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Beatrix von Storch zeigt mit der Verhüllung der Karl-Marx-Büste nur, wie rassistisch sie ist

Man möchte laut los lachen und gleichzeitig weinen: Beatrix von Storch hat die Karl-Marx-Büste auf dem Strausberger Platz in Berlin verhüllt, um die Rassismusdebatte in Deutschland zu kritisieren. Doch diese Aktion ist nur eines: rassistisch durch und durch. Das Beste an der Geschichte ist aber, dass sie das Einmaleins von Protest in Deutschland nicht kennt und vergessen hat, ihre Aktion anzumelden.

Beatrix von Storch zeigt mir ihrer Verhüllung der Karl-Marx-Büste, wie rassistisch sie ist
Zu uninformiert, eine Protestaktion anzumelden: Beatrix von Storch. Foto: imago images/Metodi Popow

Die AfD-Politikerin und Partei-Vize auf Bundesebene, Beatrix von Storch, hat zusammen mit Mitgliedern der Jungen Alternative (JA) die Karl-Marx-Büste am Strausberger Platz zeitweise mit einer Plastiktüte verhüllt. Als Anlass nahm sie die aktuelle Debatte um die Daseinsberechtigung von Statuen von einflussreichen rassistischen Männern, die mit der Black-Lives-Matter-Bewegung Fahrt aufgenommen hat. Laut von Storch sei die Debatte „zur Bilderstürmerei“ verkommen. Einzig ihre Ikone Karl Marx verschonten die Linken dabei, obwohl er „Rassist und Antisemit“ gewesen sei, sagte von Storch.

Karl Marx hat tatsächlich antisemitische und rassistische Dinge gesagt

Es stimmt, Karl Marx hat so einige rassistische und antisemitische Dinge von sich gegeben. In seinem Essay „Zur Judenfrage“ schrieb er: „Welches ist der weltliche Grund des Judentums? Das praktische Bedürfnis, der Eigennutz. Welches ist der weltliche Kultus des Juden? Der Schacher. Welches ist sein weltlicher Gott? Das Geld.“ Seinen Schwiegersohn beschimpfte er wegen seiner kubanischen Mutter als „Abkömmling eines Gorillas“. Das ist ekelhaft und menschenverachtend.

Es ist aber nicht so, dass Marx rassistische und antisemitische Ausfälle nicht in der linken Szene und in der Wissenschaft diskutiert werden. Eigentlich ist sich die Wissenschaft sogar uneins, ob er antisemitisch war: Zum einen, weil Marx selbst aus einer jüdischen Familie stammte. Unter anderem aber auch, weil er sich in der konkreten Politik an die Seite von Jüdinnen und Juden gestellt hat, die Jüdische Allgemeine nennt da Petitionen von Kölner und Trierer Jüd*innen. Er hat sich auch 1854 für die Juden in Jerusalem ausgesprochen.

So oder so ist es bei Beatrix von Storch schon bezeichnend, dass sie im Fall von Karl Marx in der Lage ist, Rassismus und Antisemitismus zu erkennen und zu benennen, bei sich selbst und ihren Parteikolleg*innen aber nicht. Von Storch forderte 2016, Geflüchtete an Deutschlands Grenzen zu erschießen. Das rechtsextremistische rassistische Attentat von Hanau bezeichnete sie als „Wahnsinnstat“ eines „psychotischen Amokläufers“, obwohl der Generalbundesanwalt schon längst gesagt hatte, dass es Hinweise auf einen rechtsextremistischen Hintergrund gebe und die Webseite des Täters alle weiteren Zweifel daran ausräumte. Abgesehen davon, dass die Ziele des Attentäters, nämlich Menschen in und vor Shisha-Bars, nicht schon genug Aufschluss über seine Motivation gegeben hätten.

Von Storch differenziert bewusst nicht

Von Storch zeigt mit ihrer Aktion einmal mehr, dass sie mindestens genau so sehr auf Minderheiten hinabblickt wie Karl Marx, wenn nicht noch viel mehr. Kurz: Sie beweist mal wieder, dass sie rassistisch denkt und wessen Geistes Kind sie ist. Auch wenn sie das wie die meisten AfD-Mitglieder nie offen zugeben würde. Denn sie prangert nicht Marx‘ Einstellungen in Bezug auf Minderheiten an, sondern, dass Linke die Karl-Marx-Büste noch nicht gestürzt haben. Ihr sind die berechtigten Anliegen von PoC, die fordern, dass Kolonialherren in Deutschland nicht auch noch mit Statuen geehrt werden, egal. Damit offenbart sie, wie rassistisch sie denkt. Außerdem lässt sie bewusst außen vor, dass es bei diesem speziellen Protest der Black-Lives-Matter-Bewegung um Denkmäler für Kolonialisten geht. Und sie versäumt, wie eigentlich immer, zu differenzieren: Sie tut so, als wäre es nicht umstritten, dass Marx Antisemit war.

Denn in Bezug auf Karl-Marx-Statuen und -Büsten ist eine Debatte über deren Existenzberechtigung in manchen Fällen vielleicht tatsächlich angebracht. Dafür, dass sie bleiben, sprechen: Die Aktualität von Marx‘ Ideen in Bezug auf Klassenunterschiede und Möglichkeiten, diese zu überkommen. In den neuen Bundesländern und in Ost-Berlin sind solche Statuen außerdem Zeugnis einer Epoche deutscher Geschichte, also der DDR-Geschichte, die stellenweise ziemlich düster und ihrerseits menschenverachtend war. Statuen und Büsten wie die von Karl Marx können auch helfen, sich dessen zu erinnern. Wenn man dabei offen und differenziert eben auch Themen wie Rassismus und Unterdrückung anspricht.

Die AfD schreit sonst am lautesten nach der rechtlichen Verfolgung von Demonstrant*innen

Wenn allerdings die Stadt Trier als seine Geburtsstadt eine Karl-Marx-Skulptur als Geschenk von China annimmt, wie 2018 geschehen, ist das etwas Anderes. Darüber sollten wir kritisch diskutieren, vor allem weil in China praktisch keine Menschenrechte existieren und das Land dafür bekannt ist, seine Bürger*innen zu unterdrücken, zu internieren, ihnen jedes Mitspracherecht zu nehmen — siehe die Situation der Uiguren. Dummerweise hat von Storch aber nicht die Statue in Trier verhüllt, sondern die Büste auf dem Strausberger Platz, im Osten Berlins, dem ehemaligen Machtzentrum der DDR. Angesichts von so viel undifferenziertem, sich selbst entblößendem Aktionismus kann man eigentlich nur noch lachen.

Und jetzt kommt das i-Tüpfelchen: Von Storch und ihre Kumpanen von der JA hatten anscheinend vergessen, die Aktion anzumelden. Muss man nämlich machen, weiß jede*r, der schon mal an einer Demo teilgenommen hat. Jetzt ermittelt der Staatsschutz wegen Verdacht auf Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Der Staatsschutz ermittelt gegen Beatrix von Storch, die Mitglied jener Partei ist, die bei jeglicher Demo, wo etwas passiert, was nicht dem Gesetz entspricht, bei jedem symbolischem Protest und jeder Aktion zivilen Ungehorsams von Grünen oder Linken am lautesten nach strafrechtlicher Verfolgung schreit. Schadenfreude kann so schön sein!


Nicht nur zahlreiche Statuen huldigen in Deutschland Rassisten. Auch einer der beliebtesten deutschen Filme trieft vor Rassismus. Unser Autor schreibt über „Otto – Der Film“ und die Rassismus-Frage: Warum der Film heute so verstörend ist. Ihr wollt euch zum Thema Antirassismus weiterbilden? Wunderbar: in den letzten Jahren sind auch in Deutschland einige empfehlenswerte Bücher zum Thema erschienen. Eine kleine Auswahl hat „She said“ zusammengestellt: Berlins neue Frauenbuchhandlung, die ihren Fokus auf Autorinnen und queere Literatur setzt. Ihr wollt nicht nur lesen, sondern euch auch engagieren? So tretet ihr gegen Rassismus ein. Ihr musstet Erfahrung mit Rassismus machen? Each One Teach One bietet eine Beratung für Betroffene. Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes kann helfen.

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