Volle Bars, volle Spätis, volle Bürgersteige. Die Partystimmung vom Rosenthaler Platz färbt ab. Immer mehr Anwohner sind genervt. Wird die Torstraße der neue Ballermann von Berlin? Und was bedeutet das für ihre Zukunft? Ein Kommentar von Max Müller.
Je später der Abend, desto ausgelassener die Partystimmung am Rosenthaler Platz in Mitte – vor allem an den Wochenenden. Dann strömen junge Berliner*innen und ebenso junge Tourist*innen (nicht nur aus den umliegenden) Hostels herbei, saufen auf billigen Holzbänken vor den Spätis, in den Bars, auf den Gehwegen. Vollgepisste Hauseingänge, mit Döner- und Currywurstresten gespickte Kotzelachen und reichlich Müll sind die Folgen. Viele Anwohner*innen sind genervt, haben Initiativen gegründet. Das alles ist nicht neu.
Neu ist aber, dass die Partystimmmung mittlerweile abfärbt. Die metastasierende Partycrowd verteilt sich über immer mehr Straßenzüge. Gerade in den vergangenen Wochen, was sicher auch durch die Clubschließung bedingt ist. Wenn nicht indoor gefeiert werden kann, dann halt auf Mittes Straßen. Der Bezirk versucht die Oberhand zu behalten. Der „RBB“ begleitete vergangenes Wochenende Ordnungsamt und Polizei bei einem Einsatz, dessen Ziel die Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen war. Doch so richtig hatten die Behörden dem wilden Partytreiben nichts entgegenzusetzen.
Stimmung wie am Ballermann: Vom „Schmittz“ bis zu Lokalen an der Gartenstraße
Vom Weinbergspark bis zum Hackeschen Markt herrscht Bambule. Besonders hart scheint es die Torstraße zu treffen. Vom „Schmittz“ und der „Neuen Odessa Bar“ im Osten bis zu den eigentlich gesitteten Lokalen an der Gartenstraße im Westen der Torstraße wird nachts gebrüllt, gegrölt und gesungen.
Noch halten die Anwohner*innen die Eskapaden aus, noch profitieren die Gastronom*innen, die bestmöglich versuchen, die coronabedingten Ausfälle zu kompensieren. Doch was passiert, wenn die Stimmung kippt? Wenn die Torstraße immer mehr zum Ballermann wird, wenn die guten Lokale wegziehen, weil die Kundschaft ausbleibt, und sich stattdessen Verhältnisse wie in der Simon-Dach-Straße einstellen? Wenn es statt Sternegastronomie nur noch Happy-Hour-Cocktailrestaurants gibt und kaum noch ein*e Berliner*in den Weg dorthin findet?
Man muss nicht weit schauen, um zu verstehen, was mit einer Straße passiert, die einst Amüsiermeile war, ehe sie unterging. Auf der O-Burger steppte in den 90er-Jahren der Bär, heute hingegen ist nichts mehr los. Mit dem Tacheles ging auch die alternative Kultur verloren, Billiggastronomie zog ein, am Ende haben selbst die Prostituierten kein gutes Geschäft mehr gemacht. Die Straße verwaiste. Erst in den letzten Monaten kehrte wieder langsam Leben zurück. So weit sollte es, so weit darf es auf der Torstraße nicht kommen.
Mehr stadtpolitische Themen
Viele Zugezogene wünschen sich, in Mitte ein Zimmer zu bekommen. Doch in WGs kommt nur rein, wer gut aussieht, beobachtet unser Kollege Jacek Slaski und ist von dieser Entwicklung alarmiert. Wer denkt, er kennt alle harten Orte in Berlin, war noch nicht an diesen Plätzen.