Es ist Sommer und an jedem schönen Tag sind Berlins Parks und Badeseen so voll, dass man eigentlich immer andere Menschen im Blick hat, manchmal kommen sie sogar unangenehm nah. Wer jetzt den direkten Kontakt zur unberührten Natur sucht, der sollte sich in die Wälder Brandenburgs wagen. Wildcampen ist nichts für schwache Nerven. An was man davor und dabei denken sollte — unsere Autorin spricht aus Erfahrung.
Plötzlich hörte ich ein Schnaufen. Ich lag in meiner Hängematte knapp einen Meter über dem Boden und versuchte den Atem anzuhalten. Das Schnaufen kam immer näher. Ein Wildschwein. Jetzt bloß nicht die Nerven verlieren, dachte ich mir. Haben wir etwas Essbares draußen liegen lassen? Hängt der Müll hoch genug? Verdammt, wo ist mein angespitzter Stock? Und wessen dumme Idee war das Wildcampen eigentlich? Mein Herz schlug mir bis zum Halse. Wütend zischte ich meinen damaligen Freund an und warf ihm all die Fragen an den Kopf. Nach Minuten der Schockstarre entfernte sich das Wildschwein, wir konnten durchatmen. Nein, Wildcampen ist nichts für schwache Nerven.
Aber zurück zum Anfang. Im Frühjahr vergangenen Jahres war besagter Ex wie besessen davon, so richtig in der Wildnis campen zu gehen. Er investierte Unmengen an Geld in eine Ausrüstung, darunter fast das komplette Kleidungssortiment der Bundeswehr, Camping-Kocher, Camping-Geschirr, Schlafsack, Wanderrucksäcke, Trinkflasche, Hängematte und Tarp. Die letzten vier Dinge in doppelter Ausführung, denn ich musste ja mit.
Wildcampen: Eine Nacht wird in Brandenburg geduldet
Wildcampen ist in Deutschland laut Gesetz verboten, doch Grauzonen gibt es zuhauf. Es gilt nämlich auch laut Paragraph 59 des Bundesnaturschutzgesetzes, dass das Betreten der freien Landschaft auf Straßen und Wegen sowie auf ungenutzten Grundflächen zum Zweck der Erholung allen gestattet ist. Wie üblich im föderalen Staat regeln die Länder den Rest.
Brandenburg handhabt es wie folgt: Fuß-, Reit- und Wasserwanderer dürfen in der freien Landschaft für eine Nacht ihr Zelt aufstellen. Doch gelten in der freier Wildbahn meist andere Gesetze, nämlich die des Försters. Ein Ausdruck aus dem Gesetzbuch kommt da immer gut. Generell ist ein Not-Biwak überall erlaubt. Und geplantes Biwakieren — Übernachten ohne Zelt unter freiem Himmel — wird für eine Nacht meist geduldet.
Dass eine Hängematte auch als Biwak durchgeht, das wussten wir und so ließen wir uns in die Nähe von Müllrose bringen. Unweit der B87 schlugen wir unser Lager auf, mitten in einem blickdichten Wald, ohne ein Gewässer in der Nähe. Und, wie wir erst mit Einbruch der Dunkelheit erfuhren, ausgerechnet dort, wo der Boden durch Wildschweine aufgewühlt war. Eigentlich gibt es abgesehen von der Rechtslage nicht viel beim Wildcampen zu beachten, außer vielleicht diese drei Dinge: weite Sicht, Wasserzugang und ein sicherer Ort zum Übernachten. Warum? Das erfuhren wir am eigenen Leib.
Unser Wildcampen war nicht optimal durchdacht
Mein Freund verlor zuerst die Orientierung, er sah sprichwörtlich den Wald voller Bäume nicht mehr. Es war ein sehr schwüler Samstagmittag. Kein Lüftchen wehte durch die eng an eng stehenden Bäume. Nachdem wir Stunden mit dem Aufbau unseres Lagers verbracht hatten, ging es ans Kochen. Wir hatten weder einen Stein als feuerfeste Unterlage für den Camping Kocher noch Wasserzugang, um eventuelle Feuer zu löschen. Das war nicht optimal durchdacht. Noch Wochen später verfolgten wir bange die Nachrichten in der Hoffnung, keinen Waldbrand verursacht zu haben.
Gegen Mitternacht legten wir uns in die aufgespannten Hängematten unter die Tarps, die uns als Dach vor dem leichten Regen dienten. Doch gesegnet konnte hier keiner schlafen. Es müsste halb zwei gewesen sein, als wir das erste tiefe Schnaufen hörten — ein Wildschein. Es entfernte sich nach einer Zeit, die für uns in Angst ewig erschien. Nach diesem Zwischenfall fasstee mein Freund den Entschluss: Gut, wir bauen ab. Mitten in der Nacht.
Es war stockfinster. Und wir fühlten uns von wütenden Wildschweinen umgeben. „Sag mal spinnst du?“, wieder fing ich an zu zischen. Lieber solle er die Füße stillhalten. Später in der Nacht hörten wir es noch lange im Gebüsch raschen und traben, eine Familien, wie wir vermuteten. Das Nervenbündel zu meiner Rechten entschloss sich gegen drei Uhr dazu, ein Feuer zu machen und den Rest der Nacht davor Wache zu halten, bis wir beim ersten Sonnenstrahl unser Wildcampen beenden würden. Nun ja… Er wollte die Wildnis und bekam sie auch.
So klappt es wirklich mit dem Wildcampen
Auf dem Weg zurück überlegte ich, was es gebraucht hätte. Vielleicht hätten wir schon in der Planung weniger Zeit für die richtige Ausrüstung und dafür mehr für das Erkennen eines geeigneten Schlafplatz aufbringen sollen. Den richtigen Hotspot zum Wildcampen zu finden, ist mitunter das Schwierigsten daran. Ratsam wäre dabei, mehr als einer Person den eigenen Standort grob mitzuteilen. Wie wir lernen mussten, sind starke Nerven und innere Ruhe von Vorteil. In brenzlichen Situationen, wie einer nahenden Wildschwein-Razzia, sollte man zumindest eines von beiden vortäuschen.
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