so war es bei tip Backstage im deutschen zentrum für luft- und raumfahrt (DLR) präsentiert von mastercard priceless berlin

Den Sternen so nah!

Wenn die nächste Raumsonde auf dem Mars landet, dann bitte bloß nicht an einem steilen Hang. Falscher Landungsort, vergurkte Landung, alles futsch. 

Über der riesigen Leinwand im großen Saal des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) flimmern 3-D-Bilder von der Mars-Oberfläche, aufgenommen mit der hochauflösenden Stereokamera HRSC, die am Institut für Planetenforschung am DLR entwickelt wurde. Es ist das Finale einer zweieinhalbstündigen Tour bei „tip Backstage präsentiert von Mastercard Priceless Berlin“ am DLR-Standort in Berlin-Adlershof, die von der irdischen Verkehrsforschung aus immer weiter in Richtung All führt. Und schließlich über dem Mars gleitet, mit HRSC-Aufnahmen der 2003 gestarteten „Mars Express-Mission“ der Europäischen Weltraumorganisation ESA.

Die Backstage-Besucher tragen 3-D-Brillen. Sie sehen lustig aus. Selfie bitte. Danke.

Vor ihnen auf der Leinwand: gigantische Berge, schroffe Täler. Dort muss die nächste Mars-Sonde erst mal heil runterkommen. Denn bei der „ExoMars Mission“ wird 2020 ein Rover an Bord sein, der die Mars-Oberfläche erkunden soll. Alle zwei Jahre stehen Erde und Mars günstig genug für einen Flug zum roten Planeten. „Wenn das Ding umkippt, müssen Sie wieder zwei Jahre warten?“, fragt ein Besucher. „Wenn das umkippt, fürchte ich, dass wir länger als zwei Jahre warten müssen“, sagt Ernst Hauber vom Institut für Planetenforschung am DLR trocken. „Weil uns dann so schnell niemand mehr Geld dafür gibt. Das muss klappen.“

Derselbe Saal, gut zwei Stunden früher. Julia Heil aus der DLR-Kommunikationsabteilung umreißt bei der Begrüßung die wichtigsten Daten zum DLR: 40 Einrichtungen, 20 Standorte, 8.000 Mitarbeiter. 1992 wurde der Standort Berlin in Adlershof eröffnet. Dort, wo die Luftfahrt-Forschungsgeschichte mehr als 100 Jahre weit zurückreicht: vom Verein „Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt“, der sich auf Anregung des Grafen von Zeppelin 1912 am Flugfeld Berlin-Johannisthal gründete, über das 1967 unterzeichnete Interkosmosprogramm der DDR mit der UdSSR bis zur Gründung des Institut für Kosmosforschung (IKF) der Akademie der Wissenschaften im Jahre 1981.

Und dann geht es los, kreuz und quer durch das Haus am Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Adlershof, kurz WISTA, Deutschlands modernstem Technologiepark. Treppe rauf, Treppe runter. Nicht nur auf dem Mars macht sich eine gute Orientierung gut. Auch beim DLR kann man schnell mal verloren gehen.

Im LSA-Labor vom Institut für Verkehrssystemtechnik stehen und hängen gut ein Dutzend Lichtsignalanlagen, sie blinken heiter in den ampelüblichen Farben. Rot, gelb, grün. Hier werden Steuerverfahren für Verkehrsschaltungen entwickelt. „Lasst uns über die Fahrzeuge mit den Ampeln kommunizieren“, sagt Sten Ruppe vom Institut. Er zeigt eine neongrüne Smartwatch. Die habe ein Schülerpraktikant so programmiert, dass man damit auch eine schon ältere Ampel umschalten könne, auf Fingerdruck. Praktisch für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen, die eine Fußgängerampel passieren wollen. „Was wir zeigen wollten: dass man auch moderne Handytechnik mit betagten Ampeln verknüpfen kann“, sagt Ruppes Kollege Jan Trumpold.

Nächste Station: das Institut für Verkehrsforschung, das MovingLab. Hier hat René Kelpin einen Touchscreen in solider Esstisch-Dimension zur Verfügung. „Eine halbe Stunde Zeit haben wir? Das ist natürlich wenig.“ Dieses Institut, sagt der Diplom-Mathematiker, sei eine der wenigen DLR-Einrichtungen, die nicht auf technischem Gebiet ihrem Fokus habe, sondern in der sozialwissenschaftlichen Mobilitätsforschung: „Wir möchten verstehen, wie die Bürger als Agenten der Mobilität sich verhalten.“

Kelpin wirft Grafiken an die Wand, die auf der Basis von simulierten Daten von 35.000 Berlinern ihr Verkehrsnutzungsverhalten aufschlüsseln, ihre bevorzugten Nahverkehrsmittel, ihre Wege. Was diese Datensammlung von der von Google unterscheide, fragt einer. „Wir haben einen Rückkanal!“, sagt Kelpin. Eine App, die man sich installieren kann. Dann sind die Daten auch echt.

Und die Leute reichen so ganz bereitwillig ihre persönlichen Daten rüber? „Man glaubt uns, dass wir diese Daten gut behandeln“, versichert Kelpin. „Wir sind die Guten.“

Dann muss die Gruppe schon weiter, zur nächsten Station, danke, tschüss, raus. Der Autor dieser Zeilen plaudert gemeinsam mit einem Teilnehmer noch kurz mit René Kelpin über „Kannibalisierungseffekte der neuen Mobilitätssysteme“ wie Carsharing und Leihräder. Dann passiert es. Raus aus der Tür. Der Flur ist leer. Die Gruppe weg. Keine Ahnung, wohin. Andere Etage, anderes Universum.

Man fühlt sich plötzlich wie eine Sonde, die einen Marshang herunterkullert.

Zum Glück hilft eine DLR-Mitarbeiterin weiter. So kann die Tour doch weitergehen. Mit dem Griff nach den Sternen. Und den Planeten. Erst bei aktuellen Projekten des Instituts für Optische Sensorsysteme, zum Beispiel mit dem Hyperspektrometer DESIS, das das DLR in Zusammenarbeit mit der Firma Teledyne Brown Engineering entwickelte. Das Wundergerät kann 235 Spektralkanäle im Spektrum 400 bis 1000 Nanometern aufzeichnen. Damit lassen sich zum Beispiel aus dem All heraus die Ökosysteme überwachen. Im August wurde es von Alexander „Astro-Alex“ Gerst auf der ISS-Raumstation entgegengenommen.

„Wir dürfen Prototypen entwickeln, Grundlagenforschung betreiben“, sagt Stephanie Kaufhold vom Institut für Optische Sensorsysteme. „Die meisten Wissenschaftler sagen: ,Was bringt uns das?’ Wir dürfen sagen: ,Was wäre wenn?’ Wir dürfen träumen.“

Noch ein Blick tief ins All bei Susanne Pieth in der Planetaren Bibliothek, die 1985 gegründet wurde, damals noch am DLR-Standort in Oberpfaffenhofen, und seit 1992 in Adlershof Bilder und Daten von vor allem amerikanischen, aber auch europäischen und russischen Weltraummissionen sammelt. Susanne Pieth greift ins raumhohe Regal, holt einen Leitz-Ordner über die Viking-Mission zum Mars aus den 1970er-Jahren raus: „Das sind wirklich die originalen Missionsdaten.“

Und dann geht es zum Abschluss hoch zum Mars, in 3-D, auf der Leinwand im großen Saal, mit Bildern der HRSC-Kamera, das DLR nennt sie auf seiner Homepage „Deutschlands wichtigsten Beitrag zur Mission Mars Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA“. Seit 2004 fahndet die hochauflösende Stereokamera über der Marsoberfläche nach Spuren von Wasser, von Leben.

Und ab 2020 macht dann vielleicht der Rover mit der Suche weiter. Unten, am Boden. Zwischen acht Kilometer hohen Bergen und ebenso tiefen Tälern. Auf dem roten Planeten. Wenn er nicht bei der Landung umkippt. Bloß nicht dran denken.

Die Backstage-Teilnehmer können sich jedenfalls nun so ungefähr vorstellen, was sie erwartet. „Danke schön“, sagt einer zum Schluss. „War’n wa wenigstens mal auf dem Mars.“ Für Träume ist das ja schon mal ein brauchbarer Anfang.

Text: Erik Heier

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