So war es bei Berlin Art präsentiert von Mastercard Priceless Cities

Emil Nolde. Eine deutsche Legende. Der Künstler im Nationalsozialismus

Foto: Lena Ganssmann

Dass die Nolde-Ausstellung hochinteressant werden wird, hatten wir geahnt, als wir diese Berlin-Art-Führung planten. Doch dass gleich am ersten Wochenende 4.000 Besucher kommen würden und bereits am Tag unserer Führung ein Rundgang durch die Nolde-Schau nur noch mit vorab gekauften Zeitfenster-Tickets möglich sein würde – das war dann doch eine ziemliche Überraschung.

Die Nolde-Schau ist jeden Tag nahezu ausverkauft. Maximal 180 Besucher dürfen sich zwischen den Nolde-Werken aufhalten, um die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit in den Ausstellungsräumen zum Schutz der wertvollen Gemälde und Aquarelle stabil zu halten. Da war es natürlich ein absolutes Privileg, dass wir die Ausstellung mit 25 Personen für uns allein hatten! Und dazu noch die Professorin Aya Soika als Guide. Sie hat die Ausstellung gemeinsam mit dem Historiker Bernhard Fulda und mit Christian Ring, dem Direktor der Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde, kuratiert. Die drei bilden das führende Forscherteam in Sachen Node und der Nationalsozialismus. Die Kunsthistorikerin Soika ist zudem Expressionismus-Expertin.

Unglaublich, wie viele Details das Forscherteam zu Nolde und seinem Kampf um Anerkennung als Großkünstler und seine Anbiederung an die Machthaber im „Dritten Reich“ bei der Sichtung der Dokumente zu Tage gefördert hat. Und super spannend, wie Aya Soika bei unserer Tour diese vielen Fakten mit den Gemälden und Aquarellen in einen überzeugenden Zusammenhang brachte.

Um die Komplexität der Ausstellung zu verstehen, muss man wissen, dass von keinem anderen Künstler während der NS-Terrorherrschaft so viele Bilder beschlagnahmt wurden wie von Emil Nolde. Und er war einer der Künstler, die mit besonders vielen Werken in der Diffamierungs-Schau „Entartete Kunst“ von 1937 zwangsvertreten war. Gleichzeitig jedoch war Emil Nolde NSDAP-Mitglied, Hitler-Anhänger und hielt sich mit antisemitischen Äußerungen nicht zurück. Nolde selber sah darin keinen Widerspruch, denn er war überzeugt davon, dass er als Künstler einen wahrlich deutschen Expressionismus vertrat, der, würde dieser nur von den NS-Oberen in seinem Wesen erkannt, als die deutscheste der deutschen Kunst Anerkennung finden würde. Und um das zu erreichen, pflegten Emil Nolde und seine Frau Ada ihre Beziehungen zu Menschen mit Verbindungen in die inneren Kreise der Macht sehr sorgfältig.

Man kann dies gut an den einem Gemälde erklären, dem 1932 mit Öl auf Leinwand gemalten „Reife Sonnenblumen“. Es hängt heute in einem Museum in Detroit und hat als Leihgabe den Weg nach Berlin gemacht hat. Und die Geschichte des Gemäldes ist wirklich aufschlussreich. Eine Freundin Adas war mit der Münchner Kunsthändlerin Erna Hanfstaengel befreundet. Ernas Bruder Ernst „Putzi“ Hanfstaengel wiederum war der mit Hitler befreundete Auslands-Pressechef der NSDAP. Und in Putzis Esszimmer nun wurden im Sommer 1933 die „Sonnenblumen“ so aufgehängt, dass Adolf Hitler, wenn er zum Mittagessen bei Putzi vorbeikam, ganz „zufällig“ das Nolde-Gemälde sehen sollte. Und, wenn der Plan aufging, dadurch zum Nolde-Bewunderer werden würde.

Hitler sah die Sonnenblumen, wurde kein Bewunderer Noldes, sondern äußerte sich abfällig über dessen Kunst, was Emil und Ada Nolde aber nicht wussten. Und so versuchten sie immer wieder, bei Museumsleiter und anderen wichtigen Persönlichkeiten, Noldes Werke zu platzieren. Sogar dann, als seine Werke in der „Entartete Kunst“-Schau hingen, gab der sehr selbstbewusste Nolde nicht auf.

1940 kam dann das Berufsverbot gegen ihn. Zu der Zeit malte Emil Nolde viele Aquarelle. „Ungemalten Bilder“ nannte er sie nach 1945, als er selber kräftig an seiner eigenen Legendenbildung arbeitet und sich sowie sein Werk als widerständig gegen Hitler und die NS-Ideologie stilisierte – jetzt half ihm natürlich, dass seine Werke beschlagnahmt worden waren. „Ungemalte Bilder“ sagte er deshalb, weil er sie angeblich wegen des Berufsverbots nicht in große Ölgemälde übertragen hat. Der Geruch der Öl-Farbe hätte ihn an den Gestapo-Mann verraten, der ihn überwachte. Das war eine die Fakten verbiegende Selbststilisierung, wie Aya Soika und ihre Forscherkollegen herausfanden. Nolde hatte schon lange vor dem Berufsverbot damit begonnen, diese kleinen Aquarelle zu malen, unter anderem, um sie in Bücher einzukleben, die so zu teuren Künstlereditionen wurden.

Berlin Art im April war wirklich sehr eindrücklich: mit einer großartigen Tour durch eine herausragende Ausstellung, die zum Glück noch bis Mitte September im Hamburger Bahnhof läuft.

Text: Stefanie Dörre

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