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Wohin, Berlin? Neue Studie untersucht unsere Erwartungen an Zukunft

Berlin wächst und verändert sich, die Stadt ist im ständigen Wandel. Doch wohin geht die Reise, welche Themen beschäftigen die gut 3,7 Millionen Berliner und Berlinerinnen, die unterschiedlicher nicht sein könnten? Alt oder Jung, Single oder Familie, Zugezogen oder Einheimisch, Ost oder West, mit oder ohne Migration. Die Blicke auf die Stadt sind vielfältig, ebenso die brennenden Themen und die Erwartungen an die Zukunft. „Wohin wächst Berlin?“ heißt eine neue Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, die versucht, Antworten auf die Fragen zu geben.

Wohin wächst Berlin? Zentrum City Berlin-West. Foto: Imago/Dirk Sattler

Studie zu Berlin: Es geht vor allem ums Wachstum der Stadt

Wie wollen wir leben, wie werden wir leben und was sollte geschehen, damit wir besser leben können? Es sind existenzielle Fragen, die das Team der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in den Mittelpunkt ihrer wissenschaftlichen Studie gerückt hat. Man wählte dafür Fokusgruppen aus, die stellvertretend für die Bevölkerung ab 18 Jahren stehen und achtete auf einen „ausgewogenen soziodemografischen Mix“ hinsichtlich Alter, Geschlecht, Bildung, Einkommen, Migrationshintergrund, Berufstätigkeit und Kindern im Haushalt. Auch wo die Befragten wohnen, innerhalb oder außerhalb des S-Bahn-Rings, spielte bei der Untersuchung eine Rolle.

Per Telefon oder über Online-Formulare wurden schließlich insgesamt 1.000 Probanden befragt. „Abgesehen von der Pandemie geht die Studie auf die zentrale Dynamik ein, die Berlin seit Jahren prägt: das Wachstum der Stadt“, schreibt Felix Eikenberg, Leiter des Berliner Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung, im Vorwort der Studie.

Dieses Wachstum ist der Motor der urbanen Veränderung und damit verantwortlich für die zentralen Probleme der Stadt, darunter die Notwendigkeit von mehr bezahlbarem Wohnraum, die Versorgung der Bevölkerung mit Arbeitsplätzen, einem funktionierenden Gesundheitssystem, Kita- und Schulplätzen und Freizeitangeboten. Wird der Platz knapp, weil sich immer mehr Mitbewerber und Mitbewerberinnen um die selben Ressourcen – seien es Wohnraum, Arzttermin oder Kitaplatz – bemühen, kann sich daraus eine Rücksichtslosigkeit entwickeln, die wiederum die allgemeine Stimmung in der Stadt drückt. Soweit der Zusammenhang von Wachstum und Stimmung.

Demonstration gegen die steigenden Mieten, Berlin 2021. Foto: Imago/Ipon

Zuletzt fragte ein ähnliches Forschungsprojekt, der Glücksatlas, nach der Zufriedenheit der Menschen. Bundesweit. Bei der im Auftrag der Deutschen Post erfolgten Untersuchung landete Berlin auf dem letzten Platz. Nirgendwo sonst in Deutschland sind die Menschen unzufriedener als in der Hauptstadt. Ein absurdes Szenario hinsichtlich des nach wie vor anhaltenden Runs auf Berlin, den man an den rasant steigenden Mieten und Immobilienpreisen ablesen kann.

Der irre Berliner Wohnungsmarkt ist ein wesentlicher Indikator für die allgemeine Laune, auch das belegt die Studie. „Bezahlbarer Wohnraum ist das Themenfeld, das die Berliner_innen am meisten beschäftigt und bei dem sie den größten Handlungsbedarf seitens der Politik sehen“, führt Eikenberg aus. Keine Überraschung, aber es ist gut und richtig, dass die der SPD nahe stehende Friedrich-Ebert-Stiftung das noch einmal so direkt formuliert. Immerhin hat die SPD die letzte Abgeordnetenhauswahl gewonnen und stellt demnächst mit Franziska Giffey eine Regierende Bürgermeisterin, die sich die Daten aus dem hauseigenen Think-Tank zu Herzen nehmen könnte.

Was beschäftigt die Menschen jenseits von Corona und Wohnraum?

Was beschäftigt die Menschen sonst noch jenseits von Corona und Wohnraum? Die Herausforderungen rund um die Mobilität zum Beispiel, also die viel besungene Verkehrswende. Dabei unterscheiden sich die Sichtweisen der Menschen aus den innerstädtischen Bezirken drastisch von denen der Bewohner und Bewohnerinnen der Randbezirke, wo man doch seltener aufs Rad umsteigen möchte als in Kreuzberg, Schöneberg oder Friedrichshain.

Interessanterweise sind die meisten mit dem ÖPNV zufrieden, wünschen sich aber für die Zukunft neue Konzepte. Denn die Mehrheit der Berliner und Berlinerinnen erkennt die Anforderungen der Klimakrise an und wäre durchaus bereit, ihren Lebensstil zugunsten des Klimaschutzes anzupassen. Das äußert sich auch in der Präferenz, Wissenschaft und Kultur zu fördern anstatt der Wirtschaft, die alles in allem trotzdem positiv bewertet wird.

Das Berliner Selbstbild – Die Antworten auf die Bitte, den folgenden Satz zu vervollständigen: "Im Vergleich zum Rest von Deutschland sind wir in Berlin viel ...". Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung

Das Berliner Selbstbild – Die Antworten auf die Bitte, den folgenden Satz zu vervollständigen: „Im Vergleich zum Rest von Deutschland sind wir in Berlin viel …“. Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung

Vor allem das Selbstbild der Berliner und Berlinerinnen stimmt und ist weitestgehend positiv. Man findet, dass Berlin „offener, bunter und multikultureller als andere deutsche Städte“ ist. Insgesamt glaubt allerdings die Hälfte der Befragten, dass sich Berlin in die falsche Richtung entwickelt, man vermisst den gesellschaftlichen Zusammenhalt, der infolge der Pandemie gefühlt noch weiter ins Hintertreffen geraten ist, und auch das Thema Migration wird eher negativ bewertet.

Insgesamt münden die Erkenntnisse der Studie in der Einsicht, dass es das „eine Berlin“ nicht gibt. „Jeder Bezirk und jeder Ortsteil zeichnet sich durch seine Besonderheiten aus. Im eigenen Kiez betonen Berliner_innen einen guten Zusammenhalt, der sich bisher aber nicht über mehrere Kieze bzw. Bezirke oder gar über die gesamte Stadt erstreckt“, fassen die Verantwortlichen zusammen und sehen darin die große Herausforderung: „Den funktionierenden Zusammenhalt aus dem Kiez auf die Ortsteile und Bezirke auszuweiten.“


Wohin wächst Berlin? Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Hier geht es zu der vollständigen Studie.


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