Nicht nur durch die Corona-Pandemie muss sich der Einzelhandel in diesen Zeiten als zukunftstauglich erweisen. Unabhängige Geschäfte stehen seit Jahren vor Herausforderungen, die Anpassungen an das moderne Kaufverhalten voraussetzen. Hierbei liegt die Verantwortung auch bei der Regierung: Ein Gespräch mit dem Weinhändler Christophe Lapouthe über Digitalisierung, Konkurrenz und staatliche Unterstützung stiftet Hoffnung und liefert Ideen, wie die Zukunft des Einzelhandels aussehen und dessen Vielfalt bewahrt werden könnte.
Größter Konkurrent: Amazon
Gut gelaunt und mit entspannter Miene steht Christophe Lapouthe vor seinem Weinladen. Freundlich nickt er dem Verkäufer des polnischen Feinkostladens nebenan zu, der eifrig seine Obstkisten auf dem Gehweg platziert. Mit einem vorfreudigen Lächeln im Gesicht, links einen feinen Rotwein, rechts einen Camembert dazu in der Hand, verlässt eine junge Frau Lapouthes Laden.
Eine alltägliche Szene im La Cave de Bacchus, einer französischen Weinhandlung an der Westfälischen Straße in Halensee, in der Lapouthe nun schon seit 20 Jahren arbeitet.
2012 übernahm der Gastronom aus Lyon gemeinsam mit Philip Graf Schaffgotsch die Geschäftsführung. Seitdem ist viel passiert: „Ein Geschäft lässt sich heutzutage nicht mehr führen wie noch vor ein paar Jahren“, erklärt er. Dies läge vor allem am veränderten Kaufverhalten durch das Internet. „Viele Menschen gehen kaum noch in Läden, sondern bestellen alles bei Amazon.“ Um sich dieser Entwicklung anzupassen, wurde ein Onlineshop auf die Beine gestellt, durch den der Umsatz in den letzten sechs Jahren verdoppelt werden konnte. So bestellen viele Restaurants und Kulturstätten Wein und Feinkost per Internet. Auch die Zahl der Privatkäufer:innen steigt. Für einen erfolgreichen Onlineshop müssten jedoch viel Zeit und Geld investiert werden. „Ich glaube nicht, dass Einzelhändler bestehen können, die dazu nicht bereit sind“, befürchtet Lapouthe.
Digitalkompetenz könnte die Zukunft des Einzelhandels sichern
Der ständige Druck, Webtrends zu folgen, neue Zahlungsmethoden einzuführen, Social-Media-Kanäle zu betreuen und den Onlineshop zu aktualisieren, könne auch fatale Fehler provozieren: So habe ein Mitarbeiter vergessen, den Hersteller eines Produktes anzugeben, worauf dieser nun 9600 Euro Schadensgeld verlangte. Solch eine Summe könne einen Laden schnell in den Ruin treiben.
Nicht nur die Ladenbetreibenden, sondern auch die Bundesregierung muss sich dafür verantwortlich zeigen, kleine Läden abzusichern und zukunftstauglich zu machen. Finanzielle Unterstützung für den Aufbau und die Etablierung von Homepages und Onlineshops sowie juristische und technische Aufklärung könnten hierbei essenzielle Hilfsmittel sein, um die Vielfalt an Geschäften zu bewahren. Für die Zukunft des Einzelhandels wäre auch eine vom Bund geförderte Plattform, auf der Einzelhändler:innen kostenlos Internetseiten erstellen und verwalten können, eine vielversprechende Idee.
Beratung und Atmosphäre sind entscheided
Neben den Herausforderungen der Digitalisierung stellt auch die Konkurrenz durch Supermärkte eine Bedrohung dar. Diese bieten eine Vielzahl an hochwertigen Produkten zu Tiefstpreisen an und haben mehr finanzielle Mittel für Werbung und Internetpräsenz. Trotzdem lässt sich Lapouthe nicht einschüchtern: „Leute kommen nicht nur in meinen Laden, um einzukaufen, sondern weil sie beraten werden wollen, sie sich bei uns wohlfühlen oder für ein schönes Gespräch vorbeischauen.“ Demnach machten Fachkompetenz, individuelle Atmosphäre und persönliche Bindung zu den Kundinnen und Kunden den Einzelhandel konkurrenzfähig.
Lapouthe nippt an seinem Kaffee und stellt sich die Zukunft der Westfälischen Straße vor. Das urige Westfalen Eck wird wohl bald verschwunden sein. Das Haus sei an einen Investor verkauft worden, erzählt er, der sicherlich wenig Interesse daran habe, eine Kiezkneipe zu erhalten. Die Miet- und Kaufpreise in der Gegend explodieren, wie an so vielen anderen Stellen in Berlin. Ohne staatliche Regulierungen oder finanzielle Unterstützung wird es den wenigsten Geschäften gelingen, die absurden Summen zu bezahlen.
Trotz allem schwingt in Christophe Lapouthes charismatischen französischen Akzent eher Hoffnung als Stagnation mit. „Vieles wird sich verändern, aber einiges wird auch gleich bleiben. Das ist doch das Besondere an Berlin.“
- La Cave de Bacchus Weinhandel GmbH Westfälische Str. 33, Wilmersdorf, Mo-Fr 10-19 Uhr, Sa 10-15 Uhr, Tel.030/76731764, www.weinhandlung-bacchus.de
Die Vielfalt in der Stadt ist groß: Wir zeigen euch wunderbare Weinläden in Berlin. Zu einem edlen Wein gehört natürlich auch das passende Essen: Hier gibt es Feinkost und Delikatessen. Es muss ja nicht immer ein ganz alter Laden sein, in Berlin kann man auch so gut einkaufen. Zum Beispiel in diesen besonderen Berliner Manufakturen, in denen ihr besondere Stücke findet. Manche Betriebe haben schon ein Jahrhundert auf dem Buckel: Wir stellen Berliner Traditionsläden vor, die es seit mehr als 100 Jahren gibt. Die neusten und besten Shopping-Tipps findet ihr immer hier.