeit, darüber diskutieren, ob es Unisex-Toiletten geben soll. Sondern eben auch Menschen im öffentlichen Raum – und in Clubs.

Auch in Clubs herrscht Benachteiligung in der Kloschlange

Dort ist unter Frauen und anderen Menschen ohne Penis nämlich immer wieder Thema, wie anstrengend und eigentlich zum Himmel schreiend ungerecht es ist, dass Frauen sich beim Feiern eigentlich eine Stunde im Voraus anstellen müssen, wenn sie mal pinkeln müssen. Denn Klokabinen, dafür ist Berlin bundesweit bekannt, sind zuverlässig in jeder Clubnacht von Menschen besetzt, die darauf alles machen, außer sich zu erleichtern. Oder sie tun es, verquatschen sich dabei aber, weil sie nebenbei auch noch konsumieren. Und diejenigen, die davor warten und danach die Kabine in Beschlag nehmen, machen es meistens genau so. Um die Situation zu verbessern, hat das Berghain einige Zeit vor der Pandemie Toiletten nur für Frauen eingeführt.

In vielen anderen Clubs aber ist die Situation unverändert, genauso wie im öffentlichen Raum. Einziger Schritt in die richtige Richtung: Der rot-rot-grüne Senat hat den Vertrag mit Wall, nach dem die Firma alle Toiletten betrieb und im Gegenzug die Rechte für den Verkauf und Betrieb sämtlicher Werbeflächen bekam, aufgehoben. Gleichzeitig wurde eine Bedarfsanalyse angeschoben, unter anderem von Katalin Gennburg, Mitglied des Abgeordnetenhauses für die Linke. Vielleicht muss man eine Frau oder wenigstens ein bisschen empathisch sein, um zu verstehen, dass der Toilettenkampf real ist. Für mehr als die Hälfte der Stadtbevölkerung wäre es wahrscheinlich am besten, wenn die Entscheider:innen in dieser Sache beides sind.


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Auch wenn es nicht viele Möglichkeiten gibt, unterwegs die Blase zu entleeren: Wir empfehlen 12 schöne Routen für einen Waldspaziergang in Berlin. Es gibt aber auch wirklich schöne Klos in der Hauptstadt. 12 bessere Beispiele für öffentliche Toiletten findet ihr hier. Im Restaurant ist zum Glück immer eine Toilette in direkter Nähe. In unserer Rubrik Essen & Trinken erfahrt ihr, wo es am besten schmeckt, egal ob italienisch, vietnamesisch oder türkisch.

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