Sie fühlen sich zu alt für illegale Raves mit DJ Igelknie hinter der Araltankstelle und den Programmpunkten pinkeln in Baueimern und besoffenen Schweden zum 21. Geburtstag gratulieren? Sie möchten altersgemäß Spaß haben – sind aber nicht bereit ihre Freizeit im Adagio zu verbringen? Was nun?
Stammtisch reservieren im „Blauen Affen“? Tatort? Skatabend mit dem Spießerpärchen von gegenüber? – oder die innere Uhr einfach ignorieren und weiter auf Kellerpartys rumdümpeln, bis der Malterserhilfsdienst eingreift?
Mein Vorschlag: bleiben sie progressiv und drehen sie den Spieß einfach um- zeigen sie den Undergroundkiz, dass ruinöser Industriehallencharme im Jahr 2009 voll Neunziger ist. Der heiße Scheiß findet längst woanders statt, also machen sie mit – mehr ‚anti’ geht nicht! Und ihr Portmonais können sie auch zuhause lassen (Münzgeld reicht).
Party mit dem „Reno“-Promotion-Team
Der DJ im Schuhmarkt trägt sein Cappi tief ins Gesicht gezogen, souverän mixt er den Track von „Die Luderz feat. DJ Almklausi“ ein. Um 16 Uhr hat die Lokation noch Platzkapazitäten doch die Beats des ca. 65 Jährigen locken mehr und mehr Partypeople an. Schnell sind die Einkaufstüten in der Ecke vergessen, als klar wird: Reno gibt einen aus! Am Tisch neben dem DJ Pult werden süsse Gummiwürmer und „Söhnlein Brilliant“ ausgegeben- die Nachfrage steigt. Noch drückt sich das Partyvolk verstohlen zwischen den Schuhregalen rum, doch die flackernden Bilder auf der Videowand bleiben nicht wirkungslos und eine erste Person wippt mit im Takt vorm Damenschuhregal- Größe 38.
Hin und wieder informiert der DJ per Mikro über den Frühjahrstrend ‚Herren’ (eleganter schnürer 29, 90) – ohne das die zunehmend heitere und offene Atmosphäre zum erliegen käme, im Gegenteil. Gegen 18 Uhr sind alle blau- Einlasstop bei Reno.
„Oma und Opa Tag“ in den Spandauer Arcaden
der Titel mag befremdlich wirken, für Partyhipster ist der Event ein muss- vor allem, wenn der international gebuchte DJ und Moderator Thomas Biber , hier zuvor eines seiner raren Deutschlandgigs ankündigte. Warmup-Performances finden beim OOT (ausgesprochen mit engl. Akzent) auf allen Floors statt und werden auch in entlegenen Winkeln das Hauses offeriert -wie zuletzt die orientalische Tanznummer von Susan-gleich hinter der Rolltreppe im EG. Tip!
„Rock’n’Rollshopping“ bei Hertie
Schon vor Ausbruch der Wirtschaftskrise begann Hertie am Hermannplatz sich neben dem Warenverkauf ein 2. Standbein im Partygeschäft aufzubauen – und die Fangemeinde gibt dem Unternehmen recht. In der Restaurant-Etage spielt tagsüber eine ’No-Name-Band’ in cooler 70er-Jahre Kluft. Die Gäste sitzen an Plastiktischen, während Coverversionen von Van Halen oder Abba – durchaus ambitioniert- performt werden. Bei Bier, Kirschtorte oder Hackfleischbrötchen lässt der Einsatz der Partyposse nicht lange auf sich warten. Ein Pärchen -vier und sechs Jahre alt – wagt den tänzerischen Auftakt zu „Dancingqueen“ um 13 Uhr – jetzt geht’s los!