Auch wenn Alteingesessene es nicht wahrhaben wollen oder sich gerne drüber aufregen: Zugezogene machen einen Großteil der Bevölkerung von Berlin aus. Viele von ihnen bringen Kleinstadtmuff mit. Wir sagen: Willkommen in einer echten Stadt – mit eigenen Regeln und eigenen Gesetzen. An ein paar Dinge, die für die Menschen Berlins schon längst Alltag sind, müssen sich Zugezogene erst einmal gewöhnen. Wir haben zwölf davon zusammengestellt. Quasi als Starthilfe.
Ein Späti ist ein Späti und kein Kiosk, keine Trinkhalle und schon gar kein Büdchen
Am Anfang mag es einem noch seltsam vorkommen, dass die Berliner:innen ein eigenes Wort für Kioske brauchen. Aber wenn man erstmal verstanden hat, bis wann die Verkäufer:innen in den Spätis für einen da sind, versteht man: Spätis haben ihre Bezeichnung verdient. Sie sind länger offen als die meisten Büdchen in Düsseldorf, die Kioske in Hannover und Hamburg und die Trinkhallen im Pott. Dementsprechend ist es schon ganz richtig, dass sie Späti heißen und eben nicht Büdchen. Die sind meistens nämlich nur bis 10 oder 11 Uhr abends für ihre Kund:innen da. Das heißt aber nicht, dass es nicht qualitative Unterschiede gibt. Wir präsentieren die in unseren Augen besten Spätis in Berlin von Wedding bis Neukölln.
Man kann den Bierkauf im Späti mit einem Wort und zwei Satzzeichen zu Ende bringen: Alles? Alles!
Spätis sind ein fester Bestandteil dessen, was Berlin ausmacht. Viele haben rund und um die Uhr geöffnet, bieten fast alles, was man in Notfällen so braucht und sind Nachbarschaftszentrum für die Menschen im Kiez. Außerdem tut es gut, wenn die Verkäufer:innen im Späti einen erkennen und herzlich begrüßen: Das schafft ein Gefühl von Zugehörigkeit im Kiez. An eine Sache muss man sich als Zugezogene:r im Späti aber erstmal gewöhnen: nämlich daran, dass die Unterhaltung darüber, ob man nun alles hat, in Berlin trotz aller Herzlichkeit auf ein Minimum an Wörtern reduziert ist: „Alles?“ fragt der Mensch hinterm Tresen. „Alles!“ antwortet der Kunde oder die Kundin. Aber auch darüber hinaus ist die Berliner Art zu reden besonders. Hier sind 12 Berliner Sprüche mit Herz und Schnauze.
Urinieren ist im Club zweitrangig. Zuallererst sind die Toilettenkabinen für andere Dinge da.
Wer als Frau in einem Berliner Club auf Toilette muss, sollte sich trauen, den Mund aufzumachen. Sonst schlägt man im Gang vor den Klos Wurzeln. Immer wieder verschwinden große Gruppen auf den Klokabinen und kommen manchmal erst viele, viele Minuten später wieder raus. Was sie darin tun, darüber wollen wir an dieser Stelle nicht spekulieren.
Aber wir geben einen Tipp: Wer als Frau oder Mann mit Pinkeldrang nicht die halbe Clubnacht mit dem Warten auf eine freie Toilette verbringen will, muss eine Gruppe fragen, ob man mal kurz vor darf („Wirklich nur zum Pinkeln!“). Die meisten Clubgänger:innen vertreten die Ansicht, dass Diskriminierung falsch ist, verstehen, dass es nur mal blöd ist, wenn man sich beim Feiern in die Hose macht und lassen einen vor. Übrigens: Mit dem stillen Örtchen tut man sich in Berlin auch mal schwer: Berlin blamiert sich mit öffentlichen Toiletten – Sexistisch und voyeuristisch.
Brötchen heißen Schrippen…
Bei den Berliner Brötchen verhält es sich im Vergleich zu den Spätis genau andersrum: Die haben eigentlich keinen eigenen Namen verdient. Zumindest nicht die kleinen, wenig gehaltvollen Schnittbrötchen, die man hier Schrippen nennt. Oder vielleicht ist es doch andersherum, und Schrippen dürfen gar nicht Brötchen genannt werden, eben weil mehr Luft als Teig in ihnen ist? Gehaltvolle Brötchen, die nicht nach Massenbackware schmecken und denen man ansieht, dass zwei Hände sie geformt haben, muss man in Berlin jedenfalls lange suchen. Damit ihr bei der Suche nicht verzweifelt, haben wir eine Liste mit richtig guten Bäckereien zusammengestellt.
… und Berliner heißen Pfannkuchen…
Dass Berliner in Berlin nicht so heißen, ist irgendwie logisch. Wenn es so wäre, würden nicht-deutsche Gäste und Einwanderer:innen noch denken, dass die Berliner:innen dem Kannibalentum frönen und vor allem zum Frühstück mit Vorliebe Menschen verspeisen, die sich Berliner:innen nennen. Trotzdem fragen sich Zugezogene: Warum zum Teufel hat sich in Berlin die Bezeichnung Pfannkuchen durchgesetzt? Warum nicht einfach „Krapfen“? Schließlich ist „Pfannkuchen“ schon besetzt, und außerdem macht man Berliner/Krapfen/Pfannkuchen nicht in der Pfanne, sondern in einem großen Eimer voll Fett.
… Pfannkuchen wiederum heißen Eierkuchen
Pfannkuchen wiederum macht man wirklich in der Pfanne und sie bestehen aus Teig. Der Begriff Pfannkuchen ist also eigentlich sehr treffend. Doch die Berliner:innen sitzen in der Klemme: Das Wort Pfannkuchen benutzen sie komischerweise ja schon für Krapfen, also muss für Pfannkuchen ein neues Wort her: Eierkuchen. Das passt auch nur so semi-gut und ist wenig präzise. Denn welcher Kuchen enthält keine Eier? In der Pfanne hingegen macht man nur einen Kuchen, und zwar den Pfannkuchen. Doch diesen Weg haben sich die Berliner:innen verbaut. Wer einmal mit komischen Bezeichnungen anfängt, kommt da nicht mehr raus und muss einen Haufen Dinge anders nennen. Das Gute ist: Ein paar Klassiker der Berliner Küche heißen überall gleich.
Schlangen sind dazu da, um sich vorzudrängeln
Habt ihr euch in eurer Anfangszeit in Berlin auch beim Berghain angestellt und euch gewundert, warum es in der Schlange nur minimal vorwärts geht? Das liegt daran, dass sich ungefähr so viele Menschen vordrängeln, wie an der Tür abgewiesen werden oder reinkommen – zumindest im Dunkeln. Ständig schleichen Menschen zu zweit, zu dritt oder allein an einem vorbei und stellen sich unauffällig irgendwo ins vordere Drittel der Schlange.
Dieses Phänomen lässt sich nicht nur vorm Berghain beobachten, sondern auch vor diversen anderen Clubs und in manchen Imbissen. Und: bei der Post. Dort haben wir dieses Verhalten bis jetzt allerdings nur bei Älteren entdeckt. Anstehen tut man in Berlin schon immer: legendäre Warteschlangen, die wir nie vergessen werden. Doch egal wo: An die Vordrängel-Praxis müssen Zugezogene sich erstmal gewöhnen. Wie man ins Berghain kommt, erklären wir hier.
Türen von Trams und U-Bahnen, die sich ohne Sinn manchmal von selbst öffnen und dann wieder nicht
Das mit den Türen in U- und S-Bahnen ist in Berlin ähnlich verwirrend wie die Politik des Senats. Manchmal öffnen sie, manchmal nicht, manchmal verspätet. Ein System konnten wir Zugezogenen dahinter noch nie erkennen. Und das hat zur Folge, dass wir manchmal vor Türen stehen, den Gegenüber auf der anderen Seite der Scheibe anglotzen und darauf warten, dass die Tür aufgeht. Bis eine:r merkt, dass man in dieser U-Bahn doch den Knopf drücken oder den Hebel betätigen muss. Übrigens gibt es in Berlin einige richtig schöne und besondere U-Bahnhöfe.
Eine „Innenstadt“ gibt es nicht
„Fahren wir in die Innenstadt“? So eine Frage kann nur von frisch Zugezogenen kommen. Wer nur etwas länger als zwei Wochen in Berlin gelebt hat, der hat verstanden, dass es in Berlin keine Innenstadt gibt, sondern Kieze mit eigenen Zentren. Dort kann man einkaufen, Kaffee trinken oder essen gehen. Fußgängerzonen allerdings sucht man hier meist vergeblich. Auch daran müssen sich Zugezogene erstmal gewöhnen, schließlich findet man Fußgängerzonen in fast allen anderen deutschen Städten. Wer in Berlin shoppen will, findet hier die Tipps.
Der Tiergarten ist ein Park und der Tierpark ist ein Zoo
Es ist schon verwirrend für uns Zugezogene: Der Tiergarten beherbergt zwar viele wilde Tiere, ist aber kein Zoo, obwohl der eigentliche Zoo an den Tiergarten grenzt. Gleichzeitig bezeichnet der Begriff Tiergarten nicht nur den Park, sondern auch einen Stadtteil. Und der Zoo im Osten Berlins nennt sich Tierpark. Kein Wunder, wenn Zugezogene das alles auch nach einiger Zeit in Berlin immer wieder durcheinander bringen und sich an diese verwirrende Namensgebung erstmal gewöhnen müssen. Warum wir den Tiergarten gern mögen, lest ihr hier.
Welche Argumente haben dafür gesprochen, eine Uni in Dahlem zu bauen?
Für alle, die an der FU Berlin studieren und nicht im Südwesten der Stadt wohnen, ähnelt die Fahrt zur Uni einer Odyssee. Viele Studierende brauchen eine knappe Stunde zur Uni und müssen mehrmals umsteigen. Und fragen sich: Haben die Gründer:innen wirklich keinen besseren Standort für ihre Uni gefunden als Dahlem? Klar, die Stadt ist dicht bebaut und als die FU entstand, war West-Berlin eine Insel.
Trotzdem: Die Fahrt zur FU verschlingt ganz schön viel Lebenszeit, und wenn die U3 voll ist, wenn man sich zu den Stoßzeiten wie eine Sardine in der Büchse fühlt und keine Möglichkeit besteht, Dinge für die Uni zu erledigen, fragt man sich immer wieder: Warum zur Hölle ist die Uni in Dahlem? Wenn man schon mal in Dahlem ist, kann man dort aber ruhig etwas Zeit verbringen – schließlich gibt es in dem Stadtteil einiges zu entdecken. Hier stellen wir ein paar Ideen für Ausflüge in Dahlem vor, vom Kunsthaus bis zur Königlichen Gartenakademie.
Mehr Berlin
An einige Dinge gewöhnen sich Zugezogene auch ganz schnell. Dann bleiben sie. Und werden zu einem der vielen Feinbilder in Berlin. Ihr lebt schon immer oder zumindest seit einer halben Ewigkeit in Berlin? Diese 12 Dinge kennt jeder, der im West-Berlin der 1980er-Jahre gelebt hat. Ihr seid auf der anderen Seite groß geworden? 12 Dinge, die alle kennen, die im Ost-Berlin der 1980er-Jahre gelebt haben. Mehr aus der Vergangenheit der Stadt lest ihr in der Rubrik Geschichte, was heute Berlin bewegt, erfahrt ihr in der Stadtleben-Rubrik.