Für die Ausstellung „moving is in every direction“ im Hamburger Bahnhof muss man gut zu Fuß sein: Rund 4.000 Quadratmeter sind zu erlaufen. Bequemes Schuhwerk ist also angemessen. Und: Der lange Marsch lohnt sich. Wer den Rundgang nicht bei einem ersten Besuch schafft, sollte also unbedingt wiederkommen.
Es ist die erste Ausstellung, die sich mit der Geschichte der noch jungen Installation Art befasst. Die beiden Kuratorinnen Gabriele Knapstein und Anna-Catharina Gebbers selbst haben die Führung übernommen. „Für uns war wesentlich, dass die Arbeiten einen ganzen Raum einnehmen und dass dieser Raum begehbar ist“, sagt Gabriele Knapstein. „Der Begriff Installationskunst wird oft inflationär gebraucht, wir möchten ihn präziser auffassen.“
Wie ist das Kunstwerk entstanden? Wie wurde es entwickelt? Außerdem stellt sich die Ausstellung der Frage, wie ein Kunstwerk eine Geschichte erzählt und welche Möglichkeiten der Betrachter hat, wenn er sich in einer Installation bewegt, diese Geschichte zu erfahren. So ist der Titel „der Ausstellung ein Zitat aus einem Vortrag von Gertrude Stein über das Erzählen. Die lineare Erzählweise schien ihr nicht mehr zeitgemäß. Das ließ sich auf die bildende Kunst übertragen. „Jeder Besucher kann sich in jeder Richtung durch den Raum bewegen.“ Der Betrachter gestaltet sich seine Geschichte selbst.
Seit den späten 1950er-Jahren bis in die 1980er hinein haben Künstler verschiedene Begriffe dafür: Narrative Räume, Situationen, Installationen, manche sprachen von Happening oder Assemblage. Allan Kaprow nannte seine Arbeit „Yard“ aus dem Jahr 1961 Environment. Dafür hatte er hunderte alter Autoreifen in den Hinterhof der Galerie Martha Jackson in New York gestapelt. Die Ausstellung zeigt Fotos von der Aktion, die Kaprow übrigens rund 20 Jahre später noch einmal aufführte. Wo wir bei einer entscheidenden Frage sind, die die Kuratorinnen dieser Ausstellung beschäftigt hat: Wie präsentiert man eigentlich Arbeiten, wenn es sich dabei um ein einmaliges Ereignis handelt? Was ist zu tun, wenn der Künstler, der sonst stets selbst für seine Installation im Ausstellungsraum gesorgt hat, inzwischen verstorben ist? Was bewahrt man – und wie?
Der belgische Künstler Marcel Broodthaers (1924-1976) hat – etwa für seine Arbeit „Wintergarten“ aus dem Jahr 1974 – klare Vorgaben hinterlassen: Etwa 26 Palmen von zwei Metern Höhe sollten genutzt werden. Einige davon sind kreisförmig angeordnet und bilden somit einen Raum in einem Raum. Ein TV-Gerät spiegelt das Starren der Besucher auf das Gerät. Nicht der Blick in eine ferne Welt ist zu sehen, sondern der installierte Raum. „Die Kamera ist neu“, erklärt die Kuratorin Anna-Catharina Gebbers. Hier war es alleine die Idee, die zählte. Ein paar Räume weiter findet sich der Happening-Raum „Elektronischer dé-coll/age“ des Deutschen Wolf Vostell. Ursprünglich war die Arbeit, einmal begehbar. Heute ist es nicht mehr möglich: Das Durchschreiten der Glasscherben wird inzwischen aus Sicherheitsgründen untersagt. Außerdem dürften sie inzwischen komplett zermalmt worden sein. Fotos veranschaulichen auch hier, wie die Arbeit in der Vergangenheit durchschritten werden konnte. KIR