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Nach dem Lockdown

Wann öffnen Theater wieder? Das planen Berliner Bühnen für die Zukunft

Wann öffnen Theater wieder, was haben die Bühnen nach dem Lockdown vor? tipBerlin hat bei den Intendanten von Schaubühne, BE, DT, Komischer Oper, HAU, Tipi am Kanzleramt nachgefragt. Schon im Juni gibt es erste Hofvorstellungen an manchen Häusern – und die nächste Spielzeit nimmt Gestalt an.


Vielen Berliner Theaterintendanten wird noch in den Ohren klingeln, was Kultursenator Klaus Lederer ihnen im April in einer gemeinsamen Zoom-Konferenz für die Planung der nächsten Spielzeit auf den Weg gegeben hat: „Bedenken Sie, auch der Herbst wird noch nicht normal sein.“

Wenn die Theater wieder öffnen, sehen die Säle wohl aus wie hier das Berliner Ensemble: weniger Sitze mit viel Abstand. Foto: Ingo Sawilla
Wenn die Theater wieder öffnen, sehen die Säle wohl aus wie hier das Berliner Ensemble: weniger Sitze mit viel Abstand. Foto: Ingo Sawilla

Auch wenn die Theater wieder öffnen, bleiben viele (finanzielle) Fragen ungeklärt

So bereiten die Theaterchefs eine Spielzeit 2020/21 vor, die nicht nur unter Hygieneregeln steht, sondern auch unter mehreren Fragezeichen hinsichtlich der wissenschaftlichen Prognosen und einer ungeklärten finanziellen Kompensation der mit den Abstandsregeln deutlich reduzierten Einkünfte. Schließlich erzwingen diese den Verzicht auf bis zu zwei Drittel der Platzkapazitäten – und damit der Einnahmen. Aber trauen sich überhaupt genug Zuschauer wieder ins Haus?

Gleichzeitig setzen die Intendanten auf Zweckoptimismus, je nach Naturell der eine mehr, die andere weniger. Manchen bleibt auch gar nichts anderes übrig als das Prinzip Hoffnung: Den Intendanten der kaum oder gar nicht subventionierten Privatbühnen steht nach mehrmonatiger Zwangsschließung das Wasser bis zum Hals. Von Bar jeder Vernunft über Komödie im Schillertheater bis zum Wintergarten setzen die Unterhaltungstheater auf die endlich wieder mögliche Spielplanaufnahme ab August.

Offene Theater, aber abgewandelte Stücke? Viele Häuser stellt das auf die Probe

Doch von Normalität wird auch da noch keine Rede sein können. Aufwendige Produktionen rechnen sich bei weniger Zuschauern wirtschaftlich nicht, und auch die Abstandsregeln auf der Bühne machen Inszenierungen wie den jahrelangen Erfolgsgaranten „Cabaret“ im Tipi eigentlich unmöglich. Doch Zeltchef Holger Klotzbach kann das Musical schon aus urheberrechtlichen Gründen nicht um-inszenieren lassen. Hier ist für ihn eine Grenze der Zugeständnisse erreicht.

Müssen wir bis 2022 auf "Cabaret" warten? Auch wenn Theater wieder öffnen, lassen sich viele Stücke nicht einfach für die Einschränkungen anpassen. Foto: imago images / Brigani-Art
Müssen wir bis 2022 auf „Cabaret“ warten? Auch wenn Theater wieder öffnen, lassen sich viele Stücke nicht einfach für die Einschränkungen anpassen. Foto: imago images / Brigani-Art

Das Schwesternzelt Bar jeder Vernunft setzt in seiner schon traditionellen Frauensommer-Reihe gleich auf Solo- und Duo-Abende mit Entertainerinnen wie Maren Kroymann, Desirée Nick, Cora Frost sowie Uschi Brüning und Popette Betancor.

Der Wintergarten meldet sich ab 2. August mit der 20er-Jahre-Revue „Golden Years“ zurück, die Abstandsregel soll für die Artisten hier kein Problem darstellen. Das Chamäleon Theater präsentiert ab 1. August die australische Neo-Vaudeville-Show „Le Coup“ und hofft, dass man trotz Abstandsauflagen irgendwie noch bis zu 200 Zuschauer unterbringen darf.

Plan B mitdenken: Für die Öffnung haben die Theater verschiedene Szenarien

Das HAU plant Premieren von unter anderem She She Pop, andcompany&Co. und Adrian Figueroa unter Einbeziehung eines Plan B für den Fall der Fälle: „Mit den Künstler*innen sind wir derzeit im Gespräch über andere mögliche Aufführungsformen“, sagt HAU-Chefin Annemie Vanackere. Schon jetzt streamen viele Theater Inszenierungen, worüber wir täglich im Online-Veranstaltungskalender informieren.

Barrie Kosky, Intendant der Komischen Oper Berlin, plant die Theater-Wiedereröffnung mit großen Inszenierungen – oder gar nicht. Foto: imago images/Tagesspiegel
Barrie Kosky, Intendant der Komischen Oper Berlin, plant die Theater-Wiedereröffnung mit großen Inszenierungen – oder gar nicht. Foto: imago images/Tagesspiegel

Auch Barrie Kosky, Intendant der Komischen Oper, hält in einem Interview verschiedene Pläne für Wiedereinstiegsszenarien für geboten. „Plan A ist business as usual, also wir öffnen im September mit der Wiederaufnahme von Jacques Offenbachs ,Les Contes d’Hoffmann‘ und richten in dieser Spielzeit einen besonderen Spot auf Kurt Weill und sein Berliner Schaffen.“ So sind eine Neuproduktion von „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“, die Kinderoper „Tom Sawyer“ (nach Kurt Weill) sowie die konzertante Premiere „Der Silbersee“ Teil dieses Plans.

Plan B wäre – wenn es Abstandsregeln im Orchestergraben und auf der Bühne und eine drastisch reduzierte Zuschauerzahl im Saal geben müsste: gar nicht zu spielen. Und die Spielzeit halt erst später zu beginnen, Anfang November, im Januar oder auch erst im März 2021.

Theater ist teuer. Was, wenn sich die Öffnung nicht rechnet?

Und Kosky spricht dabei für seine Intendantenkollegen von Deutscher und Staatsoper gleich mit: „Ich kann Repertoire-Aufführungen, die für uns essenziell sind, nicht einfach adaptieren. Das ist unmöglich. Und wenn wir nur vor 300 Zuschauern spielen können, würden wir eine Menge Geld verlieren.“

Die Sprechtheater sind da womöglich flexibler, obwohl auch hier mancher schon eine digitale Variante mitdenkt. So ist die nun im Juni erprobte digitale Ausgabe des „Radar Ost“-Festivals für DT-Interndant Ulrich Khoun auch eine mögliche Option für die in den Herbst verschobenen „Autorentheatertage“, falls eine zweite Coronawelle die normale Durchführung unmöglich macht.

Schon jetzt geht es los: „Radar Ost“-Festival und Open-Air-Vorstellungen

Natürlich sollen die drei von der Jury aus Dea Loher, Nina Hoss und David Tushingham prämierten Gewinnerstücke zur Uraufführung gebracht werden.

Noch vor dem Auftakt des „Radar Ost“-Festivals zeigt das Deutsche Theater Open-Air-Vorstellungen. Im Juni sind Aufführungen von Camus’ „Die Pest“ unter freiem Himmel angekündigt.

Auch das Gorki Theater bedenkt bei seiner Planung verschiedene Optionen, so dass es seinen Spielplan derzeit noch nicht spruchreif mitteilen möchte.

Soloabende mit Lars Eidinger und Nina Hoss könnten das Schaubühnen-Konzept ausmachen

Thomas Ostermeier setzt für seine als Privattheater auch mit der Auslastung knallhart kalkulieren müssende Schaubühne auf die kleine Form, die hier durchaus Wumms hat.

Sein Repertoire hält schließlich mit Lars Eidingers Soloabend „Peer Gynt“, der tollen Ursina Lardi in Milo Raus „Mitleid. Die Geschichte des Maschinengewehrs“ und seine weitgehend auf Nina Hoss fokussierende Inszenierung „Rückkehr nach Reims“ einige dank geringem Personalaufwand auch bei reduzierter Zuschauerzahl ökonomisch tragfähige Abende bereit.

Solo für Lars Eidinger: Sein "Peer Gynt" könnte auf die Bühne zurückkehren, wenn die Theater wieder öffnen. Foto: Benjakon
Solo für Lars Eidinger: Sein „Peer Gynt“ könnte auf die Bühne zurückkehren, wenn die Theater wieder öffnen. Foto: Benjakon

Als Uraufführung kommt im September ein weiterer Monolog von Milo Rau mit Ursina Lardi heraus, der die Bewegung der Landlosen in Brasilien thematisiert. Mit Simon McBurneys „Michael Kohlhaas“, Simon Stones „Yerma“ und Ostermeiers eigenen Inszenierung von Virginie Despentes’ „Das Leben des Vernon Subutex“ kommen aber doch auch Ensemblestücke zur Premiere.

Optimismus am Berliner Ensemble: Theater im Hof und eine Öffnung mit Abstand

Optimistisch zeigt sich BE-Intendant Oliver Reese, der die Hygieneregeln bereits munter umsetzt: Jede zweite Reihe wird ausgebaut, es soll Einzel- und Pärchensitze wie im Kino geben, immer mit genügend Mindestabstand zwischen den Stühlen. Statt 600 passen dann noch 200 Besucher ins Große Haus.

Wie das Deutsche Theater auch plant das Berliner Ensemble die Freiluft-Saison. Schon ab 10. Juni soll es kostenlose Vorstellungen unter dem Titel „Hof-Theater“ zu sehen geben: kleine, improvisierte Abende mit Platz für 50 Zuschauer. Das ist möglich, weil die Corona-Bestimmungen zuletzt deutlich gelockert wurden.

Die Repertoire-Inszenierungen werden auf Tauglichkeit zu den Corona-Auflagen geprüft. Küssen und Schlagen geht nicht. Allzu körperintensive Produktionen wie Michael Thalheimers „Macbeth“ – ein marxistisches Theater der Grausamkeiten, wie tipBerlin-Autor Peter Laudenbach schrieb – dürfen nicht auf den Spielplan zurück. Nicht gestrichen, aber ins nächste Jahr verschoben ist eine ursprünglich als Spielzeiteröffnung geplante Luk-Perceval-Inszenierung, die als große Ensembleproduktion nicht Corona-tauglich ist.

Eine Castorf-Premiere in der nächsten Spielzeit

Die Spielzeit wird  nun am 4. September mit der Uraufführung „Gott ist nicht schüchtern“ von Olga Grjasnowa eröffnet, Regie: Laura Linnenbaum. Es geht um Migration, Flucht und den Krieg in Syrien. Hausherr Reese übernimmt die Regie der zweiten Spielzeitpremiere, der Uraufführung von Ferdinand von Schirachs „Gott“. Frank Castorfs im März verschobene Kästner-Inszenierung „Fabian oder der Gang vor die Hunde“ wird nun im November nachgeholt.

Zuletzt zeigte sich der Starregisseur von den Hygieneregeln wenig begeistert. Alexander Karschnia antwortete in einem tipBerlin-Gastbeitrag auf das Spiegel-Interview. Inwieweit sich Castorf in seiner Inszenierung nach den Auflagen richten wird, bleibt abzuwarten. 

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