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So war es bei tip Backstage präsentiert von Mastercard Priceless Berlin

Eine Reise ins goldene Zeitalter Berlins – ins geschichtsträchtige Kino Babylon

Anna Vavilkinas Füße tanzen in eleganten Mary-Jane-Pumps auf der Pedalklaviatur. Ihre Hände fliegen über die beiden Orgel-Manuale: „Das Paradies liegt an der Panke“ ertönt es so schmissig aus der Kino-Orgel, dass einige unter uns Zuhörern sofort zu dieser Melodie mitwippen. Und gar nicht mehr aufhören wollen – bei unserer tip Backstage-Tour präsentiert von Mastercard Priceless Berlin im Kino Babylon, die eine ebenso unterhaltsame wie informative Zeitreise war.

Kein Zweifel, wer sich für das Berlin der wilden 20er Jahre interessiert, der muss Anna Vavilkina im Kino Babylon erleben, die einzige fest angestellte Kino-Organistin an der einzigen Kino-Orgel der Stummfilmära, die noch am Originalstandort steht, beides gilt jedenfalls für Deutschland.

Mit den gefühlt unendlich vielen Registern der Orgel – wie überblickt Anna Vavilkina diese nur alle?, fragt man sich unwillkürlich – kann sie das Geräusch von Pferdegetrappel, von Donnergrollen oder Regenprasseln erzeugen, sie kann den Klang einer dramatischen Melodie bedrohlich anschwellen lassen oder zarte Glöckchen zum Klingen bringen. „Das war der letzte Schrei der Technik – im Jahr 1929“, sagt Anna Vavilkina selbstironisch, als sie uns ihre Orgel erklärt. Aber man merkt sofort, sie ist verliebt in dieses wunderbare, elektro-pneumatische Instrument.

1929, das war das Jahr, in dem das Kino Babylon eröffnete. Auch das Gebäude war damals der letzte Schrei, allerdings der Architektur, entworfen von einem Star des neuen Bauens, Hans Poelzig. Für ihn ist eine Gedenktafel draußen an der Fassade angebracht. Und dort startete Theaterleiter Stefan Ottenbruch seine Tour. Dann geht es rein ins Kino, vorbei an den alten Kassenhäuschen, die nicht mehr benutzt werden, weil es darin nach heutigen Maßstäben extrem eng ist. Damals, vor 90 Jahren, waren die Miniräume ein guter Schutz vor Überfällen. Die Kassierer*innen saßen geschützt hinter Stein und dicken Glasscheiben, die Kinogänger schoben das Geld durch eine kleine Öffnung.

Eine ausgezeichnete Akustik hat das Haus, erklärt Stefan Ottenbruch, was an den vielen Rundungen liegt. Der Grund für diese klangfreundliche Bauweise war unter anderem, dass das Stummfilmkino anno 1929 nicht nur eine Kino-Orgel hatte, sondern auch ein Live-Orchester, das zur Hauptvorstellung die Filme begleitete – wenn das Haus ausverkauft war, vor 1000 Zuschauern.

So viele Menschen passen heute nicht mehr ins Babylon hinein, sondern nur noch rund die Hälfte. Und diese Plätze sind weiterhin gut belegt, oft alle. Wenn wieder ein Festival die Cineasten ins Haus lockt. Oder wenn Regisseur*innen dort ihre Filmpremieren feiern. Das Babylon ist trotz seiner spannenden Historie genauso tief im Hier und Jetzt des Filmschaffens involviert.

Aber es hat seine Geschichte eben nicht vergessen, sondern pflegt die historische Aufführungspraxis und hat so dem Stummfilm mit Livebegleitung wieder zu einem neuen Publikum verholfen. Im 90. Jahr des Bestehens gehört zum detailverliebten Reenactment nicht nur durch die Kino-Orgel, sondern auch wieder ein Orchester. Das Babylon Berlin Orchester begleitet dann beispielsweise Fritz Langs Klassiker „Metropolis“ aus dem Jahr 1927.

Zu so einem Anlass wird die 4:3-Stummfilm-Leinwand hinuntergelassen, die normalerweise hinter der großen Leinwand für zeitgenössische Kinoformate verborgen ist. Stefan Ottenbruch erklärt uns diese Unterschiede, während wir die Bühne erklimmen. Auch sie ist hinter der großen Leinwand sonst nicht zu sehen. Wir steigen in den alten Orchestergraben hinab, kommen vorbei an einem uralten Tresor und gehen dann hoch bis unters Dach des denkmalgerecht sanierten Hauses. Im Vorführraum dominiert mittlerweile auch im Babylon die Digitaltechnik, nur noch selten werden die alten Projektoren angeschmissen. Über den Balkon geht es dann zurück in den großen Saal, wo Anna Vavilkina für uns zum Abschluss noch Charlie Chaplins Kurzfilm „The Rink“ auf der Kinoorgel begleitet. Wie gebannt starren wir auf die Leinwand und lachen über den genialen Humor. Der alte Streifen kann sein Publikum immer noch fesseln.

Und wir sind nur dadurch zu bewegen, das Kino zu verlassen, dass noch ein Imbiss und Kaltgetränke im nahgelegenen Restaurant The Grand auf uns warten.

Text: Stefanie Dörre
Fotos: Lena Ganssmann

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