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Ökonomie

Thomas Pikettys Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ in der Filmversion

Vor sechs Jahren ver­öffentlichte der französische Ökonom ­Thomas Piketty eine Schwarte, die sich rasch zu einem Klassiker der politischen Literatur entwickelte

2019 Upside and GFC (Capital) limited

„Das Kapital im 21. Jahrhundert“ ist keine einfache Lektüre, hat aber eine nachvollziehbare These – ein wenig vereinfacht gesagt: Wir befinden uns in einer Epoche, in der das Geld die Arbeit vollständig abgehängt hat. Während sich das Kapital gefräßig immer neue Bahnen schafft, kann man mit Arbeitseinkommen heute kaum mehr reich werden. Der Reichtum drückt auf die Welt, wie das einst der ausbeuterische Adel getan hat. Da passt es gut, dass in Berlin gerade ein alter Hohenzoller versucht, sich wichtig zu machen und alte Raubgüter gern als Familienbesitz deklarieren würde.

Nun gibt es zu Pikettys Buch einen illus­trierenden Film, in dem die (unter Ökonomen naturgemäß umstrittenen) Statistiken im ­Wesentlichen durch Bilder ersetzt ­werden. Was ursprünglich eine Erzählung aus ­Zahlen war, wird nun ein historisches Panorama, in dem vom 19. bis ins 21. Jahrhundert nachvollziehbar werden soll, warum die Errungenschaften vieler Arbeits- und Emanzipationskämpfe gerade wieder verloren zu gehen drohen.

Simple Illustration

Filmausschnitte („Les Miserables“ von Tom Hooper und andere Spielfilme, aber auch viel Archivmaterial) lassen eine Epoche lebendig werden, in der die Menschheit sich um Fortschritt bemühte, dabei aber auch Faschismus und Totalitarismus, Steuerparadiese und ­Finanzkrisen erfand. Die Ära einer vergleichsweise ausgeglichenen Marktwirtschaft, wie man sie in Deutschland mit dem Wirtschaftswunder und der Bildungsexpansion verbindet, erweist sich vor diesem Hintergrund als ­historische Ausnahme.

Man sieht allerhand Erwartbares, natürlich auch wieder die Menschenformationen auf den Reichsparteitagen, im Grunde einfach einen Bilderreigen, der in wesentlichen Zügen die Heraufkunft der Gegenwart erklären will. Das hat durchaus den Charakter einer fortgeschrittenen Powerpoint-Präsentation, denn das Prinzip der Bildauswahl ist nichts anderes als simple Illustration, in manchen Fällen auch durchaus ein bisschen Stimmungsmache – Befürworter eines linken Populismus könnten an diesen visuellen Strategien mitunter Gefallen finden.

Der Bilderstrom ist aber letztlich nur die Grundlage für die Wortbeiträge. Piketty ist der wichtigste Talking Head, er lässt sich aber von anderen Stars der globalen Linken (Paul Mason, Gabriel Zucman, Joseph E. Stiglitz) argumentativ beispringen, wie auch von der prominenten Journalistin Gillian Tett. Sie arbeitet für die „Financial Times“, eigentlich ein Zentralblatt des Wirtschaftsliberalismus, hat sich dort aber einen besonderen Status erarbeitet. Tett ist mit ihrer Mittlerrolle zwischen der strengen Kapitalismuskritik und den Piketty-Skeptikern vielleicht die interessanteste Beiträgerin.

Mit seinem bald ermüdenden historischen Durchmarsch tut der Film seinem Argument vielleicht nicht den größten Gefallen, aber bedenkenswert ist das Gezeigte allemal.

Das Kapital im 21. Jahrhundert F/NL 2019, 103 Min., R: Justin Pemberton, Start: 17.10.

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